Auch wenn ich mich wiederhole: Der nette Herr hier links heißt Kevan Gosper und gehört (noch immer) zu den wichtigsten Funktionären des IOC. Das Foto ist gewissermaßen ein historisches, denn ich habe den Australier im April in Peking auf einer Pressekonferenz geblitzt, als er – was er gern macht – sich wieder mal eingemischt hat, wenn Journalisten komische Fragen stellen. Er korrigiert dann gern.
Es war jene Pressekonferenz im China World Hotel, auf der Gosper versprach, Olympia-Berichterstatter würden in Peking freien Zugang zum Internet erhalten. Ist ja auch irgendwie selbstverständlich, die Bande (die Journalisten, meine ich) muss schließlich arbeiten, nicht wahr?
Es ist hoffentlich durch die Meinungsfreiheit gedeckt, wenn ich bekenne, dieses und andere moralische Versprechen nie geglaubt zu haben. Und es scheint, als sei ich nicht gänzlich an der Wahrheit vorbei geschlittert. Das sage ich, selbst wenn mich Kevan Gosper, Chef der IOC-Pressekommission, ab Freitag in Peking wieder mit Missachtung und Interviewblockade strafen sollte. Denn die Schlagzeilen von heute lauten:
- IOC knew about internet restrictions: The International Olympic Committee has admitted it knew China never planned to lift internet restrictions for journalists covering the Beijing Games, despite promises to the contrary. (AFP)
- Politische Recherchen unerwünscht: China bricht Versprechen des freien Internetzugangs für Journalisten (Tagesschau.de)
- IOC sagt ja zur Zensur: von wegen „völlig freie Berichterstattung“ – die Olympia-Veranstalter haben mitgeteilt, dass einige Websites auch für internationale Journalisten gesperrt bleiben. Das IOC hat zugestimmt. (taz.de)
- International Olympic Committee apologizes: we have „misled“ the press – Beijing admits that even journalists will be subject to restrictions on the internet. (AsiaNews.it)
- One world, one dream, one promise broken (ABC radio)
Erstaunlich klar für ein IOC-Vergehen titelte die Deutsche Presse-Agentur:
Ich weiß nur nicht, warum man Wortbruch mit Gänsefüßchen rahmt. Die dpa-Meldung beginnt so:
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sein Versprechen gebrochen, dass die 25.000 Journalisten bei den Sommerspielen in Peking „unzensierten“ Zugang zum Internet haben werden. Ohnmächtig akzeptierten die „Herren der Ringe“ am Mittwoch die chinesische Zensur des Internets. „Ich kann den Chinesen nicht sagen, was sie tun sollen“, sagte der Chef der IOC-Pressekommission, Kevan Gosper.
Ich weiß auch nicht, warum beim Thema Zensur Gänsefüsschen benutzt werden. Es ist Zensur, was denn sonst. Wie das läuft mit den Großen chinesischen Firewall und dem Projekt Goldener Schild kann man u.a. in der Wikipedia nachlesen.
Natürlich, jeder hätte es wissen können. Ich habe es bei zwei Peking-Aufenthalten selbst erlebt. Während die internationalen Webseiten von Reporter ohne Grenzen, Amnesty International oder Human Rights Watch blockiert waren, konnte man die deutschen Ableger der Organisationen, sofern vorhanden, meistens problemlos ansurfen.
Aber es geht ja nicht nur um die Sperrung von Webseiten und Inhalten, es geht auch darum, dass die Chinesen und dass das IOC den Berichterstattern unzumutbare Bedingungen bieten. Den Wortbruch müssen sich alle IOC-Funktionäre – von Präsident Rogge über seinen Vize Bach bis zu Gosper – vorwerfen lassen.
Wir leben im DSL-Zeitalter, wenn man den Berichten der Kollegen, die schon in Peking sind, glaubt, dann erinnert die Geschwindigkeit, mit der man in den Pressezentren und an den Wettkampfstätten online unterwegs sein kann, an Zeiten eines 14.400 kb-Modems (so eines hatte ich 1996 in Atlanta, um auf Compuserve die Nachrichten des Executive News Service zu saugen).
