dapd sagt: Schadenersatzforderung gegenstandslos
ZÜRICH. Ich habe am Nachmittag zwei Emails aus dem dapd-Office erhalten. Demnach ist die Schadenersatzforderung gegen mich, über die ich heute morgen berichtet habe, gegenstandslos.
Gut so.
Es ist von einem Versehen die Rede, eine Entschuldigung gab es auch. Leider möchte der dapd-Verantwortliche, der sich am Morgen erstmals telefonisch bei mir gemeldet hatte, nicht, dass ich seine Emails veröffentliche. Er möchte auch nicht zitiert werden. Das finde ich sehr schade, weil ich seine Sätze im Grunde – in meinem Fall – als durchaus nachvollziehbar empfunden habe. Das muss ich aber, leider, respektieren.
Die Wende, mit der ich – ganz ehrlich – absolut gerechnet hatte, lässt mich aber nicht frohlocken. Denn die Probleme bleiben ja, und in den Kommentaren zu meinem Beitrag von heute morgen ist dazu vieles Interessante und Kluges gesagt worden, wie ich finde. Dort findet man nun auch viele nützliche Links.
Ein Problem besteht darin, dass nicht nur die dapd, sondern viele andere Medienunternehmen mit Kanonen auf Spatzen schießen. Sie schicken Heerscharen von Abmahn- und Inkasso-Anwälten in die Spur. Irgendwas bleibt dann schon hängen, weil manche Betroffene, selbst wenn sie sich nichts zu Schulden kommen ließen, vielleicht nicht die Laune, nicht den Mut oder was auch immer nicht hatten, um sich zur Wehr zu setzen. Das ist eine grundsätzlich sehr unbefriedigende Situation, die sich künftig, wenn dieses Leistungssschutzgesetz, für das die Verleger-Lobby seit Jahren mit vielen unsauberen und skandalösen Mitteln kämpft und munter die Wahrheit beugt, wie geplant von der Koalition verabschiedet wird, gewiss weiter zuspitzt.
Ich habe mir den Luxus geleistet, die Diskussion um Leistungsschutzgesetz und ACTA nur passiv zu verfolgen und kann dazu nur die üblichen Verdächtigen empfehlen, ohne Wertung und Anspruch auf Vollständigkeit, getreu dem Motto „mach, was Du kannst und verlinke den Rest“:
- iRights.info
- netzpolitik.org
- Stefan Niggemeier (hat auch gerade im aktuellen SPIEGEL darüber geschrieben)
Es ist kein Trost zu wissen, dass meine Art des Zitierens und der journalistischen Verarbeitung, in diesem Fall goutiert wird. Dazu möchte ich keinen Roman schreiben, einige Bemerkungen zum inkriminierten Beitrag – es ging um die Verurteilung des korrupten ehemaligen HR-Sportchefs Jürgen Emig – habe ich im Laufe des Tages in Kommentaren notiert. Andere Kommentatoren haben sich dazu geäußert. Ich fand u.a. interessant:
So was Lächerliches wie diese dapd-Abmahnung hab ich noch selten gelesen. Sicherlich ist das Zitat sehr ausführlich, aber die Quelle korrekt angegeben und vor allem: Was bitteschön war denn die eigene intellektuelle Leistung von dapd (bzw. seinerzeit AP Deutschland) bei diesem Textabschnitt? Das sind bloß ein paar zusammengeschnippelte Aussagen des Richters, mal in direkter, mal in indirekter Rede. Eigenleistung: marginal. Wenn überhaupt müsste dem Richter das Urheberrecht an einem Großteil der beanstandeten Passage zustehen :-)
ich bin sicher auch kein Freund von Abmahnungen, aber nur so aus Neugier, und weil ich selbst nicht vom Fach bin: wo ist denn die Grenze zwischen dem Zitatrecht, und der unzulässigen kommerziellen Nutzung von Texten, die andere erstellt haben ( und diese “Leistung üblicherweise gegen Geld an Journalisten verkaufen ) ?
Es ist nun mal so, dass Stefan als Medienjournalist quasi berufsmäßig die Arbeit anderer Journalisten und Medienschaffender zitiert. Kommt er da nicht automatisch fast immer in diese Grauzone?
Oder ist das auf der Meta-Ebene ( Journalist, der über die Arbeit anderer Journalisten berichtet ) was anderes ?
@ Zitatrecht: Es kommt natürlich auf den Einzelfall an. Das mag manchmal ein schmaler Grat sein, aber hier (ohne Experte zu sein) meiner Meinung bei aller juristischen Spitzfindigkeit nach hoffentlich ja wohl nicht. Das betreffende Zitat erfüllt seinen Zweck im Rahmen der Funktion und der Bedeutung des Blogeintrags, ich hätte übrigens auch keine Probleme zu sagen: auch unter Berücksichtigung von Jens’ langjähriger journalistischer Arbeit. Es geht hier, wie bei die vielen, vielen anderen Zitaten und Verlinkungen hier, immer um einen Hinweis auf weitere Quellen und andere Darstellungen, aber eben im Rahmen journalistischer Auseinandersetzung mit sportpolitischen Themen.
Wer ein Zitat einer (eigenen trifft es ja nicht so ganz) geistigen Leistung derart bekämpft, offenbart sein Verständnis von (angeeigneten) Meinungen als geistigem Eigentum in dem Sinn, das es sie als Schatz zu hüten und zu verteidigen gilt. Und dass man sie am besten gar nicht teilt. Für jemanden, der mit Informationen sein Geld verdient (Wolfgang Zehrt würde wahrscheinlich das Wort KOMMERZIELL hier verwenden, das klingt so schön anrüchig), eine wahrlich atemberaubende Einstellung über die eigene Rolle in der Gesellschaft. Ihr Nachrichtenleute, Ihr genießt den besonderen Schutz der Pressefreiheit, weil ihr der Informationsfreiheit verpflichtet seid. Ihr genießt es genau deswegen, weil Ihr hinnehmen müsst, dass man über Euch redet, Euch kritisiert, sich mit Euch auseinandersetzt, Ihr verlinkt werdet.
