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Das Olympische Bildungsmagazin

Das Eigenleben der BMI-Sportabteilung

Der Präsident beliebte zu scherzen. Wenn man etwas erreichen wolle in der Sportpolitik, erzählte DOSB-Chef Thomas Bach kürzlich auf einer Diskussionsrunde in Leipzig, müsse man sich einfach mal „mit dem Herrn Kass“ zu einem gemütlichen Abendessen treffen. Das Publikum reagierte erheitert. Rüdiger Kass lachte, er saß in der ersten Reihe. Das UDIOCM freute sich auch, als hätte es einen Witz gemacht. Dabei war es doch so etwas wie die Wahrheit: Auf dem kurzen Dienstweg, bei einem feinen Mahl, lassen sich viele Fragen klären. Ministerialdirektor Kass, 63, ist einer der wichtigsten Männer der Branche: Er gilt zwar nicht als der absolute Fachmann, doch was heißt das schon – er leitet seit Frühjahr 2008 die Abteilung Sport im Bundesministerium des Innern.

In der Graurheindorferstraße im beschaulichen Bonn, fernab vom hektischen Treiben der Hauptstadt, gebietet Kass als Nachfolger von Klaus Pöhle über rund 40 Mitarbeiter in sieben Referaten. In der BMI-Abteilung SP entscheidet sich im Grundsatz die Sportförderung. Formal haben die Abgeordneten des Bundestags-Sportausschusses, die am Mittwoch erneut über die Fördermittel für den skandalumtosten Bund Deutscher Radfahrer (BDR) beraten, auch etwas zu sagen. Doch sollte sich niemand täuschen: Im Prinzip passiert, was die Sportabteilung ausarbeitet. Und die Abteilung SP verhandelt über die Verteilung der Millionen direkt mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). 

Im kommenden Jahr geht es um einen Etat von 148 Millionen Euro. Inklusive sieben anderer Ministerien summiert sich die Bundesförderung auf 218 Millionen. Multipliziert man derlei Beträge über einen längeren Zeitraum von, sagen wir: zwanzig Jahren, so werden Milliardensummen bewegt. Und kaum jemand weiß, was genau verhandelt wird zwischen BMI-Ministerialen und Sportfunktionären, ob nun im Dienstzimmer oder beim abendlichen, weinseligen Plausch.

Eike Emrich, Vizepräsident des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV), hat derartige Dauerverhandlungen zwischen BMI und Sport in einem klugen Aufsatz so beschrieben:

„Wer gut bedient werden will, muss bereit sein, zu jeder geforderten Zeit, und sei es kurz vor wichtigen Sportereignissen, der gutachterlichen Behörde seine Aufwartung zu machen. In diesem sozialen Umfeld erweist sich stets, dass Intrigen, Ränke- und Machtspiele sowie der strategische Umgang mit Informationen nebst Partizipation an den richtigen Seilschaften Bestandteil der Erfolg verheißenden Handlungsmaxime der Akteure sind. Also sind im Schnittfeld zwischen Politik und Sport durchaus höfische Einflüsse auf moderne Organisation erkennbar, was aufgrund der traditional-feudalen Momente sowohl im Sportsystem als auch im politischen Beamtenwesen nicht weiter verwundert. Darüber hinaus verlangt die sportliche Behörde von anderen Organisationen in allen nur denkbaren Punkten immer mehr Transparenz, um zugleich umgekehrt proportional zu diesen Ansprüchen die eigenen Kriterien der Entscheidungen teilweise intransparent zu gestalten.“

via Korruption im Sport. Originalquelle: Emrich, E./Papathanassiou, V.: Zur Führungskultur in assoziativen Systemen – As­pekte machtzentrierter traditionaler Denk- und Handlungsmuster im Sportsystem. In: Sportwissenschaft, 3/2003, S. 239 ff.

Wobei zu sagen ist, dass seit Gründung des Dachverbandes DOSB im Mai 2006 die Sportverbände auch diesem Dachgremium ähnlich devot entgegentreten müssen wie dem BMI. Der Soziologe Karl-Heinrich Bette hat dafür einen hübschen Begriff geprägt: die „Hofschranzenkultur“ des deutschen Sports. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, Ausputzer des UDIOCM, hatte seinen Dachverband in der Peking-Auswertung im September vor dem Sportausschuss ausdrücklich gelobt: „Wir sind in der Nationenwertung um einen Platz auf Position fünf nach oben gerutscht und haben den Abwärtstrend gestoppt. Und wenn ich das mal als privates Eigenlob so formulieren darf: wir haben die Teilnahme unserer Mannschaft ganz gut organisiert.“ Sicher doch.

