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Das Olympische Bildungsmagazin

Wenn Fußballprofis jammern und über Politiker schimpfen

Nein, kein Jürgen Klinsmann heute. Passt hier nicht rein.

Dagegen, fürs Archiv, unkommentiert – nur mit einer Frage versehen, in kursiv – ein Meisterstück des deutschen Fußballjournalismus. Prosa vom Feinsten.

Vielleicht empfiehlt es sich, vorher noch diese Beiträge über eine Anhörung von DFB- und DFL- und Amateurvertretern im Bundestags-Sportausschuss zu überfliegen. Dann erschließt sich dieser Beitrag besser:

Politiker-Schelte durch DFB und Liga

Zwanziger fühlt sich abgebürstet, Liga-Chef Rauball beklagt Knüppel

von Rainer Kalb

Neuss (SID) Der Schulterschluss zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) hinsichtlich des neuen Grundlagenvertrages (2009 bis 2012) ist nach dem eindeutigen Votum des Außerordentlichen DFB-Bundestages unübersehbar.

Unüberhörbar war auf dem Forum am vergangenen Freitag in Düsseldorf aber auch die Wut der führenden Fußball-Repräsentanten, DFB-Chef Theo Zwanziger und Ligapräsident Reinhard Rauball. Selten haben die beiden höchsten Repräsentanten des deutschen Fußballs, beide ausgebildete Juristen und geschulte Diplomaten, solchen Klartext geredet wie im Congress Center.

Die Profis, die immerhin rund 35.000 Menschen Arbeit geben, vom Profi über den Trainer bis zum Zeugwart, Busfahrer und Bratwurstverkäufer im Stadion, diese Profis zahlen Jahr für Jahr 665 Millionen Euro Steuer (Saison 2007/08).

(JW: Ich habe diese behaupteten Zahlen oft gehört. Doch vielmehr interessiert mich eine saubere Steuerauflistung des gesamten Fußballs inklusive des Profifußballs, die diese 665 Millionen bestätigt, also ich meine: so eine richtig transparente Rechnung, mit Umsatzsteuer, Steuervergünstigungen, offenen und verdeckten Subventionen/Polizei- und Sicherheitskosten etc. pp. u.v.a.m.)

Die sogenannten Amateure, die ja auch auf ihre Art Profis sind, kutschieren Kinder zum Training und zu Spielen, organisieren Meisterschaften, lehren soziales Verhalten, stellen Schiedsrichter. Meist ehrenamtlich.

Kanzlerin Angela Merkel ist bei wichtigen Länderspielen dabei und sonnt sich im Erfolg der deutschen Nationalmannschaft, Vater Staat wirft dem Fußball Knüppel zwischen die Beine. Knüppel, die fast Baumstämme sind – so empfinden es zumindest die Fußball-Funktionäre.

Rauball benannte schonungslos, was ihn am meisten nervt. Da war die mangelnde Unterstützung der Politik im Kampf gegen das Bundeskartellamt, das klare Vorgaben für die Verhandlungen über die Bundesliga-TV-Rechte ab der kommenden Saison machte und die Verhandlungsposition der DFL deutlich einengte. Verlust: mindestens 20 Millionen Euro!

Da ist der Witz mit dem Verbot für Werbung für Internet-Sportwetten. Rauball: „Wir müssen unseren Vereinen mitteilen, sie sollen bestehende Verträge kündigen, damit sie sich nicht strafbar machen. Dann kommen der AC Milan und Real Madrid nach Deutschland und werben auf ihren Trikots für bwin.“ Von deutschen Behörden verhängte Bußgeldbescheide werden in Italien und Spanien belächelt und ignoriert.

Da ist der Kampf ums Werbeverbot für alkoholische Getränke. Rauball skeptisch: „Wir haben wir einen Kompromiss gefunden, aber wer weiß, wie lange der hält.“ Und da ist noch die Frage der Quellensteuer. Wenn Klubs an ihre ausländischen Profis Prämien bezahlen, sind die Steuerbehörden zu bequem, von diesem Geld die Steuern einzutreiben. Sie verlangen deshalb, dass die Vereine sie pauschal bezahlen. Auch eine Benachteiligung im internationalen Vergleich.

DFB-Präsident Theo Zwanziger seinerseits war erbost über die kürzlich erfolge Anhörung im Sportausschuss des Bundestages. Noch nie, betonte er, habe sich der DFB so „abgebürstet“ gefühlt wie an diesem Tag. Es ging um die Ansetzung eines Bundesligaspiels am Sonntag um 15.30 Uhr.

Einige Amateurvereine hatten lauthals protestiert. Ohne Wissen der DFB- und DFL-Vertreter waren auch Kritiker geladen worden.

Zwanziger: „Ich dachte bislang, Politik sei dem Gemeinwohl verpflichtet und müsse sich deshalb um Interessenausgleich bemühen. Wir im Fußball tun das jedenfalls, denn wir sehen die Gesamtheit. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Interessenvertretern, die nicht demokratisch legitimiert sind, eine solche Bühne verschafft wurde. Der Sportausschuss hatte an diesem Tag keinen guten Tag. Der Fußball ist nicht dazu da, dass über ihn der Wahlkampf der Parteien vorbereitet wird.“

Zwanziger und Rauball hätten sich gewünscht, dass sie Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, diese Aussagen ins Stammbuch hätten schreiben können. Aber der war zu dem Zeitpunkt, nachdem er im Medienzentrum noch hastig ein Stück Kuchen verspeist hatte, schon längst wieder entschwebt.

25 Gedanken zu „Wenn Fußballprofis jammern und über Politiker schimpfen“

  1. @Patrick Pricken:
    Genau dieses Zitat und diesen Gedanken wollte ich auch gerade schreiben (zumindest so ähnlich)!

    Ist ja auch ganz ganz bitterböse von den bösen Politikern da!

  2. Oh, ich hätte die Seite nochmal neu laden sollen! Drei Leuten fällt zeitgleich dieselbe Passage auf…

  3. Ralf, sonst kommt doch das Wortspiel darüber nicht so gut zur Geltung! (Ich war es natürlich nicht.)

  4. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Interessenvertretern, die nicht demokratisch legitimiert sind, eine solche Bühne verschafft wurde.

    Recht erheiternd, das von einem nicht demokratisch legitimierten Interessenvertreter gesagt zu bekommen. Leut, wenn Euch das so arg wehtut, wie die Volksvertreter mit Euch umgehen, dann geht halt naechstes Mal einfach gar nicht hin zu diesen Doofen Jungs. Ihr zahlt ja schliesslich, ganz im Gegensatz zum Rest Deutschlands, Steuern, da sind Exklusiv- und Sonderrechte ja wohl das mindeste, was man in einer anstaendigen Plutokratie verlangen kann.

  5. Wortspiele mit Namen sind doch verpönt, habe ich irgendwann mal gelernt. Und deswegen verzichte ich hier auch auf den Brechtschen Kalb-Marsch, damit sich ein großer Sportfachverband nicht schon wieder auf den rechten Flügel gestellt sieht.

    Hinter der Trommel her
    Trotten die Kälber
    Das Fell für die Trommel
    Liefern sie selber.

    Der gute Mann hat aber vergessen zu betonen, dass der DFB just einen Prozess gegen die Hartplatzhelden gewonnen hat und somit alleine über das Internet respektive Fußball.de Millionen mit den unsäglichen Werbe-Botschaften und Pop-Ups generieren darf.

  6. Ich dachte bislang, Politik sei dem Gemeinwohl verpflichtet und müsse sich deshalb um Interessenausgleich bemühen. Wir im Fußball tun das jedenfalls, denn wir sehen die Gesamtheit.

    Vielleicht hat Zwanziger auch sehr exklusive Definitionen von Gemeinwohl und Gesamtheit in seinem Duden gefunden. Auf jeden Fall ist er ein unglaublicher Demokrat.

  7. Danke, Christoph! Wieso hat dies während der DFB-Streitigkeiten mit dem Hausherrn niemand erwähnt? Oder habe ich das verpaßt?

  8. bei spox.com (aber scheinbar auch nur dort) hat es das ganze traktat sogar wortwörtlich zur veröffentlichung gebracht — lustig vor allem, wenn man sich nur die unterzwischenüberschriften anschaut.

    ich mag ja besonders die passage hier:

    Vater Staat wirft dem Fußball Knüppel zwischen die Beine. Knüppel, die fast Baumstämme sind

    da merkt man doch gleich, dass frühling ist — die metaphern stehen in voller blüte! der grobschlächtige zyklop, der „unseren“ tapferen kleinen helden wutschnaubend mit frisch gerupften bäumen bewirft… ein glück, dass odysseus polyphem damals™ ausgerechnet mit einem pfahl blendete — fußballdeutschland darf also doch noch auf ein happy end hoffen ;-)

    wahrhaftig:

    Prosa vom Feinsten.

  9. ich korrigiere mich… das handelsblatt hat es auch… und die „oberhessische presse“… und wer weiß noch alles…
    (auf verlinkungen verzichte ich mal ganz bewusst)

  10. Pingback: links for 2009-04-28 | Du Gehst Niemals Allein

  11. Wirklich ein unglaublicher Vorfall. Da lädt der Sportausschuß des Bundestages tatsächlich Leute ein, ohne sich das vorher vom DFB genehmigen zu lassen. Das sind Zeiten… Bei MV hätte es das nicht gegeben…

  12. Ich wünsche mir MV zurück.
    Da wurde es wenigstens offen ausgelebt, dass es sich bei dem DFB um keinen demokratischen Verband handelt.

  13. Pingback: Symposium an der Uni Göttingen: Übersetzungshilfe gesucht! : jens weinreich

  14. Stimmt gar nicht, dass die Fussballer ueber Politiker immer nur schimpfen. In Argentinien, einem Land, das immer mal Schwierigkeiten hat, seine Staatsschulden zu begleichen, bietet der Staat jetzt (mittelbar?) doppelt soviel fuer die Fernsehuebertragungen wie der bisher uebertragende Privatsender.

    http://online.wsj.com/article/SB125011159627327013.html

    http://newsticker.sueddeutsche.de/list/id/688581

    Ist auch juristisch inetressant, „Economic breach“ vs. „pacta sunt servanda“ sind zwei wunderbar unterschiedliche Sichtweisen, wie man Vertraege behandeln sollte.

    Vielleicht sind Fernsehvertraege ja wirklich kuendbar, wenn jemand mehr bietet? Und wuerde ein solches Staatsmodell, auf Deutschland uebertragen, die Bayern endlich aus der europaeischen Drittklassigkeit fuehren, die sie immer wieder beklagen?

  15. @nocheinjurist

    ein solches Staatsmodell, auf Deutschland uebertragen

    Na, das Staatsmodell gibt es hierzulande doch schon. Die Privatsender hätten die aufgerufenen Summen für die Bundesliga-Übertragungsrechte im freien Empfang jedenfalls nicht über Werbung refinanzieren können.

  16. @ Herr Holle: ;-). Scheint, als sei dem Fussball weder privatwirtschaftlich noch staatlich zu helfen.

  17. Pingback: Symposium an der Uni Göttingen: Übersetzungshilfe gesucht! • Sport and Politics

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