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Jens Weinreich

#London2012 (XXVI): Die Mutter aller Zielvereinbarungen und die Hofschranzenkultur von DOSB und BMI

LONDON. Die Mutter aller Zielvereinbarungen ist diese hier, die zwischen dem Bundesinnenministerium (BMI) und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB):

Der DOSB wird eigentlich auf nichts festgelegt, wäre ja noch schöner. So blöd sind Generalsekretärdirektor Michael Vesper (Bündnis 90/Die Grünen) und Präsident Thomas Bach (FDP) natürlich nicht, dass sie sich auf irgendetwas festlegen ließen.

Grit Hartmann hat das Dokument schon Ende 2009 ausgegraben und für einen Radiosender, dessen Sportredaktion sich weitgehend vom so genannten „kritischen“ Journalismus verabschiedet hat (und dessen Sportchefin gerade behauptet hat, die Zielvereinbarungen seien quasi frisch entdeckt worden) , getextet:

Geld gegen Medaille

Zielvereinbarungen im deutschen Spitzensport

In einem neuen Grundsatzpapier namens „Neues Steuerungsmodell Spitzensport“ sind sogenannte Zielvereinbarungen des DOSB mit den 33 olympischen Verbänden verabredet. Die allerdings werden unter Verschluss gehalten.

Die Vorgeschichte der Zielvereinbarungen ist einigermaßen turbulent. Noch Mitte der 90er-Jahre musste Geldgeber Staat den autonomen Sport zu ähnlichen Planungen nötigen. Damals verlangte Bundesinnenminister Manfred Kanther im Tausch gegen horrende Ausgaben mehr Medaillen. Die, so lautete seine Legitimationsformel, seien Ausweis für das Leistungsvermögen eines Volkes. Mehrfach – und stets mit heimlichem Einverständnis der hauptamtlichen Leistungsplaner im Sport-Dachverband – schwang er die Keule einer Haushaltssperre. Am Ende stand das „Förderkonzept 2000“. Es honorierte Medaillen und strafte weniger erfolgreiche Verbände mit Geldentzug.

Kritiker sahen darin eine Analogie zur DDR. Das traf zu auf die Mentalität, Siege für politisch notwendig zu halten und für zentralistisch planbar. Für die Methode stimmte es nicht: Ostdeutschen Strategen wäre es nie in den Sinn gekommen, olympische Sportarten zu bestrafen – eher hätten sie zugebuttert.

Der Fehler im Versuch, das DDR-System zu kopieren, ist mit dem „Neuen Steuerungsmodell Spitzensport“ behoben. Das segneten die Verbände Ende 2006 ohne Murren ab, obgleich der DOSB darin Platz 1 bei den Winterspielen in Vancouver proklamierte. Über die Sinnhaftigkeit solcher Großmachtgelüste in Zeiten von Dopingskandalen wurde schon nicht mehr diskutiert. Versprochen war den Fachsparten schließlich die Entschärfung des Bestrafungsprinzips, dazu weniger Gängelung und Bürokratie.

Ob das tatsächlich der Kern der neuen Steuerung ist, darf bezweifelt werden. Denn das maßgebliche Kleingedruckte fehlte noch: die sogenannten Zielvereinbarungen zwischen dem DOSB und den olympischen Verbänden. Sie gelten bis heute als top secret, obwohl auf ihrer Basis die Steuermillionen verteilt werden. Dem Deutschlandfunk liegen einige vor. Auch das wichtigste Papier, gewissermaßen die Mutter aller Zielvereinbarungen, der bis 2012 gültige Vertrag zwischen BMI und DOSB.

#London2012 (XXV): Wenn chicken legs über die Bahn schweben #mb

LONDON. Olympic Stadium, Block 212/213, Row 71, Seat 313. Halbfinale 200 Meter.

Im ersten HF Blake vs Lemaitre vs Spearmon.

Keine Gegnerschaft für Blake, der die letzten 40 Meter spazieren geht und nicht mal nach Luft schnappt. 20,01. Natürlich muss Yohan Blake ein bisschen bluffen, gehört zu seinem Spielchen. Nur: schaut man sich ihn an und Lemaitre, der ja keine Pfeife ist, gerade 20,03 rannte und schon mal 19,80 gelaufen ist, sieht man also, wie Lemaitre pumpt … Ach Gott. Ich sage lieber nichts.

20.16: Der Witzbolt.

ENDLICH mal Ruhe im Stadion.

Keine Aussage zu treffen nach diesem Spaziergang. Hatte aber den Eindruck, als ob er danach atmete.