Emrich dagegen sagt: „Es ist wohlfeil, sich selbst gute Arbeit und anderen starke Schwächen zu bescheinigen. Der DOSB täte gut daran, die Frage der Effizienz- und Verwaltungsabläufe bei sich selbst zu reflektieren.“ Der DOSB legitimiere sich vor allem dadurch, dass er die Mittel des Bundes an Verbände verteile. „Diese Verteilung muss transparent sein“, sagt Emrich. „Und sie muss schneller erfolgen.“ Nachdem der DOSB als Gutachter für die Mittel des BMI agiere, das BMI dann über die Zuwendungen entscheide, würden viele Monate vergehen, ehe das Bundesverwaltungsamt die Summen endgültig bestätigt und überweist. So habe der DLV erst im Sommer dieses Jahres erfahren, wie hoch der Sockelbetrag der Förderung für das Olympiajahr sei. „Dieses Procedere“, sagt Emrich, „ist nicht geeignet, zu schnellen Entscheidungen im Spitzensport beizutragen.“

Zurück also zur Abteilung SP des BMI. Die Zuwendungsbescheide an den Sport, in denen die jährlichen Fördermittel verzeichnet sind, sind nicht öffentlich. Auch die so genannten Zielvereinbarungen, die BMI und DOSB mit den Fachverbänden treffen, und die beispielsweise der DLV noch immer nicht unterschrieben hat, sind ebenfalls nicht transparent, wie sie sein sollten. Mit der Informationsfreiheit, die ja auch bedeutet, die Verwendung öffentlicher Mittel jederzeit nachvollziehen zu können, ist das so eine Sache. Sie ist nicht wirklich gewollt. Es heißt, in der Abteilung SP fürchte man sich nur vor den gelegentlichen Recherchen des Bundesrechnungshofes, der immer mal Details rügte. Wenn der Rechnungshof ermittelt, bedeutet das Mehrarbeit und Stress für die Sportbeamten.

Manch einer im politischen Berlin wünscht sich die BMI-Sportabteilung übrigens in der Hauptstadt. Dann blieben dem zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär im BMI, Christoph Bergner (CDU), vielleicht so peinliche Momente erspart wie in der Oktober-Sitzung des Sportausschusses, als er die Bundesförderung für den BDR irrtümlich auf 4,2 Millionen bezifferte. Rüdiger Kass, der neben ihm saß, hätte es besser wissen müssen: 2,6 Millionen für 2008. (Leser dieses Blogs haben die Aufschlüsselung exklusiv – und die der Sondermittel für den BDR, Cialis zum Beispiel, ebenfalls.) Doch Kass verließ die brisante Sitzung vorzeitig, um seinen Flieger nach Köln/Bonn zu bekommen. Ministerialrat Dieter Adolfs aus dem für den BDR zuständigen Referat SP 4 half Bergner ebenfalls nicht aus der Bredouille. Bergner ist im BMI zwar zuständig für Sport, doch wie alle Parlamentarischen Staatssekretäre (ein typischer Versorgungsposten, „der Job ist ein Unding„, hat Ludger Vollmer mal gesagt) hat er den Beamten gegenüber keine Weisungsbefugnis.

Wenn die Abgeordneten des Sportausschusses, die als gewählte Volksvertreter eigentlich Herr des Verfahrens sein sollten, Fragen haben, dürfen sie die immerhin stellen. Das BMI antwortet in der Regel nach einer Woche, manchmal – wie jetzt im Fall des BDR – auch etliche Wochen später. Anders gesagt: Die Beamten kontrollieren sich quasi selbst. Sehr schön lässt sich das an der jüngsten Stellungnahme des BMI zur Frage des Fördermittelentzugs für den BDR beweisen: Weitgehend übernimmt das BMI die Argumentation des Sportverbandes. So dass Bergner, der seinen Amtssitz natürlich in Berlin hat, schriftlich erklärte: „Im Lichte dieser Angaben erscheint eine Rückforderung von Haushaltsmitteln nicht durchsetzbar. Inwieweit eine Sperrung der Mittel für das Haushaltsjahr 2009 angemessen ist, sollte im Ausschuss nochmals kritisch überdacht werden.“

