Mit welchen Methoden arbeitet die Abteilung Sport des Bundesinnenministeriums, mit welchen Methoden arbeitet der Sportminister Wolfgang Schäuble (CDU), wie sein Sport-Staatssekretär Christoph Bergner (CDU/SV Halle), wie die so genannten Kontrolleure des Sports und des BMI-Sports, also die Umfaller und MdB’s aus dem Sportausschuss?
Stammlesern sind diese Fragen nicht fremd. Es sind Kernfragen in diesem Theater. Und das Theater geht weiter.
Am vergangenen Montag, zwei Tage vor der letzten Sportausschuss-Sitzung, teilte Christoph Bergner, Parlamentarischer Staatssekretär im BMI, dem Sportausschuss-Chef Peter Danckert (SPD/Pferdesportverband Berlin-Brandenburg/Nada-Kuratorium) mit, dass von Sportverbänden, die Dopingtrainer mit Steuermitteln beschäftigt haben, durchaus Geld zurückgefordert werden kann. „Kann sanktioniert werden“, schreibt er.
Zwei Tage später stellte Bergner den Sachverhalt in der öffentlichen Debatte im Bundestags-Sportausschuss allerdings anders dar und behauptete, es gäbe „keine Möglichkeiten“, Fördermittel zurückzufordern. Er sehe es als „nicht gerechtfertigt“ an. Komisch.
Hier ist übrigens der Brief von Bergner:
Hat Bergner die Wahrheit gebeugt? Haben Abgeordnete der Regierungskoalition, die den Brief kannten, wider besseren Wissens entschieden, als sie den Antrag der Bündnisgrünen, die u. a. eine unabhängige Überprüfung entsprechender Sportfördermittel seit 1991 (insgesamt in Größenordnungen von mehreren hundert Millionen Euro) gefordert hatten, kollektiv abschmetterten? Steht es in der Macht des Innenministers und seiner Sportabteilung, sich selbst von der Kontrollpflicht zu befreien und dauerhafte Verstöße über beinahe 20 Jahre zu bereinigen?
Am 15. Juni schrieb Bergner, dass die Zuwendungsbescheide des BMI für Sportverbände zum Teil schon seit 1982 Anti-Doping-Klauseln enthalten. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV), um dessen sechs Trainer es derzeit geht, habe vorbildliche Arbeitsverträge abgeschlossen, die ausdrücklich das Recht auf außerordentliche Kündigung bei Dopingvergehen enthalten. Interessant, dass Bergner einen siebten Fall erwähnt, allerdings nicht namentlich. Es folgt ein Bandwurmsatz:
In Bezug auf den DLV ist festzustellen, dass auf der Basis der Nebenbestimmungen der gegenwärtigen Bewilligungsbescheide eine Weiterbeschäftigung von Trainern, bei denen ein Verstoß gegen die „Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings“ des DOSB vorliegt und der DLV nicht die nach den Nebenbestimmungen vorgesehenen Konsequenzen zieht, sanktioniert werden kann.
Noch einmal: Zwei Tage später behauptete Bergner in der Öffentlichkeit das Gegenteil.
„Dieser Widerspruch ist völlig inakzeptabel“, kommentierte Grünen-Sportsprecher Winfried Hermann im Deutschlandfunk im Gespräch mit Herbert Fischer-Solms. „Schriftlich erklärt Bergner: Es geht. Mündlich erklärt er: Es geht nicht.“ Das komplette Interview:
Zur Information gern auch noch einmal die Stellungnahme von Martin Nolte.
Sportpolitisch und zuwendungsrechtlich birgt Bergners Brief enormen Zündstoff. Denn eigentlich müsste die Vergabe der Sportfördermittel überprüft werden, müsste der Verband wegen fortgesetzter Verstöße über einen Zeitraum von fast 20 Jahren sanktioniert werden. Das Parlament wäre in der Pflicht, eine solche Überprüfung anzuordnen. Doch der Antrag wurde abgelehnt. „Ein Allparteien-Kartell von CDU und SPD, bis hin zu FDP und Linken, ist nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen“, rügt Hermann.
