„Wir sind das Volk!“ Brasilien, die FIFA, das IOC und steuerfinanzierte Mega-Events
In my opinion FIFA is one of the most corrupt enterprises, one of the most corrupt institutions on this planet.“
Romário de Souza Faria, Weltmeister 1994, Kongress-Abgeordneter der Partido Socialista Brasileiro
[kraut project=“https://krautreporter.de/de/projects/94-macht-moneten-marionetten/“]Es ist klar, dass die Entwicklungen in Brasilien, in der Türkei und anderswo (in Sotschi, in Graubünden) zentraler Bestandteil meines Buches werden, das ich per Crowdfunding via Krautreporter finanzieren möchte, und das ich vielleicht etwas verkürzt IOC-Buch genannt habe – um es auf den September und die Wahl des IOC-Präsidenten zu fokussieren.
Aber, das habe ich ebenfalls beschrieben, es geht mir um eine umfassende Betrachtung der Parallelgesellschaft Sportbusiness. Um die Konzerne des Weltsports, um die Strippenzieher aus Politik und Wirtschaft, Milliardenkassierer und Topfunktionäre, die jetzt atemlos nach Brasilien schauen.
Einige Gedanken dazu, anschließend an diese Notizen und etwas erweitert als gestern auf Spiegel Online veröffentlicht.
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Joseph Blatter ist eigentlich hart im Nehmen. Teflon-Sepp nennen manche den Präsidenten des Fußball-Weltverbandes FIFA. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird Blatter in den Stadien der Welt nun schon ausgepfiffen. Sein Verband gilt vielen Menschen als Synonym für Vetternwirtschaft und Korruption, für skrupellose Geschäftemacherei. Teflon-Sepp hat über die Jahre nach Gutdünken die protokollarischen Regularien geändert, wie er im Fokus der Fernsehkameras und in den Blitzlichtern der Fotografen bei Events ins Bild gesetzt wird. Das half, ein bisschen, den größten Schmerz zu lindern. Blatter hat darüber hinaus immer darauf gesetzt, dass sich die Empörung der Leute legen würde, wenn der Ball erst mal rolle, ob nun bei einer Weltmeisterschaft oder einem WM-Test wie gerade beim Konföderationenpokal in Brasilien.
Brot und Spiele. Fußball als Opium fürs Volk.
Irgendwie hat das immer funktioniert.
Was der Fußballfürst Joseph Blatter nun in Brasilien erleben musste, nicht nur beim Eröffnungsspiel, als die Stadionbesucher sich minutenlang nicht mehr beruhigten und das Protokoll sprengten, das schockiert ihn zutiefst. Er kann damit nicht umgehen. Und seine fürstlich bezahlten Propagandisten, allen voran Kommunikationsdirektor Walter de Gregorio sowie Blatters persönlicher PR-Berater Bernd Fisa, sind ebenso hilflos. Sie agieren gern aus dem Hinterhalt und verbreiten ihre Propaganda in etlichen Medien, wie gerade wieder in Roger Köppels Weltwoche („Essay“ von Blatter: „Fußball verbessert die Welt“), doch stehen sie auf verlorenem Posten:
Der denkende Teil der Menschheit glaubt den Lügen nicht. Der denkende Teil der Menschheit hat die FIFA längst durchschaut. Das lässt sich auch nicht mit 1,4 Milliarden auf dem Festgeldkonto und weiteren Propagandafeuerwerken korrigieren.
Und das ist auch gut so.
Im fußballverrücktesten Land des Planeten demonstrieren Millionen Menschen nicht nur für bessere Lebensbedingungen, für Bildung, Gesundheitsfürsorge und eine faire Chance an der gesellschaftlichen Teilhabe. Sie demonstrieren gegen Geschäftemacherei, grassierende Korruption, gegen Gigantismus und die Verschleuderung von Steuermitteln für den Bau überdimensionierter Arenen, die nach der Sause – ob nun nach der Fußball-WM 2014 oder den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro – kaum vernünftig genutzt werden können. Die Menschen demonstrieren gegen diese White Elephants, so nennt man sportive Investruinen, und damit direkt gegen die FIFA und deren Pflichtenhefte, gegen Sepp Blatters engste Freunde und Geschäftspartner: die kriminellen Cartolas, Brasiliens Fußballfunktionärsclique, zu denen Blatters FIFA-Vorgänger Joao Havelange zählt, die seit Jahrzehnten den Lauf der Dinge bestimmt.