Ein Kritikpunkt am BDR ist die Streichung von Dopingkontrollen bei der Mountainbike-Meisterschaft im September in Singen, die Bergner völlig in Ordnung findet. In dieser Frage gerät die BMI-Sportabteilung selbst unter Druck. Denn BDR-Generalsekretär Martin Wolf argumentiert in einem Brief an den Nada-Geschäftsführer Göttrik Wewer (einst Sport-Staatssekretär im BMI), man habe die Behörde schon im August darüber informiert, dass kein Geld für Dopingkontrollen mehr vorhanden sei. Wolf legt dem Brief auch ausgedruckte Emails bei, die beweisen, dass Referatsleiter Adolfs die Lage kannte. Ob dies eine Entschuldigung dafür sein kann, dass der BDR die Kontrollen einfach ausfallen ließ, muss der Sportausschuss entscheiden. Ich würde es in diesem Fall doch eher mit einer MItarbeiterin des BMI halten, die dem BDR bereits am 22. August mitgeteilt hat:

(…) werden für dieses Jahr abweichend vom Kontingent ausnahmsweise die Analysekosten aller (…) bei den Dopingkontrolllaboren eingereichten Proben vom Bund übernommen. Ich weise jedoch darauf hin, dass das Ihrem Verband mitgeteilte Kontingent lediglich die Höchstzahl der vom Bund finanzierten Analysen definiert und würde es sehr begrüßen, wenn Ihr Verband seiner Verantwortung für den Dopingkampf auch dadurch nachkommen würde, dass er darüber hinaus weitere Wettkampfkontrollen durchführt.

Wenigstens das leuchtet mir ein. Ich finde, der BDR hat die verdammte Pflicht, sämtliche Dopingkontrollen selbst zu bezahlen und nicht nach Steuermitteln zu schreien. Es ist absurd, mit öffentlichen Mitteln in Höhe von Dutzenden Millionen wurde hier seit den neunziger Jahren ein verkommenes System finanziert – dann jammern sie auch noch und betteln um zusätzliche Mittel für Kontrollen.

Schlusslektüre für heute: Das Schreiben von BDR-General Wolf an Nada-Chef Wewer.

44 Gedanken zu „Das Eigenleben der BMI-Sportabteilung“

  1. Ach, Jens. Habe ich eigentlich schon mal gesagt, wie wichtig (Achtung: Pathos) ich deine Arbeit für die demokratische Selbstverständlichkeit der öffentlichen Überprüfung aller Entscheidungen der Verwaltung empfinde?

    Und – verstehe das bitte nicht als Kritik, das Gegenteil ist gemeint – es ist mir immer wieder ein Grund zum Trauern, dass dir kein Team von ausgebildeten Juristen, Politologen und sonstigen Rechercheuren zur Seite steht (oder sollte es „nicht mehr“ heißen? Schluss, sonst werde ich wieder wütend..). Auch wenn man es manchmal hier und da merkt, dass wir hier wohl letztlich von der Aufopferung eines Einzelkämpfers profitieren, ich hoffe, dass uns allen dieser Kampf noch lange erhalten bleibt. Und also, das du an deinem Job nie den Spass verlierst.

    Wollte ich einfach mal so gesagt haben.

  2. @sternburg, was jw angeht: dito.

    Und von weitem neue Fragen:

    – Trifft das BMI immer erst zur Jahresmitte derart wegweisende Entscheidungen wie diese: Kontingent für WK-Kontrollen?

    – Haben auch andere Verbände wegen unverhoffter Kontingentüberschreitung Kontrollen ausfallen lassen? Oder bezahlen sie selbst oder zahlt die NADA? Kommt man mit 273 auch über die erste Jahreshälfte hinaus?

    – Wie hat BDR den Rest des Jahres die WK-Kontrollen finanziert, hat die NADA übernommen?

    – Warum hat die angeblich so unabhängige NADA, wenn sie denn, wie Wolf schreibt, informiert war, weder auf das Problem aufmerksam gemacht (den Sportausschuss? gar die Öffentlichkeit?), noch dem BDR Unterstützung angeboten? NADA-Chef Baumert war Ende letzter Woche öffentlich ja ganz gespannt auf die Auskünfte des BDR im Sportausschuss … War das etwa demagogisch?

    Und Fragen aus dem, was im Blog zusammengetragen worden ist, ohne die dubiosen 24.000 für den Profistraßenradsport und die Falschangabe von nur zwei Positiven:

    – DDR-Dopingarzt Heinz Löbl, siehe DLF-Interview mit Uwe Trömer, betreut noch 2008 das U23-Bundesligarennen „Erzgebirgsrundfahrt“ als Rennarzt. Das Gesprächsangebot Trömers schlägt der BDR aus. Wie nennt er das? Praktische Toleranz? Dabei gilt doch Nulltoleranzantidoping des UDIOCM …

    – Was macht eigentlich … Bundes-Doping-Trainer Peter Weibel bzw. die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung? Ist er befriedet, oder stört ihn, wie im Juni, immer noch irgendetwas (was?) daran, dass er als alleiniger Sündenbock gelten soll?

    Nett vom Kölner Labor, dass „ausnahmsweise auf Berechnung verzichtet“ hat ;-)

  3. Ach, und dann interessiert mich (Ossi) die aktuelle Personalpolitik in Gestalt des neuen Bundestrainers Andreas Petermann (Bahn/Ausdauer). DDR-Weltmeister, vor nicht allzulanger Zeit beschäftigt bei ganz und gar sauberen Profi-Teams wie Coast, Bianchi. Aber wahrscheinlich gilt das nicht, es geht ja um Wettkampfkontrollen ;-)

  4. @Ralf
    Die DHfK war, was Doping anging, unverdächtiger – das erledigte aus Leipzig und zentral für den DDR-Sport das FKS, aus dem in den 90ern das IAT (Institut für Angewandte Trainingswissenschaft http://www.iat.uni-leipzig.de/ ) wurde. Dort hat Petermann dann auch gearbeitet, sozusagen im trainingswissenschaftlichen Service für den BDR. Nicht sicher, ob parallel zu Lothar Heinrich, der am IAT eine Teilzeitstelle besetzte, wie man im Zuge des Telekom-Skandals erfuhr – und im IAT-Medizinbereich mit der früheren DDR-Doping-nun-ja-Ärztin Fröhner wirkte, die dort bis heute aus Bundesmitteln finanziert wird.
    Was mich stört: Wieder einer dieser im System (bzw. in zwei Systemen, im ersten war er – ging es mit DDR-Dingen zu – als A-Kader gedopt) Sozialisierten, der offensichtlich von Doping nie etwas mitbekommen hat, auch nie über eigene Erfahrungen gesprochen hat. Darf man schon gespannt auf die Ehrenerklärung sein, die er für London 2012 unterschreiben wird …

  5. Ich schließe mich Sternburg vorbehaltlos an.

    Mich würde wirklich interessieren, wieviele Leser deine Posts im Schnitt verfolgen. Ich hab da überhaupt keine Vorstellung von…

  6. Mensch, Sternburg, ha, Haidhauser, ick könnt‘ Euch knutschen. Mein Tag ist gerettet!

    @ Sternburg: Das Blog ist kein Spielchen für mich, sondern mein Medium. Es geht erst los, ich meine es ernst. Habe, glaub ich, schon immer mal geschrieben, dass wir bestimmt noch viel Spaß miteinander haben werden und uns gegenseitig ein bisschen schlauer machen – in Detailfragen, die ja auch manchmal ganz wichtig sind. Ideen und manche Pläne gibt es genug.

    @ Haidhauser: Im Moment eine sichere vierstellige Zahl Unique Visitors. Das wird auch wieder weniger. Während Peking war es schon ein Vielfaches. Tendenz ist allerdings stark steigend, da ich das erst seit zehn Monaten richtig mache, sind die Steigerungsraten natürlich groß. Was aber viel wichtiger ist als nackte Zahlen: Wer hier vorbei schaut, will doch eher was lesen und blättert nicht nur so herum. Bestenfalls interessiert er sich für die Themen, aus welchem Grund auch immer – ist ja in Ordnung, Sportfunktionäre sollen schließlich auch was lernen :)

    Zum Vergleich, mein altes Metier: Die Lesequote im Sportteil von Tageszeitungen bewegt sich laut Reader Scan nur so etwa um die zehn Prozent (als Mittel, bei Frauen nur halb so hoch wie bei Männern). Bei sportpolitischen Themen ist das meist noch weniger (aber längst nicht immer, ich hatte in der BLZ mit einem Rogge-Interview eine der besten Quoten im Sport überhaupt, es kommt also immer auf Thema und Brisanz und andere Faktoren an). Hier aber wird doch eher zielgerichtet gelesen und vor allem: kompetent diskutiert.