Das nächste Problem, dass unter dem Aspekt der Pressefreiheit nun ab morgen verschärft diskutiert wird, ist die Frage, wer die Hoheit über die Olympischen Bilder hat. Angeblich soll das TV-Signal, dass von einer IOC-Tochterfirma produziert wird, korrekt bei allen internationalen TV-Stationen ankommen.
Für das chinesische Staatsfernsehen aber geht das Bild noch eine Weile auf die Reise, vereinfacht gesagt: hoch ins Weltall, wieder zurück – die Zeitverzögerung von 30 Sekunden bis einer Minute nutzen die Zensoren, um missliebige Bilder und Töne mit Schwarzbildern, Rauschen oder Tonausfall zu killen. So habe ich das im April im China World Hotel auch auf CNN und der BBC erlebt.
Sogar O-Töne des IOC-Präsidenten Jacques Rogge wurden gekillt. Schon damals hat sich übrigens Kevan Gosper mächtig ins Zeug gelegt für die Pressefreiheit und solche komischen Sachen:
Das ist die Zensur. Da können wir nichts machen. Aber wir haben die feste Zusage, dass während der Spiele nicht zensiert wird.
Noch so ein abstruses Versprechen.
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Vereehrter Herr Weinrich,
hier wird wissentlich und voll beabsichtigt ein uraltes Thema zum Top-Thema gemacht. Schade nur, dass das alles nichts neues ist und jedem schon eine ganze Weile bekannt ist, dass in China gelegentlich Zensur herrscht: Nämlich genau dann, wenn westliche Medien mal wieder nichts besseres einfällt, als olle Kamellen aus den Archiven zu holen und mit vermeintlicher Aktualität zu versehen. Passend dazu wird natürlich ein Buhmann präsentiert, denn ohne einen Hauptschuldigen geht’s natürlich nicht. Bislang war das Bild-Zeitungs Niveau, aber seitdem der Spiegel dies auch in der pseudointellektuellen Szene hoffähig gemacht hat, darf das jetzt jeder. Jeder darf sich heuer einen Prügelknaben raussuchen. Das ist ja auch viel einfacher, als objektiv zu recherchieren, wie das mal üblich war im Journalismus.
Bei allem Verständnis für ihre Aufklärung in Sachen Meinungsfreiheit/Zensur vermisse ich eine objektive Sicht. Vergleichen sie mal seriös die Verhältnisse in China vor etwa 25 Jahren mit heute und sie werden feststellen, dass es nur noch wenige Gründe gibt, über China derart herzuziehen, wie sie das hier tun. Betrachten sie dann diese wenigen Gründe etwas näher und beschäftigen sich ernsthaft mit der chinesischen Kultur, würden sie evtl. Erklärungen finden und zu einer gewissen Einsicht kommen. Aber das wäre ja nicht interessant. Interessanter ist es wohl eher den Stammtischparolen Futter zu geben, wohlweisslich, dass das populärerer ist, als ehrliche, objektive Aufklärung.
Aber wirklich interessant scheint das Geschreibsel hier nicht zu sein, keine Kommentare. Nicht einmal andere Blogger (ausser eins zwei ewig pubertierenden Berliner Jungs) nehmen ihre Kampagne zur Kenntniss, gut so.
Sehr geehrter kodix,
schade, dass es nicht für so viel Recherche gereicht hat, meinen Namen richtig zu schreiben. Aber geschenkt. Geht schon in Ordnung, dass Sie die Kampagne, das Geschreibsel nicht so aufregend finden. Es geht ja auch erst los in Peking. Deshalb die ollen Kamellen.
Freundliche Grüße,
Jens Weinreich
@kodix: Worum geht Ihnen? Ein bisschen Diktatur hat noch keinem geschadet? Oder: Die machen immer so perfekt organisierte Spiele?
Also man sollte schon ansprechen, woran es hapert. Und das schöne an der Presse- und Meinungsfreiheit ist ja, dass man eine andere haben kann.
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