Grit Hartmann und ich haben heute für verschiedene Zeitungen dieses Textlein gedichtet:

Es geht Schlag auf Schlag mit den Meldungen zu Dopingfällen während dieser Londoner Spiele: Beinahe täglich wird ein neuer Erfolg verkündet. Von der ukrainischen Turnerin über marokkanische, französische, spanische Mittelstreckler, türkische Gewichtheber, den Italiener Alex Schwazer, Olympiasieger 2008 über 50 km Gehen, bis zur Sprinterin aus St. Kitts und Nevis. Ein reichliches Dutzend Fälle gaben das Internationale Olympische Komitee (IOC), die Sport-Weltverbände oder nationale Sportfunktionäre seit Beginn der Spiele bekannt. In London sei es schwierig wie nie zuvor, zu dopen und nicht erwischt zu werden, sagte John Fahey vor zwei Wochen, der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA). „Aber ich wäre dumm, würde ich behaupten, bei diesen Spielen würde niemand betrügen.“

Selbst Skeptiker können sich dem Sog der Pharmabilanz, die Olympias Propagandamaschine in die Welt hinaus bläst, nicht entziehen.

„Angenehm überrascht“ sei er über die vorolympische Teststatistik, sagt Perikles Simon, Professor an der Universität Mainz. Vor allem, weil „knallhartes Doping“ auffliege: „Testosteronfälle, Diuretika, Epo – das sind keine Wischiwaschi-Fälle wie so oft. Sondern schon Anhaltspunkte dafür, dass Kontrollen etwas ausrichten können, wenn sie richtig gesetzt werden.“

Simon schaut daheim viel Leichtathletik. Bei den Mittel- und Langstreckenläufen hat der Gendoping-Spezialist „Indizien“ fürs  verbesserte Kontrollregime ausgemacht:

„Man hat einige Kenianer aus dem Verkehr gezogen. Und nun erleben wir, dass die These von der angeblichen genetischen Überlegenheit der Schwarzafrikaner doch nicht so haltbar ist. Es gibt wieder Weiße, die durchaus mitlaufen können – bei Zeiten, die nicht mehr so extrem sind wie noch vor vier Jahren.“

Dafür, dass vor London intelligente Zielkontrollen zum Einsatz kamen, spricht auch der jüngste Fahndungserfolg im Falle Alex Schwazer. Der Olympiasieger wurde Ende Juli positiv auf das Blutdopingmittel Epo getestet – die Kontrolleure schauten vorbei, weil Italiens Nationalheld auffällig häufig in St. Moritz trainierte. Dort praktiziert der berüchtigte Arzt Michele Ferrari, auf dessen Kundenliste Schwazer stand. Der Tipp, so vermeldete die „Gazetta dello Sport“, kam von Interpol. Die Behörde koordiniert die Ermittlungen gegen „Dottore Epo“. Interpol hat auch einen Kooperationsvertrag mit der WADA unterzeichnet.

Andererseits vernebeln derlei Fälle den Blick für die Realitäten: die Direktbilanz der in London vom IOC verantworteten Kontrollen ist dürftig – mit einem Cannabis-Fall des US-Judokas Nicholoas Delpopolo. 3949 Proben wurden bis Dienstag genommen, verkündete IOC-Sprecher Mark Adams. Man wird am Ende weit über den angekündigten 5000 Tests liegen.

„Natürlich machen in einigen Disziplinen die Leistungsdimensionen stutzig“, sagt Perikles Simon, „zumal, wenn sie plötzlich in großer Breite erbracht werden.“ Er bezweifelt, „dass sich der Genpool der Menschheit derart verbessert hat, um die Zeiten zum Beispiel der Sprintfinals zu erklären“. Auch hat der Sportmediziner keine entsprechenden Fortschritte in der Trainings- oder Ernährungswissenschaft detektiert.

Wobei: Das Thema Nahrung liegt ja nun wieder im Trend, seit der Jamaikaner Yohan Blake sein 16-Bananen-Tagesmenü verriet. Simon bringt das eher zum Lachen: „Man wird ja auch veräppelt.“ Bananen und Yams-Wurzeln? Simon glaubt eher an eine Verlagerung des Betrugsgeschehens. „Da wird kaum noch mit Steroiden gearbeitet. Wachstumsfaktoren können eine Rolle spielen und wahrscheinlich Präparate mit Einfluss auf die Muskelkontraktion.“

Diskus Männer, Endergebnis

#London2012 (XXIV): @derHarting holt Gold

LONDON. Bin auf dem Weg ins Olympiastadion, wo ich @derHarting/Shaggy/Den Harting live verfolge. Er sagt:

Bis zum Diskuswerfen ein Lesebefehl, ich hatte mich schon drauf gefreut:

Und natürlich unsere Abstimmung über den neuen Schwimm-Bundestrainer:

#London2012 (XXII)

LONDON. Bin noch etwas außer Gefecht. Ist wieder sehr spät geworden gestern. Es wird immer spät nach Sprint-Finals und der Show des Witzboltes, über den ich nun dichten muss.