  7. Naja, aber zehn Prozent auch nur der Auflage (Leserzahlen sind mir unbekannt) der BLZ waren dann also schon etwas mehr als vierstellig…
    Sei`s drum, und es ist ja nu wirklich nicht so, dass man deine Zeilen jetzt gar nicht mehr auf Totem Baum sieht. Und solange es für deinen persönlichen Bedarf an Lebensunterhalt/ Prestige/ Bürospass reicht, um deine Berufung weiter auszuleben, soll es mir wurscht sein, da bin ich egoist. :)

    Ich hätte nur gerne mal wieder ein Zeitungsabo (grummel).

  8. dpa: Danckert klingt so, als ob er – zum wievielten Mal eigentlich? – den USPD (Umfallbereitesten Sportpolitiker Deutschlands) geben möchte … Die Taktik scheint zu sein: Jetzt alles auf Singen und die Wettkampfkontrolle konzentrieren, auf BMI abschieben. Und was scheren da die anderen kleinen Problemchen? Aber vielleicht gibt es eine Überraschung, und der Sportausschuss tut etwas anderes, als sich als Kontrollinstanz selbst abzuschreiben …

  9. dpa-Meldung vom 2008-10-07 12:56:00
    Danckert fordert Sperre der Haushaltsgelder für Radsport
    Berlin – Der Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Danckert, hat eine Sperre der Haushaltsgelder für den krisengeschüttelten Radsport gefordert. «Ich will dem Parlament nicht vorgreifen, aber ich bin der Meinung, das muss jetzt zu einer Sperre der Haushaltsgelder für den Radsport führen.» …Er sei «stocksauer» über die jüngsten Doping-Enthüllungen und habe sich für personelle Änderungen im Bund Deutscher Radfahrer (BDR)
    ausgesprochen. «Da hilft nur noch ein radikaler Neuanfang mit neuen Leuten», sagte Danckert.

  10. Sternburg: Missverständnis. Ich habe nicht gesagt, dass hier mehr mitlesen. Ich habe nur gesagt, dass der prozentuale Anteil derer, die wirklich interessiert an solchen Themen sind, auf einem Blog sicher ungleich höher als in einer Zeitung ist. Okay? Ganz ohne Wortklauberei. Aber bitte lass uns das Thema beenden.

  11. Komme gerade vom parlamentarischen Abend des DOSB und des LSB Rheinland-Pfalz in der RLP-Landesvertretung. Das letzte, was ich mitbekam, bevor ich keine Lust mehr hatte: BDR-Bremer und Co. haben sich das Bier am Nebentisch gutgelaunt schmecken lassen.

    Kein Wunder, wenn man so etwas lesen darf:

    „Es sind keine konkreten Versäumnisse dokumentiert, die nach harten Konsequenzen schreien.“
    Klaus Riegert, CDU

    Die Forderungen nach einer Sperre widersprechen dem „Gebot der Verhältnismäßigkeit“.
    Detlef Parr, UDIOCM-Partei

  12. Kann das noch nicht ganz glauben, dass der Sportausschuss sich so kastrieren wird. Dann wäre es angebrachter, als fähnchenschwenkendes Grüßaugust-Kollektiv Stadiontribünen zu schmücken und das, was dann als parlamentarisches Theater desavouiert ist, bleiben zu lassen.
    Let’s see.

  13. Herr Bremer soll sich am vergangenen Wochenende auch zu den Anti-Doping-Aktivisten im BDR geäußert haben:

    „Er hat gesagt, diese Leute schaden unserem Sport. Und dass manche Dopingbücher nur schreiben, um sie verkaufen zu können“, sagte ein Ohrenzeuge über die Haltung des maßgeblichen Funktionärs.
    FAZ-Printausgabe vom 12.11.08

    Genau die Dopingpräventionsarbeiten von Prof. Treutlein und anderen werden heute im Sportausschuß von Herrn Scharping als BDR-Leistung angeführt werden.

