ZÜRICH. Schräge Geschichte, heute hier im Grand Hotel Dolder in der International Football Arena. Eigentlich war FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke als Gastredner avisiert gewesen, doch der ist nach Brasilien unterwegs, um die Wogen zu glätten. Während sein Boss Sepp die IFA dann doch nutzen wollte, um Neuigkeiten in der „Korruptionsbekämpfung“ und Neues zu den FIFA-„Reformen“ zu verkünden. Ich habe gerade aufmerksam zugehört, ein bisschen darüber getwittert, aber nichts dergleichen vernommen.
Nun redet Barca-Präsident Sandro Rosell, dicker Kumpel vom Serienlügner Valcke und vom Großgauner Ricky Teixeira, darüber, dass er die Primera Division unbedingt auf 18 und dann 16 Vereine einstampfen will.
Das wird gewiss Schlagzeilen geben, interessiert mich aber gerade nicht so sehr.
Was hat Sepp einem exklusiven Kreis aus der Fußballbranche erzählt?
Zum Beispiel:
… we can not change the world, that is not possible, but we can prepare a better future
all devils of our society are in this game: violence, cheating, corruption, racism, doping, match-fixing, illegal betting, all this is in our game because it is in our society
… we are going to change a little bit, or a lot, and to make a kind of reform
Zur Einstimmung ein Filmchen. Alleindarsteller: Sportminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Ein Ausschnitt aus der jüngsten Folge der beliebten Reihe „Sie fragen – der Minister antwortet“. Diesmal salbungsvolle Worte zum Fairplay im Sport.
https://www.youtube.com/watch?v=XHJmZ9o34Es&rel=0
Diese Aussagen noch einmal zum Nachlesen:
Als Sportminister ist es für mich natürlich wichtig, Chancengleichheit im Sport auch zu erzeugen. Und das wichtigste Thema in dem Zusammenhang ist die Bekämpfung von Doping. Doping bedeutet, dass die Chancen nicht gleich sind, sondern dass unfair gearbeitet wird, und deswegen ist für mich die Bekämpfung von Doping ein wichtiger Punkt, national wie international. Und das ist meine Aufgabe als Sportminister, die ich insbesondere unter diesem Aspekt – Chancengleichheit – sehe.
DURBAN. Touchdown. Noch kann Mann ungestört durch jene Bereiche schlendern, die von Montag bis Mittwoch zur Hochsicherheitszone erklärt werden: [youtube…
Lügenjournalismus stört die FIFA-Familie. Don Julio Humberto Grondona, FIFA-Ganove ZÜRICH. „Familiendrama“ hat Christoph Härringer sein Cartoon genannt. Ich bin mir…
Grit Hartmann hat sich dem eng vernetzten Freiburger Doping- und Politiksystem genähert – und befasst sich auch mit Freiburger Kies. Ein feines Stück Journalismus, wie ich finde, mit etlichen Hintergründen, die es weiter zu beleuchten lohnt.
Diese Recherche des Deutschlandfunks vom Sonntag, 1. Mai, gibt es hier mit Genehmigung der Autorin zum Nachlesen.
Lesebefehl!
Eine Bemerkung noch vorab: Im Vergleich zu Freiburg und das west- bzw bundesdeutsche Dopingsystem ist das ostdeutsche Dopingsystem längst ein offenes Buch, das vergleichsweise wenig Geheimnisse birgt. Ergänzend zur folgenden Lektüre das auf Cycling4fans zusammengetragene Archiv.
(Mir fehlt momentan die Zeit für die vielen, vielen Links, die dieser großartige Text verdient hätte. Wer mag, bitte her mit den Links, ich trage demnächst alles nach.)
von Grit Hartmann
Im Mai 2007 räumten Ärzte des Freiburger Universitätsklinikums Doping im Radsport ein. Die Affäre, die als Telekom-Skandal bekannt wurde, ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter; für die Universität soll eine Kommission die Breisgauer Dopinghistorie der letzten Jahrzehnte aufklären. Kann das gelingen? Wie steht es in Freiburg – vier Jahre danach?
Der Baggersee ist sehr beliebt. Erst mal wegen seiner schönen Wasserqualität, und zweitens ist er auch ein sozialer Treffpunkt, und zwar ein sozialer Treffpunkt, wie kein Verein ihn bieten kann. Da treffen sich Leute aus verschiedenen Schichten, verschiedene Altersgruppen, vom Baby bis zum Rentner, von der Hartz-IV-Empfängerin bis zur großen Unternehmerin mit’m Sechszylinder. Die liegen dann nebeneinander auf der Wiese und reden miteinander, und wenn’s nur ums Wasser oder um die Sonne geht. Und so Leute würden sich im richtigen Leben niemals begegnen und nie ein Wort miteinander reden. Und das find ich so schön an unserm Baggersee.
