Die Idylle über dem Genfer See wird nur geringfügig gestört. Tom Tresser, einer der Aktivisten von No Games Chicago, hat vor dem Olympischen Museum, wo derzeit 92 IOC-Mitglieder den Präsentationen der Olympiabewerber 2016 lauschen, kiloweise Dokumente angehäuft.
Der Stapel mit mit den „Books of evidence – why Chicago should not be awarded the 2016 Olympic Games“ ist nicht ganz so hoch, wie die Latte, die der Hochspringer Javier Sotomayor vor Jahren bei seinem Weltrekord übersprungen hat (2,45 m) – und die man im Hintergrund sieht. Rechts von Tresser verschwindet übrigens das italienische IOC-Mitglied Mario Pescante zur Raucherpause aus dem Bild.
Immerhin, Chicagos Olympiagegner durften ihre Bücher, mehrere hundert Seiten dicke Sammelsurien von Zeitungsartikeln über Korruption in Chicago und Illinois, an die IOC-Mitglieder verteilen. Mit einem Wägelchen waren sie ins Museum gefahren, viele Sicherheitskräfte sind ohnehin nicht anwesend, man nimmt es lässig, und schon waren sie im Auditorium, wo gerade Chicagos Bewerber präsentierten. Okay, mag mich jemand ins Museum begleiten, damit ich endlich zum Thema komme?
Das nächste Bild, kein schönes, aber das ist egal, es dient nur der Dokumentation, ist im Museum aufgenommen. Hoppala, wer kehrt uns denn da den Rücken zu?
Klar, aufmerksame Leser wissen, wer das ist. Jean-Marie Weber, frischgebackenes assoziiertes Mitglied der Olympic Journalists Association (OJA). Jean-Marie gehört zur Familie, wie wir alle wissen. Ich spare mir jetzt, die Namen jener Offiziellen aufzuzählen, darunter einige deutsche Amtsträger und Hauptamtliche, die nett mit Jean-Marie plauschten. Das würde zu weit führen. Ich wiederhole nur: Er gehört zur Familie. Ob er auch zur journalistischen Familie gehört, ist ein anderes Thema, das international durchaus breit diskutiert wird. Die britische Sports Journalists‘ Association etwa hat meinen offenen Brief gerade veröffentlicht: „Olympic journalists in membership row„. Gianni Merlo, Präsident des Sportjournalisten-Weltverbandes AIPS, findet das auch ziemlich komisch, um nicht zu sagen: skandalös. Ich weiß nicht, ob er es nur skandalös findet, weil er mit OJA-Chef Alain Lunzenfichter (L’Equipe) schon viele Kämpfe ausgefochten hat, zuletzt bei seiner erfolgreichen Wahl zum AIPS-Chef. Egal, ich will das alles gar nicht wissen. Mich interessiert nur Jean-Marie Weber.
Jean-Marie sagt mir, er sei mir überhaupt nicht böse wegen meines offenen Briefes. Just business, you know. Ich habe meine Geschäfte zu erledigen, er seine. Vielleicht fliegt er die Tage noch nach Südafrika zum Confederations Cup der Fifa, dort könne man Hilfe gebrauchen, sagt er. Auf jeden Fall wird er im August in Berlin sein, bei der IAAF-Leichtathletik-WM. In der IAAF hat er viele Freunde. Wie überall.
Ach so, Jean-Marie sagt noch:
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine ehrliche Haut bin. Ich habe nichts zu bereuen. Ich habe nichts Illegales getan.
Er sei von Alain L. gefragt worden, ob er nicht Mitglied in der Olympic Journalists Association werden wolle. Er habe ja gesagt. Lunzenfichter sagte mir, sein Freund Weber habe ihm gesagt, er wolle ihm keine Probleme bereiten und nicht mir Mitglied sein. Alain sagte mir auch, Ende des Jahres soll es eine OJA-Versammlung geben, wo die Mitgliedschaft in der Organisation grundsätzlich zu diskutieren sei. Grundsätzlich wird schon diskutiert, und das ist auch gut so.
psst…, wolle Spiele kaufe…?
wenn´s nur nicht so ernst wäre.
JW in der SZ: Warten auf den Obama-Faktor
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