Offener Brief von Gerhard Treutlein an Clemens Prokop
Es ist pervers: Der organisierte Sport war über 20 Jahre nicht an einer Aufarbeitung interessiert, schlimmer, er war mit Billigung oder sogar Unterstützung von BMI und BISp Täter, z.B. bei der Anstellung belasteter Trainer …
Professor Gerhard Treutlein, Leiter des Zentrums für Dopingprävention an der PH Heidelberg, der sich hier im Blog schon mit einem Grundsatzbeitrag zur Vergangenheitsaufarbeitung beteiligt hat und seitdem auch regelmäßig mitdiskutiert, schreibt heute einen Offenen Brief an Clemens Prokop, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV):
Sehr geehrter Herr Dr. Prokop,
am 18.3.2009 habe ich Ihnen geschrieben und Ihnen meine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Da ich bis heute keine Antwort von Ihnen erhalten habe, gehe ich davon aus, dass ich für Sie einer Antwort nicht würdig bin. Weitere Schreiben an die Verantwortliche für die Dopingproblematik im DLV, RA Anne Jakob, im Jahr 2008 wurden ebenfalls nicht beantwortet, ebenso wenig die in den Schreiben gestellten Fragen. Die von Ihnen in anderer Richtung signalisierte Gesprächsbereitschaft scheint mir gegenüber nicht zu bestehen, weshalb ich meine Schreiben an Journalisten weitergebe.
Sie haben der Presse gegenüber begrüßt, dass sich fünf Trainer erklärt haben (ohne inhaltliche Konkretisierung). Meines Wissens waren Sie früher aktiver Leichtathlet und sind seit 1993 Mitglied des Präsidiums des DLV, bzw. seit 2001 Präsident. Sie dürften deshalb – über den Inhalt der Bücher von Singler und Treutlein hinaus – weit reichende Kenntnisse zur Leichtathletik, zur Dopingproblematik und zum westdeutschen Sport haben. Deshalb ist für mich verwunderlich, warum erst jetzt eine Erklärung der fünf Trainer erfolgt und warum nicht weit früher Personen wie z.B. – in unsystematischer Reihenfolge – Blattgerste, Steinbach, Kern, Thiele, Schubert, Bechtold, Steinmetz, Spilker u.a.m. zu einer umfassenden Offenlegung der Vergangenheit gedrängt wurden. Erst die Bereitschaft solcher Personen (ebenso in anderen Verbänden), zur Aufklärung der Vergangenheit beizutragen, würde dem 500.000-Euro-Auftrag zur Dopingvergangenheit eine gewisse Berechtigung geben.
Welche konkreten Erwartungen hat der DLV an ein solches Dopinggeschichte-Projekt? Ist der DLV überhaupt an einer Aufarbeitung der Dopingproblematik in seinen eigenen Reihen interessiert?