Niederrimsingen, wenige Kilometer entfernt von Freiburg. Gleich hinter den Weinbergen liegt Merdingen, einst Heimat von Jan Ullrich. Die Gegend wirkt idyllisch. Bis Bauingenieur Gustav Rosa zeigt, was einmal eine Liegewiese am Baggersee war und nun, Ende März, aussieht wie eine Reihe Schützengräben. So ähnlich verhält es sich mit der Stadt Freiburg, von der manche sagen, sie sei wegen ihrer beschaulichen Abgelegenheit ausgewählt worden als sportmedizinische Zentrale der Bundesrepublik. Andere sagen: wegen ihrer Tradition.
Zwischen Dichtung und Wahrheit heißt hier eine meiner Lieblingsrubriken. Einen wunderbaren Beitrag zu diesem Thema hat gerade Grit Hartmann exklusiv für den Deutschlandfunk produziert. Ein Teilchen mehr im großen Puzzle, das die PR-Mär, Deutschland gehe im so genannten Antidopingkampf unentwegt voran, einmal mehr mit Fakten widerlegt.
WADA-Budget wird reduziert – auf Initiative der Bundesregierung
von Grit Hartmann
Für den Antidopingkampf verfügen Bundesregierung wie Sportfunktionäre über eine beliebte Sprachregelung: Der müsse, im Interesse der Chancengleichheit, weltweit harmonisiert werden.
Deshalb war eine moderat steigende Unterstützung der Weltantidoping-Agentur WADA aus dem deutschen Steuersäckel konsensfähig. Offiziell hat sich daran nichts geändert – hinter den Kulissen schon. Der WADA setzt eine irritierende Initiative der Bundesregierung zu.
Es ist nicht neu, dass sportpolitische Ärgernisse zufällig öffentlich werden. Dieser Fall jedoch hat Seltenheitswert. Die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon:
In diesem Jahr haben wir unseren Familienurlaub, unseren Weihnachtsurlaub in Montreal verbracht. Mein Mann stammt daher. Und ich hab die Gelegenheit wahrgenommen, Anfang Januar mal ein Gespräch zu suchen bei der WADA, die ja dort ihr Headquarter hat. Wir hatten verschiedene Themen. Und da gab es einen Punkt, der besonders interessant war, und der betraf das deutsche Engagement innerhalb der WADA, bei der Finanzierung.“
WADA-Mitarbeiter präsentierten einen brisanten Brief, datiert vom Juni 2010. Absender: Gerhard Böhm, Chef der Sportabteilung im Bundesinnenministerium. Adressat: der Europarat, wo die europäischen Staaten sich über ihren Jahresbeitrag zum WADA-Haushalt verständigen. Eine Hälfte zahlt das IOC, die andere die Regierungen, wobei der europäische Anteil bei 47,5 Prozent liegt. Die Bundesrepublik gehört zu den größten Zahlern; sie gibt so viel wie Rom, London und Paris, 722.000 US-Dollar im letzten Jahr. Böhm wurde nun mit dem Anliegen vorstellig, die WADA-Zuwendungen – bisher stets leicht geklettert – ab 2011 einzufrieren.
Begründung: Eingedenk der globalen Finanzkrise sei es „schwierig, ein kontinuierlich steigendes WADA-Budget in Deutschland zu vermitteln“.
Davon hat man zwar noch nichts gehört – im Gegenteil: In der Haushaltsdebatte gab es Kritik an gleichbleibenden Ausgaben für den Antidopingkampf. Dennoch lautete die interne Empfehlung von Ministerialdirektor Böhm, die WADA solle „Kosten einsparen“, gefolgt von der Ansage, künftig werde Berlin mögliche Erhöhungen, so wörtlich, „missachten“.