  14. Auch hier:

    „Auf einer Anti-Doping-Tagung in Leipzig waren die Experten Ralf Meutgens und Gerhard Treutlein von Bremer in Abwesenheit verunglimpft und beschimpft worden. Sie würden den Radsport nur in den Dreck ziehen, um ihre Bücher besser zu verkaufen. Die Experten waren dementsprechend aufgebracht. Die ohnehin kaum vorhandene Zusammenarbeit zwischen Radsportbund und Doping-Gegnern scheint in Zukunft kaum noch möglich.“
    http://www.mainpost.de/sport/ueberregional/art20426,4808445

  15. für mich stellt sich hier die frage, ob sich mit der voraussichtlichen zurückhaltung von steuermittel für den bund deutscher radfahrer irgend etwas im großen kampf gegen doping und missbrauch im elitesport positiv verändern wird ?.
    außer, das der radsport konkurs anmelden muss und tausende nachwuchssportler sich selbst überlassen werden (ev.demnächst auch rauchend und kiffend auf ihren schulhöfen stehen), verändert sich nichts. der radsport dient der politik nur als rechtfertigung wirksamer und „erfolgreicher“ arbeit im kampf gegen doping. wie dieter baumann in der taz richtig bemerkt, „geht die öffentlich brandmarktung (und bestrafung) des radsports am thema vorbei“. im übrigen wurde der für heute geplante schnitt durch einen seit ca. zwei jahren anhaltenden und unerträglichen medialen feldzug gegen den radsport in der öffentlichkeit systematisch vorbereitet. über alles das bin ich als lebenslanger sportler, der die gesellsch. bedeutung von körpererziehung einzuschätzen vermag, masslos entäuscht. natürlich werden sie sagen, die radfahrer sind selber schuld. schön, dass alle nichtradfahrer unschuldig sind …und alles geht so weiter wie bisher. die gesellschaft versinkt im missbrauch, alkohol und drogen vom kindergarten bis ins altersheim. aber, der radsport,den es dann nicht mehr gibt,ist sauber…

  16. Und das sagen die „Verunglimpften“:

    „Manchmal ist eine Amputation lebensrettend“, sagt Meutgens. Eine Wende unter Deutschlands Radsport-Führern hält er für unmöglich: „Wenn sie von denen verlangen, dass sie gegen Doping sind, wäre das so, als sollte ich auf einmal für Doping sein.“

    […]

    Deshalb wünschen sich Ralf Meutgens und Gerhard Treutlein, dass die Bundesförderung vollständig in Anti-Doping-Maßnahmen investiert wird – wie im Ausschuss-Antrag von Winfried Hermann gefordert.

    […]

    Gerhard Treutlein vom Zentrum für Dopingprävention in Heidelberg bestätigt: „Die Mittel des Bundes sind für den Spitzensport, für alles andere sind die Bundesländer zuständig.“ Die machen nämlich weitere Fördermittel für den Radsport locker.

    http://www.mainpost.de/sport/ueberregional/art20426,4808444

  17. @m.drabinski
    Es geht nicht um die Brandmarkung einer Sportart. Es ginge womöglich darum, einem Verband, der sich an eigene Regeln nicht hält (nicht nur mit Singen), der keinen einzigen Beitrag zur Aufklärung eigener Dopingverstrickungen geleistet hat, zu verdeutlichen, dass der Anspruch auf Steuermittel nicht automatisch existiert, weil dieses Land womöglich keinen Dopingsport möchte. Das würde wohl auch bei anderen Verbänden verstanden werden. Man muss ja nicht die gesamte Förderung streichen.
    Die Apokalypse, die Sie zeichnen, wird damit bestimmt nicht eintreten. Außerdem ist mir nicht klar, warum Sie „Kiffen“ bei Jugendlichen so viel schlimmer finden als Dopen und Betrügen?

  18. Herr Drabinski, seien sie mir Bitte nicht böse, aber den Unfug glauben sie doch wohl selber nicht? Oder sind die unorganisierten Leistungsradsportler in meinem Bekanntenkreis allesamt seltsame Ausnahmeerscheinung? Woher nehmen sie die Erkenntnis, dass mit „Konkurs“ des „Radsports“ die bisherigen Nachwuchssportler in Zwölferreihen auf den Schulhöfen nach Drogen anstehen? Müssen die dann alle ihr Rad und ihre sportliche Leistungsbereitschaft in Zahlung geben, wenn „der Radsport“ konkurs geht?

