Die aktuelle Pressemitteilung einiger DDR-Dopingopfer vor dem Gespräch mit DOSB-Präsident Thomas Bach am morgigen Dienstag in Berlin:
DDR-Dopingopfer fordern: DOSB muss die historischen Hypotheken des deutschen Sports endlich annehmen und dabei zu verbindlichen Vereinbarungen kommen
Eine Gruppe von anerkannten DDR-Dopingopfern (Andreas Krieger, Uwe Trömer, Bernd Richter, Ines Geipel) wird am Dienstag, den 30. Juni 2009, in einem Gespräch in Berlin mit dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Dr. Thomas Bach, die aus ihrer Sicht dringendsten Themen zum Umgang mit der Dopinghistorie des deutschen Spitzensports besprechen und dabei auf verbindliche Lösungen drängen.
Die Anfang April diesen Jahres erfolgten Pauschalentschuldungen für fünf dopingbelastete Bundestrainer des Deutschen Leichathletikverbandes (DLV) waren auf den massiven Protest der Geschädigten getroffen. Ihre Begründung lautet:
„Diese Art anonymisierter Aufarbeitung nivelliert nicht nur die historischen Tatsachen, sie wird auch dem erlittenen Unrecht im DDR-Sport in keiner Weise gerecht“.
Nach Auffassung der Doping-Geschädigten ist im Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin „eine politisch durchsichtige, aber umso aggressivere Diskreditierung der Opfer von Seiten der Politik und des Sports im Gange.“
Sie weisen diese Verleumdungen entschieden zurück und verlangen, dass der Regression in der Aufarbeitung deutlich Einhalt geboten wird.
In der Frage der dopingbelasteten Trainer halten die ehemaligen Athleten ihren Protest aufrecht und verweisen darauf, dass eine Weiterbeschäftigung dieser Trainer nur in Betracht kommen kann, wenn sie ihren Aufklärungspflichten nachkommen und endlich konkrete Aussagen zum Tatgeschehen treffen, die der Überwindung der vorsätzlichen Schädigungen der Sportlerinnen und Sportler dienen.
Zugleich erinnern sie daran, dass die Verjährungsfrist bei zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen wegen Körperverletzung nach §199 Abs. 2 BGB grundsätzlich 30 Jahre dauert, gerechnet ab Begehung der Tat.
In das Gespräch mit DOSB-Präsident Bach gehen die früheren Athleten mit der Forderung nach einem gemeinsamen Treffen mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, mit dem DLV-Präsidenten Clemens Prokop sowie mit einem unabhängigen Juristen zur Klärung rechtlicher Fragen sowie zur Herstellung von Transparenz hinsichtlich der Arbeit der Steiner-Kommission des DOSB.
Gesprächsthema wird außerdem die rechtswidrige Mittelvergabe der Sportförderpolitik des Bundes sein, die im Juni des Jahres auch Gegenstand einer Petition des Dopingopferhilfevereins (DOH) geworden ist. Hier ist zu klären, ob eine Strafverfolgung der dafür Verantwortlichen wegen Untreue gemäß §66 StGB in Betracht kommt. In jedem Fall sei es politisch angreifbar, dass BMI-Staatssekretär Bergner erst kürzlich widersprüchliche Äußerungen hinsichtlich der Mittelrückgabepolitik gemacht hat.
Der DOSB hatte in seinem „Zehn-Punkte-Aktionsplan gegen Doping“ im Dezember 2006 angekündigt, DDR-Dopingopfer zu bitten, an der Dopingprävention mitzuwirken, denn niemand könne „glaubwürdiger als sie über die schlimmen Folgen des Dopings berichten“. Da der DOSB das Angebot der Doping-Geschädigten bisher nicht angenommen hat, fordern sie nunmehr die aktive Einbeziehung bei Planung, Durchführung und Evaluation von Anti-Doping-Aktivitäten des DOSB, etwa des seit einem Jahr angekündigten Forschungsprojektes zur Aufarbeitung der Dopinggeschichte Deutschlands. Des weiteren soll das Gespräch ergeben, wie die Möglichkeit einer speziellen Dopingopferrente gemeinsam in Angriff zu nehmen ist und wie eine unabhängige Doping-Präventions- und Beratungsstelle in Trägerschaft des DOH verwirklicht werden kann. Hier geht es darum, DOSB, Sportverbände und Stiftungen zu finanzieller Beteiligung und zu mehr Kooperation zu bewegen, um das Schadensvolumen des deutschen Sports projektiv und nachhaltig aufzufangen.