Und da lass ich gar nichts gelten von “Ist uns bei 5000 anderen schlimmen Fällen leider durchgerutscht”. Das Missliche an dieser ganzen Unart des Abmahnungs-Geschäftsmodells ist doch, dass es auf die Feinheiten des Urheberrechts aus der Perspektive der Anspruchsteller gar nicht so ankommt. Die Masse machts, da verliert man halt ein paar Prozesse, wo gehobelt wird, da fallen Späne – es lohnt sich trotzdem. Irgendjemand trifft die Entscheidung, ab welchem Punkt man die angebliche Urheberrechtsverstöße verfolgen will; wie weit man da ins Risiko reingeht; wie weit man da mit der Angel fischt, dem Kescher oder dem Fangnetz. Und zwar genau deswegen, weil er es so will.
Es wäre etwas anderes, wenn sich der Hausherr die fragliche Textpassage ohne Nennung der Quelle und ohne Verlinkung des Gesamttextes angeeignet hätte. Hat er aber nicht. Er hat zitiert.
Wie sehr gerade der inkriminierte Blog-Eintrag den Charakter eines Pressespiegels hat, sieht man an den Kommentaren. Sie bestehen überwiegend auf weiteren Hinweisen auf Veröffentlichungen in Zeitungen. Natürlich müsste man einen Richter im Rahmen eines Prozesses zunächst einmal davon überzeugen, dass ein Blog heutzutage mitunter durchaus auch so etwas sein kann wie ein Pressespiegel. Aber dafür gäbe es in diesem Fall dingfeste Belege.
Davon abgesehen: Ist das hier eigentlich inzwischen Makulatur? “Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.” (§ 51 UrhG)
Mal ganz abgesehen von der Reichweite des Zitatrechts: Die urheberrechtliche Schöpfungshöhe kann man bei einem Nachrichtentext durchaus mal grundsätzlich anzweifeln. Im Perlentaucher-Urteil hat der BGH sich ziemlich viel Mühe damit gegeben, in Ausgangsmaterial und Abstract besonders hübsche und kreative Formulierungen zu finden, die die Bewertung “unfreie Bearbeitung” rechtfertigen. Bei Nachrichtentexten, bei denen die zugrundeliegende Sachlage kaum eine abweichende Gestaltung zulässt und die keine wesentlichen eigenschöpferischen Elemente enthalten, kann das anders sein. Schutzgegenstand ist ja die schöpferische Qualität, nicht die wirtschaftlich-organisatorische Leistung. Und genau so ist das ja auch gewollt: Tatsachenmitteilungen sollen eben nicht schutzfähig sein, schon um den freien Meinungsaustausch und die Meinungsbildung nicht zu beeinträchtigen. Und noch gibt es ja kein Leistungsschutzrecht für Presseprodukte…
In der Tat sehe ich mich in vielen Blogbeiträgen hier als eine Art Kurator. Ich bin ein Fachidiot, kenne mich in meinen Themenfeldern (internationale Sportpolitik, Korruptionsbekämpfung, Finanzierung von Mega-Events etc) einigermaßen aus, recherchiere auch manchmal und versuche meinen Job zu machen, ich will ein bisschen Licht in Dunkelfelder und Struktur in komplizierte Sachverhalte bringen – und vor allem will ich meine Angebote und die Themenfelder öffentlich diskutieren und dazu lernen. That’s it. Das habe ich so ähnlich schon tausendmal formuliert.
Ich sehe mich als öffentlicher Bearbeiter eines Themas. Ich versuche, auf meinen Gebieten die Diskussion zu bereichern und – wenn alles gut läuft – einen Erkenntnisgewinn herbei zu führen. Mehr nicht.
Auch bei Thomas Stadler habe ich heute interessante Anregungen gefunden. Und „Mashup“ von Dirk von Gehlen werde ich jetzt endlich mal lesen.
Stadler schreibt:
Man kann und sollte sich meines Erachtens von der Vorstellung des geistigen Eigentums verabschieden und aufhören, das Urheberrecht oder gewerbliche Schutzrechte als absolute, eigentumsgleiche Rechte zu betrachten. Vielmehr sollte man übergehen zu einem Konstrukt einer zwar geschützten Rechtsposition, die sich aber der ergebnisoffenen Abwägung mit anderen legitimen Interessen und Rechtspositionen stellen muss und keinen regelmäßigen Vorrang für sich reklamieren kann.
Wenn man stattdessen den tradierten Weg fortsetzen will, so muss man doch erkennen, dass es dem Wesen des “geistigen Eigentums” entspricht, einer wesentlich stärkeren Sozialbindung zu unterliegen als das Sacheigentum. Denn Geisteswerke sind gleichzeitig auch Bestandteil des Wissens und der Kultur der gesamten Menschheit und als solches ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung auch Allgemeingut. Sie sollten deshalb idealerweise nicht nur ungehindert zugänglich sein, sondern auch einer möglichst ungestörten Weiterentwicklung unterliegen.
Genau an diesem Prozess der Weiterentwicklung, wenn man so will, der Themenentwicklung, des Öffentlichmachens, des Erklärens, manchmal auch des Enthüllens, versuche ich mich.