Auswärtsspiel in Koblenz: Zwanziger ./. Weinreich
Ich habe Post von Theo Zwanziger. Präziser: Der Anwalt des DFB-Präsidenten schickt den Entwurf einer Unterlassungsklage und schreibt: Sollte Herr…
Ich habe Post von Theo Zwanziger. Präziser: Der Anwalt des DFB-Präsidenten schickt den Entwurf einer Unterlassungsklage und schreibt: Sollte Herr…
Der Präsident beliebte zu scherzen. Wenn man etwas erreichen wolle in der Sportpolitik, erzählte DOSB-Chef Thomas Bach kürzlich auf einer Diskussionsrunde in Leipzig, müsse man sich einfach mal „mit dem Herrn Kass“ zu einem gemütlichen Abendessen treffen. Das Publikum reagierte erheitert. Rüdiger Kass lachte, er saß in der ersten Reihe. Das UDIOCM freute sich auch, als hätte es einen Witz gemacht. Dabei war es doch so etwas wie die Wahrheit: Auf dem kurzen Dienstweg, bei einem feinen Mahl, lassen sich viele Fragen klären. Ministerialdirektor Kass, 63, ist einer der wichtigsten Männer der Branche: Er gilt zwar nicht als der absolute Fachmann, doch was heißt das schon – er leitet seit Frühjahr 2008 die Abteilung Sport im Bundesministerium des Innern.
In der Graurheindorferstraße im beschaulichen Bonn, fernab vom hektischen Treiben der Hauptstadt, gebietet Kass als Nachfolger von Klaus Pöhle über rund 40 Mitarbeiter in sieben Referaten. In der BMI-Abteilung SP entscheidet sich im Grundsatz die Sportförderung. Formal haben die Abgeordneten des Bundestags-Sportausschusses, die am Mittwoch erneut über die Fördermittel für den skandalumtosten Bund Deutscher Radfahrer (BDR) beraten, auch etwas zu sagen. Doch sollte sich niemand täuschen: Im Prinzip passiert, was die Sportabteilung ausarbeitet. Und die Abteilung SP verhandelt über die Verteilung der Millionen direkt mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).
Im kommenden Jahr geht es um einen Etat von 148 Millionen Euro. Inklusive sieben anderer Ministerien summiert sich die Bundesförderung auf 218 Millionen. Multipliziert man derlei Beträge über einen längeren Zeitraum von, sagen wir: zwanzig Jahren, so werden Milliardensummen bewegt. Und kaum jemand weiß, was genau verhandelt wird zwischen BMI-Ministerialen und Sportfunktionären, ob nun im Dienstzimmer oder beim abendlichen, weinseligen Plausch.
Eike Emrich, Vizepräsident des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV), hat derartige Dauerverhandlungen zwischen BMI und Sport in einem klugen Aufsatz so beschrieben:
„Wer gut bedient werden will, muss bereit sein, zu jeder geforderten Zeit, und sei es kurz vor wichtigen Sportereignissen, der gutachterlichen Behörde seine Aufwartung zu machen. In diesem sozialen Umfeld erweist sich stets, dass Intrigen, Ränke- und Machtspiele sowie der strategische Umgang mit Informationen nebst Partizipation an den richtigen Seilschaften Bestandteil der Erfolg verheißenden Handlungsmaxime der Akteure sind. Also sind im Schnittfeld zwischen Politik und Sport durchaus höfische Einflüsse auf moderne Organisation erkennbar, was aufgrund der traditional-feudalen Momente sowohl im Sportsystem als auch im politischen Beamtenwesen nicht weiter verwundert. Darüber hinaus verlangt die sportliche Behörde von anderen Organisationen in allen nur denkbaren Punkten immer mehr Transparenz, um zugleich umgekehrt proportional zu diesen Ansprüchen die eigenen Kriterien der Entscheidungen teilweise intransparent zu gestalten.“
via Korruption im Sport. Originalquelle: Emrich, E./Papathanassiou, V.: Zur Führungskultur in assoziativen Systemen – Aspekte machtzentrierter traditionaler Denk- und Handlungsmuster im Sportsystem. In: Sportwissenschaft, 3/2003, S. 239 ff.