Der Sportausschuss soll ein Kontrollorgan der Regierung sein. In der Leistungssportförderung müssen also vor allem das Bundesministerium des Innern, Minister Wolfgang Schäuble und die in Bonn angesiedelte Abteilung Sport kontrolliert werden – und natürlich auch die Sportverbände. Doch immer, wenn es ernst wird, wird es im Ausschuss schnell peinlich. Das mag vielleicht auch an den Vielfach-Funktionen zahlreicher Abgeordneter liegen.
Nur einige Beispiele:
- Sportausschuss-Chef Peter Danckert (SPD) sitzt im Nada-Kuratorium und leitete den Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg.
- Dagmar Freitag, Sportsprecherin der SPD, ist VIzepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und als solche in der Trainer-Diskussion und der Causa Goldmann sicher nicht befangen, da sie ja stets zwischen ihren Ämtern zu trennen weiß.
- Klaus Riegert, Sportsprecher der CDU, der die Aufarbeitungsversuche der Grünen vergangenen Mittwoch als „Blödsinn in Potenz“ bezeichnete, ist Vizepräsident des Schwäbischen Turnerbundes.
- Martin Gerster (SPD), der vergangenen Freitag bei einem Vortrag in Göttingen jammerte, BMI und der Sport „stellen uns nur ein Bruchteil der Informationen zur Verfügung“, ist Präsident des Deutschen Sportakrobatik-Bundes.
- Eberhard Gienger (CDU) hat einst selbst Anabolika eingenommen und ist dem Herrn Klümper noch immer dankbar. Ach, und ja, er ist Vizepräsident Leistungssport des DOSB.
Kommen wir nun zum Staatssekretär Christoph Bergner, der gern über Klamaukberichterstattung schimpft:
- Bergner ist Präsident des SV Halle. Dieser Großverein beschäftigt als Hauptgeschäftsführer den ehemaligen Stasi-Spitzel Klaus-Dieter Malzahn. Malzahn, alias IM „Olaf Bachmann“, bereitet in Halle gerade die Fusion mit dem Universitätssportverein (USV) vor. USV-Geschäftsführer Thomas Prochnow ist ebenfalls schwer belastet: Er hat in der DDR als Dopingwissenschaftler am berüchtigten FKS zum Thema „Doping und Lauf“ und die Wirkung des Hormonpräparats STS promoviert, allerdings als Thomas Ferkl. Er nahm später den Nachnamen seiner Frau an. Siehe auch.
Dies in Kurzfassung einige weitere personelle Stränge, die zahlreiche Fragen aufwerfen. Staatssekretär Bergner kann seine Geschäfte im Haupt- und Ehrenamt quasi bar jeder öffentlichen Kontrolle betreiben. Und er kann gewiss immer zwischen all den vielen Funktionen und Interessen trennen und unterscheiden.
(Varianten dieses Beitrages wurden im Deutschlandfunk und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht.)
Ralf Meutgens im dlf: Trainer ohne Vergangenheit? – Die Vorliebe des BDR für Doping-sozialisiertes Personal
bin ich da etwas naiv, oder könnte man zu Recht fordern, dass Parlamentarier, die im Sportausschuss die Sportverbände „überwachen“ sollen, nicht auch gleichzeitig in den Vorständen der selben Sportverbände sitzen dürfen ?
Das sind ja quasi Volksvertreter und Lobbyisten in einer Person. Interessenkonflikt, ick hör dir trapsen…
@ B.Schuss:
Können Sie nicht lesen?
Ralf, ich nehme an, das war ironisch gemeint, oder ? ^^
B.Schuss, ich nehme an, das war eine rhetorische Frage, oder ? ^^
@ B.Schuss: Ich denke, da kannst Du gar nicht naiv genug sein. Ich jedenfalls bin gern naiv, wenn es um Interessenskonflikte, pardon: „vielfältige Lebenssachverhalte„, geht.
(Bitte wenigstens den zweiten Link nachlesen/auffrischen, es lohnt sich!)
Die kleine Irritation mit Ralf ist ausgeräumt?