Derweil sollte die volldemokratische Wahl des künftigen Schwimm-Bundestrainers Fahrt aufnehmen. Nur zu, jeder darf abstimmen – Jung und Alt, Nichtschwimmer und Meisterschwimmer, Trainer und Couch Potatoes.

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Die Stellenausschreibung des DSV (ohne Arbeitsplatzbeschreibung) kopiere ich auch nochmal hinein:

#London2012 (XXI): live-Blog vom Witzbolt, Umfrage zum DSV-Bundestrainer

LONDON. Um das mal klarzustellen: Ich hasse meine Stammkundschaft, wenn sie mir derartige Qualen auferlegt und mich wochenlang nicht schlafen lässt. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich derartigen unmenschlichen Forderungen dennoch nachkomme. Ab geht es also in die Kammer des Schreckens.

Coming soon:

Und damit widmen wir uns den wirklich wichtigen Dingen des olympischen Lebens. Ich bin auf dem Weg ins Olympiastadion und werde in Kürze den ganzen Abend live bloggen. Denn es tritt auf: der Witzbolt.

Außerdem wird es eine hübsche Umfrage zum Thema geben: Wer soll neuer Bundestrainer des Deutschen Schwimm-Verbandes werden? Aus den vielen sachdienlichen Hinweisen werde ich eine Liste destillieren. Wer noch nichts dazu beigetragen hat, kann das schnell nachholen.

18.25: Block 212/213, Row 73, Seat 313. Ich bin all hier! Oberste Reihe, es ist sehr windig, das Feuer kann ich nicht sehen, aber ich habe Platz und mich ja schon zwei Tage am Flämmchen gewärmt. Muss noch ein wenig arbeiten, dann folgt die Umfrage zum DSV.

#London2012 (XX): crowdsourcing, Schwimm-Bundestrainer gesucht. Oder: wenn aus Karpfen Soldaten werden sollen

LONDON. Hat jemand Lust? Möchte sich jemand als Schwimm-Bundestrainer bewerben?

Die ARD-Schwimmexpertin Franziska „Ich als Expertin“ van Almsick hat gerade im Expertengespräch die Expertise angeboten, der neue Bundestrainer müsse sich auskennen.

Worin?

Die Stellenausschreibung des Deutschen Schwimmverbandes (DSV):

[caption id="attachment_29090" align="aligncenter" width="723"]Stellenausschreibung - Der DSV e.V. sucht zum 01.12.2012 für die Funktion des Chef-/Bundestrainers Schwimmen eine/n engagierte/n Mitarbeiter/in „Eine langfristige Anstellung wird angestrebt“ — Der DSV sucht Chef- und Bundestrainer im Schwimmen. Gefunden von Berni auf allesaussersport.de[/caption]

#London2012 (XIX): @J_Ennis @MichaelPhelps und #LilliSchwarzkopf

LONDON. Moin, moin. Bisschen spät heute. Doch pünktlich zum hohen Besuch im MPC wieder aus der Kaffe- und Quatschpause aufgewacht.

[caption id="attachment_12799" align="aligncenter" width="1024"]Bernie Ecclestone, Michael Payne, Mikrofondschungel Bernie Ecclestone am 4. August 2012 im MPC, rechts hinter ihm sein Berater: Michael Payne[/caption]

Bernie Ecclestone schaut sich die Location an. Ecclestone, der seine Formel 1 ja nach demselben Prinzip, nur noch dubioser, vermarktet, wie das IOC die Olympischen Spiele, ist Stammgast in diesem Zirkus. Habe ihn, beispielsweise, 2004 in Athen auch beim Turnen getroffen, damals noch mit Slavica, die er einige Jahre später mit 670 Millionen Dollar abfinden musste.

Zusammen mit Ecclestone unterwegs war sein Berater Michael Payne, ein Mann mit schillernder olympischer Geschichte. Er hat von Mitte der 1980er Jahre bis kurz nach Rogges Amtsantritt die Marketingabteilung des IOC geleitet und ein Dutzend Milliarden Dollar akquiriert. Als er später bei den Spielen sein Buch „Olympic Turnaround“ verteilen wollte – ich meine, das war 2004 – hat man ihn nicht mal ins IOC-Hotel gelassen. Inzwischen ist er aber wieder tätig im Olympiabusiness, berät neben Ecclestone auch Olympiabewerber, Regierungen, Veranstalter und allerlei andere Unternehmen.