McCain? Da war doch mal was … Ja, Senator John McCain (R-AZ) war einst ein ganz garstiger Beobachter des olympischen Treibens. Er hat dem IOC sogar mal mit dem Entzug der Steuerbefreiung für die US-Geschäfte und dem Entzug der Sponsoren-Milliarden aus den USA gedroht (was u.a. die NBC-TV-Verträge betroffen hätte). Im April 1999, als es für Politiker opportun war, das von Korruptionsenthüllungen erschütterte IOC zu ärgern, veranstaltete McCains Senatsausschuss (Senate Committee on Commerce, Science and Transportation) in Washington ein erstes Hearing zum IOC-Bestechungsskandal. IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch aber mochte nicht dabei sein (er erschien erst bei einer zweiten Anhörung im Dezember, als das Schlimmste überstanden war). McCain wetterte:
I am deeply saddened that Mr. Samaranch has declined our offer to testify before the Commerce Committee. It would have been extremely informative for the Committee, in seeking to understand the IOC’s reform efforts, to hear from Mr. Samaranch who placed himself in charge of the reform and ethics initiatives of the organization. Apparently, Mr. Samaranch doesn’t understand the gravity of the situation for the future of the Olympic movement. The lack of transparency and accountability within the IOC, that fostered a culture based on gifts and lavish travel, has brought a dark cloud over the integrity of the Olympics. We must now move forward, unfortunately without Mr. Samaranch’s direct input, to ensure that urgently needed reforms are implemented.
Es wurde dennoch eine lustige Veranstaltung. Dafür sorgten IOC-Vizepräsidentin Anita DeFrantz mit ihrer Ahnungslosigkeit – und natürlich Andrew Jennings, seit seinem 1992 erschienenen Buch „The Lords of the Rings“ der gefährlichste Feind, den das IOC je hatte. Jennings wurde ebenfalls vorgeladen und durfte nun ungestraft all das ausplaudern, wofür er einige Jahre zuvor vor einem dubiosen Polizeigericht in Lausanne, am Sitz des IOC, noch zu einer absurden Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Mit anderen Worten: Jennings durfte die Wahrheit laut verkünden.
Unmittelbar nach dem Hearing erklärte McCain:
Wer in den vergangenen Wochen noch nicht genug über Krisen gelesen hat, Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen, Onlinejournalismuskrisen (bei Herrn Niggemeier), dem sei als Wochenend-Lektüre schnell noch eine Zustandsbeschreibung der Auslandskorrespondentenkrise empfohlen: Lutz Mükke hat sie als Dossier für das Netzwerk Recherche verfasst. Wer sich überraschender Weise doch noch ein bisschen für Journalismus interessiert, sollte sich diese 25 Seiten unbedingt antun.
Eine meiner Lieblingspassagen hat gar nicht so sehr mit dem Korrespondenten-Dasein zu tun, sondern beschreibt eher etwas Generelles im deutschen Journalismus. Namen und Medien sind austauschbar, denke ich mal. Mükke schreibt:
Ex-Spiegel-Auslandsressortleiter Ihlau bringt seine Erfahrungen so auf den Punkt: Viele der jüngeren Spiegel-Kollegen „könnten genauso gut in einer Bankfiliale arbeiten. Sie sehen als Typen auch fast alle so aus. Unter ihnen gibt es hervorragende Schreiber, keine Frage. Die schreiben süffige Stücke, voller Häme.“ Was fehle seien „Rechercheure, die Trüffelschweine, die Wühler“, vielen „dieser Schönschreiber fehlt es an Bissigkeit und Beharrlichkeit“.