Prof. Helmut Digel: Der Kampf gegen Doping ist gescheitert
Pingback: doping
Ehrlich gesagt, mit dem DLF-Beitrag von Ralf Meutgens habe ich ein theoretisches Problem, das sich – da es sich um Radsport handelt -, allerdings praktisch auch wieder auflösen lässt.
Als Sportler zwangsgedopte Athleten fallen für mich nicht automatisch in die Kategorie „Belastete“. Beim DLV wären dann Bundestrainer wie Jürgen Schult, Ronald Weigel, Idriss Gonschinska zu nennen, die allerdings ihre Trainerkarriere nach 1990 begonnen haben. Sicher, „sozialisiert“, wenn auch unter Zwang, sind sie. Doch müsste erst der Nachweis geführt werden, dass sie diese „Sozialisation“ in den Trainerberuf übertragen haben … Das wäre der Schritt vom Opfer zum Täter. Den zu unterstellen, halte ich für fatal.
Im rundumverseuchten Radsport und angesichts der doping-auffälligen Profiställe, in denen einige aktuelle Bundestrainer zugange war, liegt allerdings die so verlängerte „Sozalisation“ näher als anderswo.
@Jens: danke, und ja, soweit es eine Irritation gab , ist die ausgeräumt. So sehr ich das Internet als Kommunikationsplattform schätze, so sehr vermisse ich aber auch hier und da die Möglichkeit, Gestik, Mimik, und Tonfall meines Gesprächspartners zu sehen/hören, umd bestimmte Aussagen korrekt/besser einordnen zu können.
Die zu Recht vielgelobten Feinheiten der Rhetorik gehen hier halt manchmal den Bach ( sic ) runter…^^
Jörg Winterfeldt in der WELT: Anstellung von Dopingtrainern gefährdet Bundeszuschüsse
Kürzung oder Streichung der Fördermittel ist m.A. nach die einzige wirksame Methode, um die Sportverbände in puncto Doping zur Räson zu bringen. Wer die schwarzen Schafe nicht aussortiert, und/oder keine funktionierenden Maßnahmen zur Dopingbekämpfung einleitet, bekommt die Fördermittel gekürzt oder gestrichen, knallhart. Das wäre meine Herangehensweise.
Wir haben in Deutschland weiss Gott genug Probleme, da muss man nicht noch hunderte von Millionen in die Förderung von dopingverseuchten Sportarten stecken.
Bergner-PM zum Besuch einer Elite-Schule des Sports:
Wie bisher und weiter also. PM des BMI in voller Schönheit:
http://www.bmi.bund.de/cln_104/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2009/06/schule_trifft_bmi_III.html
Glückwunsch.
Argh, Kommenare die nur einen Link enthalten werden wohl positiv spamgefiltert :(
Dann halt so…
Herzlichsten Glückwunsch!
Supi!
passt zwar nich 100% hierher, aber… wie aus ausschaut, geht ein drittel des diesjährigen GOA „information“ an den hausherrn…
in diesem sinne sage ich mal: herzlichen glückwunsch!
;-)
Da schließe ich mich an: Herzlichen Glückwunsch!
Aber weil es die Jury gerade anspricht: Wann kommt der Relaunch noch mal? :-)
auch meinerseits herzlichen Glückwunsch, weil absolut verdient!
Herzlichen Glückwunsch! :)
Finde ich gut, dass das noch immer nicht geänderte Layout (Jens, mach doch einen Vote, wenn du dich nicht entscheiden kannst) nicht den Preis irgendwie verhindert hat. Und wird nicht auch die Preisverleihung im TV gezeigt? Irgendwas war da mal…
Auch von mir: Herzlichen Glückwunsch!!
Schließe mich den Vor-Schreibern an. In einer Reihe mit Harald Schmidt und Käpt`n Blaubär – Respekt!
Liebe Jens!
Tiefe Verneigung vor Deiner Arbeit und der Entscheidung der Jury. Ja, das soll es geben: alles
richtig gemacht und trotzdem nicht zufrieden geben!
Weiter so!!
;-))
Alter, Du hast es verdient!
