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Das Olympische Bildungsmagazin

Pyeongchang: Olympiafavorit für 2018

Münchens Bewerber für die Olympischen Winterspiele 2018 bekommen doch noch Konkurrenz: Das Nationale Olympische Komitee Südkoreas benannte in dieser Woche Pyeongchang zum Olympiabewerber. Der Favorit ist damit gegeben in einem Wettbewerb, der diesmal wohl ohne Vorauswahl durch das IOC auskommt: denn bisher gibt es nur drei Interessenten: München, Annecy in Frankreich und Pyeongchang, Bewerbungsschluss ist im Oktober.

So wenig Interesse gab es lange nicht: Für 2014 waren sieben Städte im Rennen, für 2010 sogar acht und für 2006 wenigstens noch sechs Bewerber. Diesmal muss das IOC nicht einmal einen Vorausscheid durchführen, bislang jedenfalls. In deutschen Medien wird mitunter noch über einen Schweizer Bewerber spekuliert – doch das Thema hat sich längst erledigt. Swiss Olympic wird sich nach drei schweren Niederlagen frühestens wieder für 2022 in Position bringen.

Kim Jin Sun, Gouverneur der koreanischen Provinz Kangwon, sagte am Rande der NOK-Hauptversammlung in Seoul: „Pyeongchang wird sicherstellen, dass es gewinnt.“ Dies ist durchaus als Drohung aufzufassen.

Dass München gegen eine Provinzstadt antritt; dass den Koreanern bei der Biathlon-WM im Februar organisatorisch keine Glanznummer gelang – das bedeutet gar nichts. Das vernebelt höchstens einigen deutschen Biathlon-Berichterstattern die Sinne, wie im Februar zu lesen und zu hören war, sportpolitisch aber ist es ohne Belang. Sollten die Koreaner im Juli 2011 auf der IOC-Session in Durban gewinnen, werden sie für jede Sportart die besten Experten aus allen Wintersportnationen einkaufen – und auch jene Sportarten akzeptabel organisieren, von denen sie keine Ahnung haben. Daran bestehen keine Zweifel. Das haben schon viele andere Olympiaausrichter geschafft. So läuft das Geschäft.

Pyeongchang bewirbt sich zum dritten Mal um die Winterspiele. Die Koreaner haben zwei Mal knapp verloren. Sie haben in all den Jahren immer nachgebessert, die Anforderungen des IOC erfüllt, hunderte Millionen Dollar in die Infrastruktur investiert und ihre Bewerbung stetig verbessert. Mal ungeachtet unsauberer Machenschaften: Soll das alles nicht zählen? Will man sie zum dritten Mal für nicht gut genug befinden? Schließlich die Frage der Fragen: Wie ernst nimmt das IOC die Berichte der Evaluierungskommissionen? Warum überhaupt die Prüfungstouren durch die Bewerberstädte, wie gerade im Wettbewerb um die Sommerspiele 2016, wenn am Ende doch andere Faktoren den Ausschlag geben?

Für die Spiele 2010 verlor Pyeongchang auf der IOC-Session 2003 in Prag gegen Vancouver, mit 53:56 Stimmen. Entscheidend war aber nicht die Klasse der Kanadier, sondern die Verstimmungen im koreanischen Binnenklima. Das behaupte ich sechs Jahre später, auch wenn ich es im Juli 2007 in meinem aktuellen Bericht anders gesehen habe: Hätte der inzwischen wegen Korruption aus dem IOC entschwundene Kim Un Yong damals auf seine Kandidatur als IOC-Vizepräsident verzichtet, hätte Pyeongchang gewonnen. Kim wurde daraufhin in der Heimat als Hauptschuldiger an der Niederlage gebrandmarkt und bekam (endlich) juristische Probleme.

Im Wettbewerb um die Winterspiele 2014 unterlag Pyeongchang im Juli 2007 in Guatemala gegen Sotschi, mit 47:51 Stimmen. Russlands damaliger Präsident Wladimir Putin und seine Oligarchenfreunde haben einfach mehr und brutaler in die Wahl investiert als die Koreaner mit ihrem mächtigen IOC Mitglied Lee Kun Hee, damals noch Chef des Samsung-Konzerns. Lee stieg sogar in die Bütt.

Der vielfacher Milliardär bat mit brüchiger Stimme: „Im Namen von 70 Millionen Koreanern, geben Sie uns die Spiele!“ Es war Lees erste Rede vor dem IOC. Die erste Rede in Englisch, wie seine Frau stolz bestätigte. Einem Mann wie Lee Kun Hee, dessen Erscheinung sowjetischen Parteibonzen wie Leonid Breschnew ähnelt, schlägt man eigentlich keinen Wunsch aus. Nicht in diesem bizarren Kreis des IOC. Denn Lee bittet nie einfach um etwas. Er kauft es. Korruption zählt in Korea zu den populärsten olympischen Sportarten. Damals gelang mir im IOC-Hotel übrigens ein Schnappschuss vom Sportkameraden Lee und seiner Gattin:

Ex-Samsung-Chairman Kun Hee Lee mit Gattin

Lee auf der IOC-Session in Guatemala 2007

Die Südkoreaner waren damals sportpolitisch extrem angeschlagen und zerstritten. Im letzten Moment hat sich IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch für Sotschi eingesetzt, die Russen flogen ihn ein, obwohl er zunächst gar nicht nach Guatemala kommen wollte, das brachte entscheidende Stimmen.

Zwei Jahre später haben die Koreaner ihre Schwächephase überwunden und sinnen auf Revanche. Samsung-Boss Der ehemalige Samsung-Chairman Lee finanziert die Bewerbung fast im Alleingang, während München größte Schwierigkeiten hat, Mittel aus der Wirtschaft zu akquirieren und sich über etliche Ecken wohl doch wieder vor allem vom Steuerzahler alimentieren lässt, obwohl behauptet wurde, 30 Millionen Euro würden komplett aus privaten Kassen kommen. Zur Finanzierungsfrage wird es nocht etliche Texte geben, keine Sorge.

Vor zwei Monaten wurde Park Yong Sung zum NOK-Präsidenten und der obersten Sportbehörde Südkoreas gekürt. Auch Park ist wieder erstarkt. Der Top-Manager des Doosan-Konzerns war einst wegen Korruption zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden und musste deshalb den Vorsitz im Judo-Weltverband und damit die IOC-Mitgliedschaft abgeben. Nun ist er zurück, rechtzeitig zur Olympiabewerbung. Kürzlich in Denver habe ich ihn schon beobachtet. Er weiß, wie sich Stimmen beschaffen lassen.

Lee Kun Hee, Park Yong Sung und nicht zu vergessen der ehemalige KCIA-Geheimagent Kim Un Yong: Sie alle wurden wegen Korruption verurteilt, mitunter mehrfach, saßen in Untersuchungshaft, hatten Hausarrest, flüchteten zeitweise ins Ausland, wurden begnadigt und wieder verurteilt – nichts besonderes, sondern normales Procedere in Südkorea. Alle drei aber – und das ist neu – raufen sich nun im nationalen Interesse zusammen: für Pyeongchang. Diese Allianz ist nicht zu unterschätzen.

Juan Antonio Samaranch Senior

Samaranch Senior beim Stimmen organisieren zählen in Guatemala 2007

Kim Un Yong war während der Sommerspiele 2008 in Peking Stammgast bei Samaranch Senior, der die Olympiabewerbung von Madrid 2016 puscht. Samaranchs Stimmenpaket von rund 30 IOC-Mitgliedern ist nach wie vor ein Pfund. Gelingt es ihm, die Sommerspiele nach Madrid zu holen, würde Olympia dreimal hintereinander in Europa ausgetragen: In London, Sotschi und Madrid. München wäre somit für 2018 eigentlich chancenlos und könnte seine Bewerbung einstellen.

Zum Abschluss noch eine rein kommentierende Passage, eine Meinungsäußerung, die auf zahlreichen Gesprächen mit unmittelbar Beteiligten und Insidern beruht:

Brisant ist die Konstellation auch deshalb: Treuer Gefährte von Samaranch und Kim ist seit langem der IOC-Vizepräsident und DOSB-Präsident Thomas Bach. Das UDIOCM unterstützte im Jahr 2001 per Unterschrift sogar Kims Kandidatur für den IOC-Vorsitz – für ihn damals, natürlich, ein „rein notarieller Akt ohne Bindewirkung“.

Bach könnte sogar von einer Niederlage Münchens profitieren, das – Achtung Floskel, aus gutem Grund – pfeifen in Lausanne die Spatzen von den Dächern. Damit könnten seine Chancen steigen, 2013 IOC-Präsident Jacques Rogge zu beerben.

Zum einen, weil es doch relativ unwahrscheinlich ist, zweimal in kurzen Abständen Olympiasieger zu werden (also in diesem Fall mit München 2011 und mit einer Präsidentschaftskandidatur 2013, die Bach ja nie bestätigt, aber auch nicht abstreitet). Zum anderen, weil Samaranch und Kim und all die alten Kampfgefährten, sich, wenn Madrid und Pyeongchang gewännen, mit ihren Stimmen auch bei Bach bedanken dürften.

Bei meinem Interview kürzlich in Vancouver hatte ich aus Zeitgründen leider keine Gelegenheit mehr, Bach dazu zu befragen. Er hätte sicher, wie immer, derlei Zusammenhänge ins Reich der Absurditäten verbannt. Nur werden derlei Hochrechnungen, die Bach stets von sich weist, von etlichen IOC-Mitgliedern und Verbandspräsidenten angestellt. Allerdings immer unter der Maßgabe des Quellenschutzes – offiziell schweigt man lieber.

Auch Münchens Olympiabewerber kennen diese Spekulationen – und nehmen sie sehr ernst. Sie können die Mechanismen der internationalen Sportpolitik nur berücksichtigen – aber nicht ändern.

11 Gedanken zu „Pyeongchang: Olympiafavorit für 2018“

  1. Ha, wie perfide, Jens! Gegen so ein ekelhaftes Image-Video wirkt dein Text natürlich gleich viel großartiger! :-)

    Nein, im Ernst: Ich finde, die Betrachtungen zur Vergabe von Olympischen Spielen und Olympischen Posten sind immer wieder deine besten Texte.

  2. Olympiatexte sind auch toll!
    Das Video finde ich auch toll, also wo kann ich mein Kreuz für Pyeongchang setzen?

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