Zackzack, einige Lesebefehle:
Neues vom UDIOCM: In der Siemens-Affäre hat es hier bereits die eine oder andere Meldung gegeben. Ein Autoren-Trio (Klaus Ott, Thomas Kistner und Uwe Ritzer) berichtet in der Süddeutschen Zeitung (Ausgabe vom 25. Oktober, nicht online verfügbar) über ein gewisses „Desinteresse“ der Staatsanwaltschaft im Rahmen des Schelsky-Prozesses:
So ein Mist aber auch, ich habe gerade den gemütlichen Kollegen einer großen Tageszeitung verärgert. Nach unserem Versuch, ein Statement…
Ganz kurz, schlechte Nachrichten für das UDIOCM: Jacques Rogge, seit 2001 IOC-Präsident, hat sich entschieden, im kommenden Jahr um vier Jahre zu verlängern. Zwar toben derzeit im Hintergrund ziemliche Kämpfe, auch gegen Rogge, doch ist derzeit nicht davon auszugehen, dass 2009 in Kopenhagen jemand gegen den amtierenden Präsidenten antritt. Ein paar Argumente für die Amtsverlängerung, aber ohne die wirklich interessanten Hintergründe, hat die IHT zusammengetragen.
Das UDIOCM kommt gleich nach Leipzig, wo ich mich auch gerade herumtreibe und ihn mal nach seiner Meinung fragen werde.
Später mehr.
Nachtrag: Habe gerade ein bisschen in meinen Texten der vergangenen Wochen gewühlt und erlaube mir mal, ein paar Beispiele hier einzustellen. Denn die Personalie ist ja zentral für den Weltsport. Kurz vor den Peking-Spielen habe ich ein Porträt geschrieben:
Zur Abwechslung mal ein Thema, das alle angehen könnte, die sich auf Blogs verewigen und also Kommentare schreiben. Ein bisschen geht es dabei wohl auch ums Presserecht, wenn ich es recht verstehe. Straight zur Sache: Ich habe den Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, unlängst in einem Kommentar nebenan beim Direkten Freistoß als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet. Dies geschah meiner Überzeugung nach sehr sachbezogen. Diese Überzeugung und meine Argumentation teilte im September zunächst das Landgericht Berlin – und im Oktober auch das Kammergericht.
Theo Zwanziger hatte mir eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abverlangt. Er sah sich offenbar von mir in eine rechtsradikale Ecke gedrängt. Warum, weiß ich nicht. Ich habe diese Unterlassung natürlich nicht abgegeben. Also ging die Sache vor die Pressekammer des Landgerichts Berlin. Eine kurze Chronologie des Rechtsstreits:
So, passend zum Tage der zweite Teil meiner Notizen zur 59. Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 15. Oktober. Was bisher geschah, kann man hier nachlesen.
Die Session mit Willi Lemke, die partiell witzig war, lasse ich aus, darum kümmere ich mich später mal. Nur noch dies: Lemke wäre nicht Lemke, also nicht der Verkäufer seiner Sache, als der er bekannt geworden ist, wenn er mir nicht, wie allen anderen Anwesenden, noch diese Broschüre in die Hand gedrückt, die ich gern symbolisch weiter reiche. „Hier bitte, auch für Sie“, sagte der UN-Sonderbeauftragte. Ich sage: Danke, Willi.
Noch zwei Vorbemerkungen:
Nun zu dem, was wirklich wichtig war. Am Morgen hatte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesen Antrag im Sekretariat des Sportausschusses eingereicht:
Beratungen Bundeshaushalt 2009, EP 06 Bundesministerium des Innern/Kapitel 0602
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt:
Beim Haushaltstitel 684 11 („Zentrale Maßnahmen auf dem Gebiet des Sports“) werden die vorgesehenen Ausgaben für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gestrichen. Stattdessen werden die nicht benötigten Mittel für die Dopinganalytik, Anti-Dopingforschung sowie für die Dopingprävention verwendet.