Nachtrag, 15.16 Uhr: Oh, der Herr Vesper (DOSB-Generaldirektor/Bündnis 90/Die Grünen) ist verärgert über die Pressemitteilung. Tja, er ist es gewöhnt, die Nachrichten zu bestimmen. Christian Klaue schreibt im Sportinformationsdienst u.a.:
Berlin (SID) Mit der Veröffentlichung eines Forderungskatalogs haben DDR-Dopingopfer vor einem Gespräch mit DOSB-Präsident Thomas Bach am Dienstag in Berlin (15 Uhr) den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verärgert. In einer Pressemitteilung, verbreitet von der Autorin und Literatur-Professorin Ines Geipel, hatte es zuvor geheißen: „Der DOSB muss die historischen Hypotheken des deutschen Sports endlich annehmen. Wir werden auf verbindliche Lösungen drängen.“
Der DOSB zeigte sich befremdet, dass vor einem internen Gespräch via Presse ein Forderungskatalog „auf den Tisch geknallt wird“, wie Generaldirektor Michael Vesper sagte: „Das ist kein Umgang miteinander. Es lässt befürchten, dass hier kein ernsthaftes Gespräch gesucht wird, sondern eine öffentliche Show inszeniert werden soll.“ (…)
Ich betrachte Vespers Behauptung, es werde „kein ernsthaftes Gespräch gesucht“ nicht nur als Nonsens, sondern als perfide. Politische Propaganda halt.
Nicht ganz unerwartet wird Vesper in der Nachrichtenagentur dpa noch garstiger zitiert:
Na und? Besser, als sich von Gesprächspartnern/Propagandisten vereinnahmen zu lassen.
…dass sich herr vesper als alter politikhase
ernsthaftdarüber echauffiert, dass öffentlich inszeniert und vor verhandlungen auch mal ein bisschen druck gemacht wird, ist natürlich ein treppenwitz… — ein grünes parteibuch garantiert eben noch lange nicht, dass etwas vernünftiges rauskommt, wenn man den mund aufmacht.wie verträgt sich herr vesper eigentlich mit seinem „parteifreund“ winfried hermann?
Was heißt hier: „inszeniert“? Agendasetting nennt man so was … Bekanntlich vonnöten, wenn Gespräche zielorientiert und konstruktiv verlaufen sollen, insbesondere Auftaktkonsultationen …
„Es lässt befürchten, dass hier kein ernsthaftes Gespräch gesucht wird, sondern eine öffentliche Show inszeniert werden soll.“ klingt wie eine Drohung dessen, der es äußert: Er möchte kein Gespräch suchen, sondern eine Inszenierung veranstalten. ;)
Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die PM der Dopingopfer diente sicherlich genau dem Zweck, dass eben keine „öffentliche Show inszeniert“ wird – mit Shakehands und Friedefreudeeierkuchen.
@ cf: Gute Frage. Schaut man sich an, was Hermann so treibt und fordert, können sie eigentlich keine dicken Kumpels sein. But who knows. It’s showtime, folks.
@ ha, stefan w., herrn holle: Ich glaube, nun ja, es geht hier um Kommunikationsherrschaft. Ich habe gelernt: „wenn sie die nicht haben, sind sie immer Verlierer“. Aber ich kenne mich da nicht so aus.
Herr Holle: Eben. Und ich wäre mal gespannt auf die Agenda des DOSB für dieses Gespräch. Ist wahrscheinlich Mangel an Phantasie meinerseits – aber mir fällt partout nichts Substanzielles ein, was da stehen könnte … Man wird sehen.