Zur BMI-Sportabteilung unter diesem und einem anderen Boss u.a. auch hier:
Vorab das Resultat des Vorstoßes: Unbemerkt von der Öffentlichkeit einigten sich Europas Regierungen im November darauf, ihre Beiträge in diesem Jahr nur um zwei Prozent aufzustocken – das kleinste Plus seit Gründung der WADA vor elf Jahren. WADA-Generaldirektor David Howman sagt, damit fange man lediglich die Inflation ab:
Im Wesentlichen heißt das für uns Stillstand. Wir kommen nicht voran. Bei Nullwachstum würden wir schrumpfen, uns zurückbewegen. Und das ist ein wenig beunruhigend. Insbesondere, wenn man sich zum Beispiel den EU-Haushalt ansieht – der wurde für 2011 um sechs Prozent erhöht. Um zu verdeutlichen, worüber wir bei Europa sprechen: Ein Prozent Erhöhung für die WADA sind 150.000 US-Dollar, verteilt auf 47 Länder – das ist ein ziemlich kleiner Betrag.“
2012 würde, geht es nach den Europäern, aus dem Stillstand ein Zurück. Die Beiträge sollen eingefroren werden. Viola von Cramon erinnert an der Deutschen liebste Klage. Sie lautet, dass deutsche Athleten, weil angeblich bestens kontrolliert, international benachteiligt sind:
Dann müsste es ja eigentlich im deutschen Interesse sein, genau diese Institution zu stärken, die sich für die weltweite Überprüfung der Athleten einsetzt, und das ist die WADA. Da müsste man die WADA nicht mit weniger Geld versehen, sondern mit deutlich mehr Geld.“
Dass die Betrugsbekämpfer mit ihrem 27-Millionen-Dollar-Budget unterfinanziert sind, gilt als ausgemacht. Howman sagt, was die WADA erreicht habe, habe sie nicht dank ihrer finanziellen Ausstattung erreicht, sondern trotzdem. Mag es Kritik an der WADA geben – für weltweite Harmonisierung des Antidopingkampfes ist sie unverzichtbar. In 15 ärmeren Regionen finanziert sie Antidoping-Organisationen; die assistieren derzeit 122 Ländern bei der Kontrolle von Athleten. Fast im Alleingang finanziert sie die Verfeinerung der Analytik. Mit einer Zahl für die letzten sieben Jahre illustriert Howman die Absurdität des deutschen Vorstoßes:
Aus unserem Forschungsetat sind mehr als 32 Millionen Dollar zurück nach Europa gegangen, in Forschungsprojekte. Das ist fast genauso viel wie die Einzahlungen, die wir aus Europa bekommen haben. Verglichen mit anderen Kontinenten bewegen sich die Europäer also in einem Geld-Rein-Geld-Raus-Szenario.“
In Montreal rätselt man deshalb, was die Bundesregierung wirklich antreibt:
LAUSANNE. Der ehemalige ISL-Manager und heutige SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel hat Seiner FIFA-Heiligkeit Joseph Blatter einen Offenen Brief geschrieben, den ich mit Büchels Zustimmung gern zur Kenntnis gebe.
via Nation of Swine/Carlos Hanimann, vielen Dank auch für das schöne Wort „Wahrheitsallergiker„, das ich flink mal in meine Tag-Liste aufnehme
Internationale Sportfunktionäre sind schwer korrupt
Die Weltwoche gab FIFA-Präsident Sepp Blatter vor Weihnachten die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge auf einem halben Dutzend Seiten auszubreiten. Die FIFA sei nicht korrupt, war seine Kernaussage.
Eine Replik ist angebracht. – Der Brief an FIFA-Präsident Sepp Blatter:
Bern, 11. Januar 2011
Geschätzter FIFA-Präsident, lieber Sepp
Kürzlich gaben Sie der Weltwoche ein Mammut-Interview. Als ob das nicht genug wäre, doppelten Sie in den Schweizer Tageszeitungen flächendeckend nach. Am Tag vor Weihnachten sagten Sie auf DRS 1, dass Sie auf den Friedensnobelpreis aspirierten. Genauer: nicht Sie selbst, sondern die FIFA.
Ich beziehe mich nicht auf das lange Gespräch am Radio, sondern auf das Geschriebene. Dazu gehört auch Ihr grosses Interview vom Berchtoldstag: In der Sonntagszeitung kündigten Sie allerhand an. Von all dem wären zwei Aussagen relevant. Falls sie den Tatsachen entsprächen.
Behauptung Nummer eins: „Roland Büchel fordert mehr Staat im Sport.“ Das ist Humbug. Ich richte mich auf Walliserdiitsch an Sie und frage: Wer hat Ihnen diesen „blaggruschtig“ erzählt?
Was ist eigentlich Sache? – Genau das Gegenteil von dem, was Sie vermelden. Staatliche Hyperaktivität ist nicht das, was ich will. Sondern mehr Eigenverantwortung bei den internationalen Sportverbänden. Meine Motion gibt den Milliardenkonzernen FIFA, IOC und, falls nötig, UEFA bis Ende 2011 Zeit, das leidige Problem mit ihren korrupten Spitzenfunktionären anzugehen und zu regeln.
UEFA-Präsident und FIFA-Vize Michel Platini will die Arbeit auslagern. Er verlangt eine Anti- Korruptions-Sport-Polizei: „Was wir brauchen, ist ein länderübergreifendes Instrument, eine internationale Sportpolizei“, liess er deutsche Medien wissen. Wir sind uns einig: Die Version Platini würde definitiv mehr Staat im Sport bedeuten.
FIFA-Funktionäre sind korrupt
Behauptung Nummer zwei: „Die FIFA ist nicht korrupt.“ Ihnen ist klar, wie wenig ich von dieser Aussage halte. Bern denkt gleich. Sowohl der Bundesrat als auch der Nationalrat. Nur nebenbei: Im Nationalrats-Saal werden an den Sessions-Donnerstagen jeweils zuerst die WOZ und die Weltwoche gelesen. Das berühmte Exemplar des Köppel-Magazins mit Ihrem Bild auf der Titelseite lag ganz oben auf den Pulten der Parlamentarier. Ihr Blick, Sepp, ist in die Ferne gerichtet. An allen vorbei. Und an allem. Die Schlagzeile darunter: „In der FIFA gibt es keine Korruption.“ Das war im Dezember 2010.
Im Interview geben Sie sich nuancierter als auf dem Titelblatt: „Es gibt keine systematische Korruption in der FIFA“, lauten ihre Worte dort.
Macht es Sinn, gemäss Chaosprinzip zu schmieren, anstatt mit System? Ich weiss es nicht. Bestechung ist so oder so ein diffiziles Business. Vor ein paar Wochen lief bei der FIFA so ziemlich alles aus dem Ruder: Journalisten von der Sunday Times liessen einen Nigerianer und einen Fussballfunktionär aus Tahiti, beide Mitglieder Ihres Exekutiv-Komitees, in die Falle tappen. Zur Hälfte wenigstens. Der Afrikaner hätte seine Stimme für rund 800‘000 Franken verkauft, der Mann aus der Südsee für drei Millionen Neuseeland-Dollars. Soviel zu den Fakten.
Nun zum Amüsanten. Oder zum Traurigen, je nach Sichtweise. Kürzlich traf ich einen westafrikanischen Minister. Er trat mit ernster Miene auf mich zu: „Ich schäme mich für Afrika.“ Ich verstand nur Bahnhof. Denn für mich war klar, dass wegen eines einzigen käuflichen Funktionärs nicht ein ganzer Kontinent an den Pranger zu stellen ist.
Doch Son Excellence insistierte. Der Mann schämte sich wirklich abgrundtief. „Es ist ein Skandal. Schauen Sie, Monsieur Roland, unser Freund aus dem riesigen Nigeria wollte seine Stimme tatsächlich für drei Mal weniger Geld hergegeben als der Typ aus dem kleinen Tahiti in der Südsee. Wir Afrikaner kennen unseren Wert nicht. Es ist eine Schande.“
Nehmen oder nicht nehmen? Diese Frage stellen sich hohe Sportfunktionäre seit ein paar Jahren. Und, falls ja, wie viel? Wie gross ist der Kuchen, und wie wird er aufgeteilt? Dazu wissen wir heute: In den letzten zwölf Jahren ihrer Existenz zahlte allein die Sportrechteagentur ISL 140‘785‘618.93 Franken reines Schmiergeld. Die Gegenleistung? Null. Über diese Tatsache müssen wir nicht lange diskutieren; alles ist gerichtsfest bewiesen. Hohe und höchste Sportfunktionäre haben genommen. Die ISL gab und ging bankrott.
Am 30. November 2010 brachte die Sendung Panorama auf BBC 1 eine Liste mit Namen von korrupten Spitzenfunktionären an die Öffentlichkeit. Jemand hatte sie dem wohl bekanntesten aller journalistischen Wadenbeisser zugespielt: Auf Andrew Jennings‘ Tabelle sind 175 Zahlungen fein säuberlich aufgelistet. Unter dem Strich resultiert eine dreistellige Millionensumme für Repräsentanten des Sports.
Mindestens drei Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees und drei IOC-Mitglieder nahmen Bakschisch aus der Schweiz entgegen. Der OK-Präsident der kommenden Fussball-WM in Brasilien, um nur ein Beispiel zu nennen, erhielt einen zweistelligen Millionenbetrag: Ricardo Teixeira gehört zu den Mächtigen unter den 24 FIFA-ExCo-Mitgliedern. Doch das muss ich Ihnen nicht erklären.