Begründung:
Am Anfang, im vergangenen Jahr auf der IOC-Session in Guatemala, standen einige Versprechen. Es sprach also Wladimir Putin:
Das Wahlvolk hat kassiert entschieden. Und inzwischen ist das Projekt Sotschi erwartungsgemäß gefährdet, was das IOC natürlich nicht zugeben wird. Russlands Präsident Dmitri Medwedjew hat gestern gehandelt: Er ernannte Dmitri Kosak (links im Bild), den Minister für Regionalentwicklung, zum stellvertretenden Premierminister, zu einem von acht Stellvertretern Putins (wenn ich richtig gezählt habe). Ein Vize-Premier mit einer Aufgabe: Die Winterspiele 2014 in Sotschi stattfinden zu lassen.
Es wird eng. Es wird knapp. Nur der Termin steht bislang: 7. bis 23. Februar 2014. Bis dahin müssen noch ein Hafen, Autobahnen und Eisenbahnstrecken gebaut, ein paar Berge gefräst, die Nordkaukasus-Region befriedet und, auch das, etliche State of the Art Sportstätten errichtet werden. Kleinigkeiten also.
Während mancher Kommentator in den vergangenen Tagen vorschnell ein hartes Eingreifen des IOC in der Dopingfrage bejubelte, weil unter für mich durchaus mysteriösen Umständen angekündigt wurde, die Blutproben von Peking noch einmal analysieren zu lassen, empfiehlt es sich, die wenigen Fakten ins Licht zu rücken. Zum Beispiel den Bericht der so genannten Independent Observer für die Dopingkontrollen während der Peking-Spiele.
Denn dieser Bericht liegt dem IOC seit dem 19. September vor, der Öffentlichkeit seit wenigen Stunden. Nur hat das bisher kaum jemand bemerkt. Soweit ich diese 50 Seiten auf die Schnelle überblicke, finde ich doch einige hoch interessante Sachverhalte. Manches kommt hammerhart und entlarvt einige Lügen der olympischen Branche. Die wichtigsten Punkte will ich flink mal zur Diskussion stellen. Ich frage mich einmal mehr und entschuldige mich gleich auch für meine Wortwahl: Wie lange wollen die uns eigentlich noch verarschen?
Bevor ich einige Beispiele bringe, kurz zur Klarstellung: Während der so genannten Olympic Period (27. Juli bis 24. August) gebot das IOC über die Dopingkontrollen – wie immer bei Olympischen Spielen. Wie immer bei den Spielen war die World Anti-Doping Agency (Wada) nur Beobachter. Eingesetzt wurde eine zwölfköpfige Gruppe von Independent Observern, geleitet von der Engländerin Sarah Lewis, Generalsekretärin des Ski-Weltverbandes Fis.
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1. Die Meldepflicht
102 Nationale Olympische Komitees (von 205) haben die Whereabouts ihrer Sportler in Peking nicht angegeben. Nach Ermahnungen lieferten nur 8 NOK Informationen. Das IOC handelte nicht.
Ich gestehe meine Schwäche für Ranglisten jeder Art. Zumal wenn The One an Only an der Spitze steht. Sepp, mein Lieblingsfunktionär. Die Zeitschrift BusinessWeek veröffentlichte vor einer Woche eine Rangliste der „25 Most Powerful Global Sport Figures“. Da wird Sepp der Baumeister bestimmt sehr stolz drauf sein: Mit gelbem Helm auf Rang eins. Und dann nennen die ihn auch noch „Emperor of the World Cup“. Ein Schritt mehr ist getan auf dem Weg zum Friedensnobelpreis, denn der soll es schon sein. Congratulations!
Ich weiß ja auch nicht, wie er und seine Pappenheimer – seine Berater, PR-Herolde und Lobbyisten – das wieder hingekriegt haben. Die Kategorien dieser Rangliste erschließen sich mir genau so wenig wie manche Namen. Aber darum geht es ja nicht bei derartigen Spielereien, die – gut getimt – durchaus Wirkung entfalten können.
BusinessWeek: 25 Most Powerful Global Sport Figures
(Oktober 2008)