#London2012 (XVIII): David Storl @shotputdevil

LONDON. Zur Entspannung am Abend gönne ich mir etwas Leichtathletik.

Olympiastadion-Panorama, Blick von der Pressetribüne

Ich will nicht meckern, aber die Musik geht mir mächtig auf den Geist. Sie stört die Konzentration, wie muss das erst den Sportlern gehen. Schätze aber, das hört man im Innenraum kaum, die meisten Lautsprecher sind direkt auf die Tribünen gerichtet.

Und nun genug des Meckerns, denn das Foto (kann man durch Klicken vergrößern) zeigt ja, dass es manchmal ein kleiner Luxus ist, auf den besten Plätzen den olympischen Zirkus zu bekritteln. Übel ist das nicht. Und mein Luxusproblem bestand heute darin, dass ich nicht on time vom Aquatic Centre ins Olympic Stadium wechseln konnte.

#London2012 (XVII): Der (Drecks)Boden der Olympischen Charta und andere vielfältige Lebenssachverhalte

[Ich beginne mal mit einem Nachtrag, notiert am Sonntag, dem 5. August, 16.41 Uhr.

Denn gerade hat die Deutsche Presse-Agentur ein Interview mit Nadja Drygalla veröffentlicht, das ich eben auf tagesspiegel.de gelesen habe. Darin äußert sie sich zum ersten Mal zu dieser Geschichte, die seit der Nacht zum vergangenen Freitag Schlagzeilen macht:

Ende des Nachtrags. Es geht weiter mit meinem Originaleintrag vom 3. August.]

* * *

LONDON. Moin, moin. Schon wieder im Deutschen Haus. Zum dritten Mal binnen 24 Stunden. Soll keine Gewohnheit werden. Schreibe gerade die Reaktionen auf die Heimreise der Ruderin Nadja Drygalla auf. Auslöser war diese Geschichte von vorgestern:

Erstaunlich, dass in einigen Medien aus Nadja Drygalla, einer Ruderin aus dem Achter, die kaum jemand kannte, plötzlich ein „Ruder-Star“ wird.

#London2012 (XVI): Niederlage für den sportpolitischen Komplex DOSB/BMI und Gold für Erfurter Blutbestrahlung

Witz des Tages:

Ich glaube natürlich, unsere Entscheidungen sind transparent. Wir sind gegenüber dem Sportausschuss ja auch offen in unserer Informationspolitik.

— Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU)

[caption id="attachment_12722" align="aligncenter" width="1024"]Sportminister, umzingelt von Medaillengewinnern, proudly presented by DOSB Medaillengewinner, CSU-Sportminister Friedrich (lachend), Trimmies (lachend) — Deutsches Haus, London, 2. August 2012[/caption]

LONDON. Bin schon wieder fünf Stunden unterwegs in Zügen, Bussen und Pressekonferenzen, ohne eine Zeile produziert zu haben.

[Über Twitter aber melde ich mich immer von unterwegs. Siehe Sidebar rechts.]

Also wieder unter Druck, denn der erste Redaktionsschluss der Zeitungen naht. Kurz vorm Burgerschlingen und Artikelschreiben schnell der Hinweis auf den juristischen Erfolg, den das WAZ-Rechercheblog – namentlich Daniel Drepper – vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen DOSB und BMI errungen hat:

#London2012 (XV): „Der Weltfrieden ist nicht gefährdet“ #BrittaSteffen

LONDON. Badminton-Skandal, Gold für Team GB, deutsche Schwimmstaffel draußen, Gold für den Deutschland-Achter – und ich bekomme mal wieder nichts mit. Was mache ich hier eigentlich?

Gerade: lohnschreiben.

Kleine Pause noch in diesem Theater.

13.14 Uhr: Ach nö. Rechte Sidebar: twittern geht immer.

16.18: Während ich hier herum dilettiere, tobt der olympische Wahnsinn an mir vorüber. Am TV scheint das beste Unterhaltung zu sein. Nur zu. Deshalb werden die Milliarden ja verpulvert. Auf den Bildschirmen vor mir: Jubel über Bradley Wiggins und Judo-Finale mit Kerstin Thiele – schon entschieden?

16.25: Kerstin Thiele verliert – und das UDIOCM kommt ins Schwitzen, schon seine zweite Siegerehrung heute, erst beim Achter, nun bei den Zeitfahrern um Wiggins und Tony Martin.

16.33: Nachtrag zu gestern Abend, mein Beitrag auf Spiegel Online über Ye Shiwen: