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Jens Weinreich

Notizen vom Sportausschuss (1): WM 2010 in Südafrika

Ich sitze gerade in der 59. Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages. Eigentlich bin ich wegen der Beratungen zum Sporthaushalt und der Diskussion über eine Sperre von Fördermitteln an den Bund Deutscher Radfahrer gekommen. Nun reden sie aber erst über die WM 2010 und über Willi Lemkes Rolle bei den Vereinten Nationen.

Die zarte Debatte habe ich mal stenografiert, um einen Eindruck zu geben von der Arbeit im Sportausschuss hier im Sitzungssaal 4.800 des Paul-Löbe-Hauses. (Links folgen später am Abend.) Ich wollte den Sportausschuss ohnehin regelmäßig im Blog begleiten, also fange ich einfach mal an.

Zu Beginn weist Ausschuss-Chef Peter Danckert (SPD) darauf hin:

Liebe Kollegen, bei aller Bedeutung des Sports sind die Dinge, die derzeit die ganze Welt betreffen, eine ganze Menge wichtiger.

Deshalb fehlen auch einige Abgeordnete, weil sie in anderen Ausschüssen werkeln. Der ehemalige Schiedsrichter Bernd Heynemann (CDU) fehlt auch, aus anderen Gründen.

Zugegen ist dafür Gerhard Böhm, Sportberater der Kanzlerin. Und natürlich: Horst R. Schmidt, Willi Lemke und Ralph Arend, Botschaftsrat der Botschaft der Republik Südafrika in Berlin.

Ein Vize-Premier für Sotschi

Am Anfang, im vergangenen Jahr auf der IOC-Session in Guatemala, standen einige Versprechen. Es sprach also Wladimir Putin:

Das Wahlvolk hat kassiert entschieden. Und inzwischen ist das Projekt Sotschi erwartungsgemäß gefährdet, was das IOC natürlich nicht zugeben wird. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hat gestern gehandelt: Er ernannte Dmitri Kosak (links im Bild), den Minister für Regionalentwicklung, zum stellvertretenden Premierminister, zu einem von acht Stellvertretern Putins (wenn ich richtig gezählt habe). Ein Vize-Premier mit einer Aufgabe: Die Winterspiele 2014 in Sotschi stattfinden zu lassen.

medwedew + kozak 14.10.2008

Krisensitzung?

Es wird eng. Es wird knapp. Nur der Termin steht bislang: 7. bis 23. Februar 2014. Bis dahin müssen noch ein Hafen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken gebaut, ein paar Berge gefräst, die Nordkaukasus-Region befriedet und, auch das, etliche State of the Art Sportstätten errichtet werden. Kleinigkeiten also.

Forschungsprojekt Doping

Brandaktuell, ganz frisch aus dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Jetzt wollen es die deutschen Sportorganisatoren wissen und schreiben ein hübsches Projekt aus, immerhin:

Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation

Der Kontext interessiert mich. Legitimation? Hat jemand Lust, sich zu bewerben? Das Projekt wird immerhin über 36 Monate finanziert, zehn Prozent Eigenmittel vorausgesetzt.

Was man beachten sollte:

Vom Umgang mit Dopingproben

Ich habe ein paar Emails bekommen, in denen ich gefragt werde, wie ich das denn gemeint habe, mit den Dopingproben, die seit mindestens sieben Wochen (einige seit mehr als zehn Wochen, wenn ich die Olympic Period berechne) in Peking lagern und jetzt doch irgendwie-irgendwo-irgendwann nach Lausanne geschafft werden sollen. (Laut IOC-Boss Rogge sind sie bereits da. Aber wer weiß, wer glaubt das schon.) Alles nur, weil ich heute morgen gefragt habe, ob man den Chinesen trauen kann.

Natürlich kommt es mir spanisch chinesisch vor, wenn IOC-Vertreter wie Medizindirektor Schamasch erst lügen behaupten, das Zeug würde in Windeseile ausgeflogen. Die Proben sind wunderbares sportpolitisches Druckmittel in der Hand der falschen Leute. Zumal in dieser Situation mit all den Versäumnissen, und propagandistischen Manövern. Es fehlt halt an Transparenz.

So lief das schon immer im olympischen Sport, was ich gleich an einigen Beispielen zeigen werde. Sage nur niemand, es handele sich um olle Kamellen, nur weil die Geschichten aus den 1980er Jahren sind. Einige Personen, die erwähnt werden, sind noch in Amt und Würden. Und: So wie die Ostdeutschen, deren Chef-Doping-Spitzel Manfred Höppner alias „IM Technik“ das alles für die Stasi notiert hat, haben das auch andere gemacht.

Also, ein paar Beispiele aus dem reichen Fundus des IM Technik.

***

Beispiel 1 – Turn-WM in Moskau: Ein DDR-Turner wird erwischt. Die Russen melden es dem Turn-Weltverband FIG, deren Präsident passender Weise der Russe Juri Titow war, allerdings nicht. Der sowjetische Sportchef Marat Gramow klärt das mit dem DDR-Sportchef Manfred Ewald unter vier Augen – und schon haben die Russen die ostdeutschen Waffenbrüder „in der Hand“, wie der IM notiert.

„Wesentlich wäre jedoch, daß unsere Parteiführung davon nichts erfährt, er habe sein Versprechen abgegeben, daß so etwas bei DDR-Sportlern nicht passiert.“

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Was vom Tage übrig bleibt (8)

Wie oft soll ich noch sagen, dass das hier kein Doping-Blog ist? Glaubt mir das jemand? Nun ja, auch diese Lese- und Hörbefehle sind wieder sehr blut- und urinlastig. Tut mir leid. Eine Kleinigkeit, die mir wichtig ist, stelle ich voran: Eine Lüge mehr aus dem Internationalen Olympischen Komitee. IOC-Medizindirektor Patrick Schamasch hat nicht nur mir gegenüber in Peking felsenfest behauptet, die Dopingproben würden unverzüglich an einen geheimen Ort geflogen. Die Wahrheit ist: Das Zeug lagert jetzt noch dort – seit 7 Wochen! – bei den Chinesen. Denn im Keller des Labors in Lausanne, diesem ach so geheimen Ort, ist ja noch nichts eingelagert, wie man in der ARD sehen konnte. Die Proben werden oder besser: sollen angeblich jetzt/demnächst/bis Ende des Monats ausgeflogen werden. Ist eigentlich den Chinesen zu trauen? Was haben in der Zwischenzeit damit gemacht? Absurd sich vorzustellen, die Chinesen hätten nicht das gemacht, was andere seit Jahrzehnten mit Dopingproben machen: Informationen einholen und als politisches Druckmittel ausspielen. Vielleicht haben sie auch anderes gemacht. Ach nein, alles Quatsch, Patrick Schamasch hat mir in Peking gesagt:

„Die Proben sind hundertprozentig sicher. Ich garantiere es.“

Da bin ich aber beruhigt. Und hier die Tagesbefehle:

Der IO-Bericht: Kritik an den Dopingkontrollen in Peking

Während mancher Kommentator in den vergangenen Tagen vorschnell ein hartes Eingreifen des IOC in der Dopingfrage bejubelte, weil unter für mich durchaus mysteriösen Umständen angekündigt wurde, die Blutproben von Peking noch einmal analysieren zu lassen, empfiehlt es sich, die wenigen Fakten ins Licht zu rücken. Zum Beispiel den Bericht der so genannten Independent Observer für die Dopingkontrollen während der Peking-Spiele.

Denn dieser Bericht liegt dem IOC seit dem 19. September vor, der Öffentlichkeit seit wenigen Stunden. Nur hat das bisher kaum jemand bemerkt. Soweit ich diese 50 Seiten auf die Schnelle überblicke, finde ich doch einige hoch interessante Sachverhalte. Manches kommt hammerhart und entlarvt einige Lügen der olympischen Branche. Die wichtigsten Punkte will ich flink mal zur Diskussion stellen. Ich frage mich einmal mehr und entschuldige mich gleich auch für meine Wortwahl: Wie lange wollen die uns eigentlich noch verarschen?

io-report-oct-2008

Bevor ich einige Beispiele bringe, kurz zur Klarstellung: Während der so genannten Olympic Period (27. Juli bis 24. August) gebot das IOC über die Dopingkontrollen – wie immer bei Olympischen Spielen. Wie immer bei den Spielen war die World Anti-Doping Agency (Wada) nur Beobachter. Eingesetzt wurde eine zwölfköpfige Gruppe von Independent Observern, geleitet von der Engländerin Sarah Lewis, Generalsekretärin des Ski-Weltverbandes Fis.

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1. Die Meldepflicht

102 Nationale Olympische Komitees (von 205) haben die Whereabouts ihrer Sportler in Peking nicht angegeben. Nach Ermahnungen lieferten nur 8 NOK Informationen. Das IOC handelte nicht.

Die mächtigsten Sportfürsten der Welt

Ich gestehe meine Schwäche für Ranglisten jeder Art. Zumal wenn The One an Only an der Spitze steht. Sepp, mein Lieblingsfunktionär. Die Zeitschrift BusinessWeek veröffentlichte vor einer Woche eine Rangliste der „25 Most Powerful Global Sport Figures“. Da wird Sepp der Baumeister bestimmt sehr stolz drauf sein: Mit gelbem Helm auf Rang eins. Und dann nennen die ihn auch noch „Emperor of the World Cup“. Ein Schritt mehr ist getan auf dem Weg zum Friedensnobelpreis, denn der soll es schon sein.  Congratulations!

Ich weiß ja auch nicht, wie er und seine Pappenheimer – seine Berater, PR-Herolde und Lobbyisten – das wieder hingekriegt haben. Die Kategorien dieser Rangliste erschließen sich mir genau so wenig wie manche Namen. Aber darum geht es ja nicht bei derartigen Spielereien, die – gut getimt – durchaus Wirkung entfalten können.

BusinessWeek: 25 Most Powerful Global Sport Figures
(Oktober 2008)

  1. Joseph Blatter (Fifa-Präsident)
  2. Jacques Rogge (IOC-Präsident)
  3. Bernie Ecclestone (CEO und Prasident, Formula One)
  4. Herbert Hainer (CEO Adidas)
  5. David Beckham
  6. Roman Abramowitsch
  7. Cristiano Ronaldo
  8. Michel Platini (Uefa-Präsident)
  9. Roger Federer
  10. Haruyuki Takahashi (Senior Managing Director, Dentsu)
  11. Silvio Berlusconi (AC Mailand)
  12. Lewis Hamilton
  13. Luca Dimontezemolo (Präsident Ferrari)
  14. Ramon Calderon (Präsident Real Madrid)
  15. Michael Schumacher
  16. Yao Ming
  17. Gilbert Felli (IOC, Olympic Games Executive Director)
  18. Dietrich Mateschitz (Red Bull)
  19. Lalit Modi (Chairman and Commissioner, Indian Premier League, Cricket)
  20. Richard Scudamore (CEO F. A. Premier League)
  21. Ron Denis (Vodafone McLaren Mercedes)
  22. Timo Lumme (IOC, Director TV and marketing services)
  23. Sachin Tendulkar (Cricket)
  24. José Mourinho (Inter Mailand)
  25. Maria Scharapowa