    Nun gut, wollen wir ihnen mal zu Gute halten, dass sie von einer zu befürchtenden Insolvenz des BDR ausgehen. Aber das lässt ihre Ausführungen m.E. auch nicht logischer erscheinen. Erstens glaube ich an eine solche Insolvenzgefahr nicht. Auch der DEB ist seinerzeit nicht in Insolvenz gefallen, und ich meine, es sollte doch einem halbwegs solide geführten Verband möglich sein, einen Fördermittelstop durch Ausgabenkürzungen aufzufangen. Schließlich sollten die Fördermittel nicht die einzigen Einnahmen sein, sonst könnten wir uns den Verband auch sparen.
    Und der BDR hätte manigfaltige Möglichkeiten, die Auswirkungen auf den Nachwuchssport gering zu halten: zum Beispiel durch Kürzungen nur im Profi- (und Erwachsenenamateur-) Bereich. Oder die Kürzungen durch eine Umlage unter den Mitgliedern aufzufangen.
    Apropos Mitglieder: Ich kenne mich im organisierten Radsport nicht aus, aber Mitglied im Bundesverband dürften doch in erster Linie selbstständige Landesverbände sein, die den Breitensport vor Ort, der Ihnen so wichtig zu sein scheint, größtenteils in Eigenregie gestalten und von einer Insolvenz des Bundesverbandes wohl eher nicht erfasst werden sollten (so sie halbwegs solide geführt werden, s.o.). Jedenfalls aber wird der einzelne Nachwuchssportler seinen Sport doch in einem eigenständigen Verein tatsächlich ausleben. Wieso sollten diese Vereine von einer Insolvenz des nationalen Verbandes tangiert werden?

    Und davon mal ganz abgesehen: so ein Bundesverband fällt ja auch nicht vom Himmel. Bezüglich irgendwelcher sportpolitischer Fallstricke müsste mich gegebenenfalls der Hausherr korrigieren, aber warum sollte so ein Bundesverband, sollte er tatsächlich in Insolvenz fallen _und_ aufgelöst werden, nicht durch einen neu gegründeten Verband ersetzt werden?

    Tod des Radsports, weil eine bisherige Subventionspraxis geändert wird, tut mir leid, aber bei sowas geht mir einfach der Hut hoch.

  19. sehen sie, herr sternburg, genau das ist das problem ! es haben sich in den letzten jahren viele zum thema doping im radsport geäussert, die garnicht wissen, worüber sie reden. auch sie geben zu, sich im organisierten radsport nicht auszukennen. somit ist eine sachliche analyse und erfolgreiche diskussion auch nicht möglich. mein beitrag von gestern war natürlich verkürzt und überhöht, war vielleicht eine kleine provokation. Genauso verkürzt und überhöht wird seit jahren in deutschland über den radsport berichtet (gottseidank nicht von allen). das hat u.a. dazu geführt, das radsportler selbst im öffentlichen strassenverkehr beleidigt und gedehmütigt werden. der radsport und seine besten (z.b. jan ullrich) wurden zum zeudonym für betrug und missbrauch in unserer gesellschaft. ja es geht hier,
    hr. weinreich, um die brandmarkung einer sportart, die überwiegend nur noch in negativ -berichterstattung stattfindet. machen sie bitte die eigene probe: z.b. sammeln sie bitte die sportberichte der berliner zeitung zum thema radsportes der letzten zehn jahre !
    es geht mir hier auch nicht allein um die mögliche entscheidung eines sportausschusses. es geht hier um die gesamtheit eines fluhrschadens, der alle ehrlichen radsportler (und ich kenne keine anderen) grundtief beleidigt.
    informieren sie sich doch mal vorort, und sprechen in einem radsportverein mit sportlern,übungleitern u. verantwortlichen über die gesamtproblematik, dann geht ihnen auch nicht mehr der hut hoch …
    bei aller gier nach aufklärungs-journalismus wurden grenzen das anstandes überschritten. wenn sie über den bdr sagen -„kein einziger beitrag zur aufklärung geleistet“, dann zeigt mir das, was sie sehen und was sie sehen wollen.

  20. Eine Frage, Herr Drabinski:

    Glauben Sie auch, daß Leute wie Meutgens und Treutlein dem Radsport schaden? Denen könnten Sie zumindest nicht vorwerfen, daß sie sich im organisierten Radsport nicht auskennen…

  21. Gut, wenn Ihnen „eine sachliche analyse und erfolgreiche diskussion“ über die Verwendung öffentlicher Mittel nur mit Personen möglich ist, die sich im organisierten Radsport auf Grund eigener Anschauung auskennen, dann lassen wir es halt. Schade eigentlich, aber ich kann damit leben.

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