Lieber Jens,
wer hat den Grimme O. A. 2009 mehr verdient als Du?
Herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Erfolg.
Was das Layout betrifft: Wer verspricht sich nicht mal…..
Für mich sind Inhalte wichtiger als Verpackungen.
Gute Grüsse
Peter B.
Vesper im sid-Interview:
http://www.focus.de/sport/mehrsport/allgemein-national-springstein-hat-keine-zweite-chance-verdient_aid_411469.html
Noch bemerkenswerter finde ich eine andere Frage-Antwort-Kombination.
Klingt fast so, als ob im Taeter auch ein Opfer steckt. Jedenfalls ein bisschen. Die Macht der DDR ueber ihre Buerger scheint immer groesser zu werden, je laenger der Zusammenbruch der DDR zurueckliegt.
Hört denn dieses alberne Dopinggeschwätz nie auf,laßt den Sport in Ruhe.
Die Ursache für Doping liegt immer noch außerhalb der DDR als auch der BRD.
1990 war die Journaille schon mal weiter,geht alles nach 20 Jahren wieder von vorne los?
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=13499707&top=SPIEGEL
Das ist Doping III ,wo ist Doping II und I ?Find ich nicht.
@nocheinjurist
Und noch eindrucksvoller finde ich „die Macht der DDR“ über jene, die nie ihre Bürger waren …
Seinerzeit galt sie als interessantere „sozialökonomische“ Alternative zur Bundesrepublik, ganz kommod aus der Optik eines sicher im Westen sitzenden Grünen. Heute ist die Interpretation eher interessengesteuert: die Diktatur, die den Einzelnen in den Fängen hatte … Der Faden, der sich durchzieht, beschreibt das eigene Verhältnis dieser Musterdemokraten zur individuellen Verantwortlichkeit.
@ha: Ich dachte beim ersten Lesen, sie sprechen die Erklaerungen von Matthias Doepfner in juengster Zeit an. Grundtenor (ungefaehr): Der Springer-Verlag hat nur deshalb so einen schlechten Ruf, weil das von der DDR gesteuert wurde.
http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EF16BFBE40C7940E19F55F965E2E57FCB~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Er hat allerdings vergessen, welche ehemaligen IMs nach der Wende bestimmte Erscheinungsbilder beim Springer-Verlag weiter praegen durften, dann offiziell entlassen wurden und doch hier und da…
Zumindest bei Peter Dankert kann man nun jedenfalls nicht behaupten, dass in seine Nebentätigkeiten vom verantwortungsvollen Volksvertreten abhalten würde:
Der(!) Blickpunkt
Großartige Idee, diese Namensgebung: die Danckert-Abfahrt. Für alle, die sich’s bei klarem Ziel (Antidoping!) und Tempo 200 noch anders überlegen und problemlos die Kurve kriegen wollen.
apropos danckert — wer es sich antun will:
peter danckert im »sport am sonntag«-interview mit herbert fischer-solms
was er im einzelnen gesagt hat, hab ich schon wieder verdrängt — aber schmunzeln musste ich, als er auf die schöne aktion mit den auf den kopf gestellten umfallerbildern angesprochen wurde ;-)
Pingback: “Historische Hypotheken des deutschen Sports” : jens weinreich
Pingback: Detlef Parr (FDP) sagt beim Abschied laut Servus : jens weinreich
Pingback: Staatssekretär Christoph Bergner (CDU) über Doping und andere Ärgerlichkeiten : jens weinreich
Pingback: e - Petition
Pingback: Kwalae Verlag
Pingback: Der sportpolitische Komplex oder: Dopingmängel bei den Goldverbänden BSD und DESG : jens weinreich
Pingback: Was vom Tage übrig bleibt (60): Bundes-Spitzensportförderung, Sportsoldaten, Staatssport, Doping/Bremer/BDR : jens weinreich
Pingback: Deutschland: Bremser im internationalen Antidopingkampf : jens weinreich
Pingback: Dagmar Freitag sagt: “Sportausschuss soll weiter öffentlich tagen” : jens weinreich