Immer diese unfairen DDR-Dopingopfer, die den Sportverbänden und der Politik immer nur Forderungen auf den Tisch knallen, unter Druck setzen und öffentlich inszenieren und so, immer!
Schlimm!
Pingback: Der Sport, die Politik, die Dopingopfer und der Bundesgerichtshof : jens weinreich
@JW: Warum lautet die Ueberschrift eigentlich nicht: „Dopingopfer fordern Sonderrente“? Ich hatte deren Wunsch nach Geld bisher noch nicht vernommen (mag an mir liegen), und ich hatte nach all den offenen und persoenlichen Briefen der letzten Wochen in Sachen Goldmann eigentlich instaendig gehofft, dass es NICHT um Geld geht. Sondern nur um Sozialkontrolle oder Auge-um-Auge, je nach Sichtweise.
Oder anders gefragt: Seit wann ist Ihnen das Rententhema bekannt?
@ nocheinjurist: Stricken wir Verschwörungstheorien? Die Ãœberschrift habe ich so gewählt, wie ich sie gewählt habe; sie werden mir bestimmt nicht glauben, dass ich die Rentenpassage als nachrangig empfunden habe. Musste auch jetzt zweimal lesen, um die Forderung zu finden, die – wenn ich mich recht erinnere – ja nicht neu ist, sondern seit Jahren diskutiert wird. Wurde nach den Einigungen 2006/2007 mit dem Sport und Jenapharm nur hintenan gestellt. Mir ging es zu keiner Zeit um das Thema. Dass einige Betroffene auch daran interssiert sind, war schon immer klar, das ist ihr gutes Recht, ich kann das verstehen.
That’s it. Aus meiner Sicht.
Habe ich dann Herrn Dankert bei der Gesprächsrunde im MDR mit Frau Geipel falsch verstanden? Wer sich normal anmeldet beim DOHV bekommt die Standardabfindung,wer auf Opferrente klagt bekommt diese nach gründlicher medizinischer Prüfung?
@JW: Ja, mal sehen, ob „wir“ stricken und wer von welcher Seite. Mal sehen, ob es am Ende doch nur einer der unendlich vielen, unendlich oeden Verteilungskaempfe im hochverschuldeten Deutschland war — dieses Mal in der Variante „weniger fuer die anderen, den dopingverseuchten Trainer, mehr fuer mich, das Opfer“.
Die Dramaturgie war jedenfalls die uebliche — Aufmerksamkeit erzeugen, persoenliches Gespraech erreichen, und dann — achja, wir haben es bisher nicht so deutlich gesagt in unseren Pressemitteilungen — reden wir doch auch ueber Rente.
Am Ende hat dann der Radio-Mitarbeiter das Gebuehren- und das Opfer das Steuergeld bekommen. Bin aber offen auf einen anderen Ausgang.
@ nocheinjurist: Was unverschämt ist, möchte ich gern auch so nennen. Dass Sie trotz Ihrer bemerkenswerten Intelligenz Schwierigkeiten haben, die Aufgaben von Journalismus, die Abläufe im Journalismus und den Grad der Unabhängigkeit, den sogar freie Journalisten in ihrer Themenwahl, in ihrer Recherche, bei der Produktion journalistischer Produkte in Blogs und bezahlten Medien, sowie in ihrer Meinungsbildung haben, einzuschätzen, hatten wir an anderem Beispiel schon einmal diskutiert.
Diejenigen, die in der von mir als Journalist beschriebenen Branche mit öffentlichen Mitteln hantieren und darauf ihr Leben bauen, sind andere, sie heißen u.a.: Pechstein (Bundespolizistein), Goldmann, Bergner, Parr usw. usf. – sie merken vielleicht, dass Dopingopfer nicht darunter sind.
Zur Sache, die sie kritisieren und zu der ich mir erst noch (wieder) eine Meinung bilden muss, hier zwei Texte:
BLZ, 13. März 2007
Dauerhilfe für Dauerschäden: Sportbund will Rente für Dopingopfer prüfen
BLZ, 13. Oktober 2007
Suche nach Klarheit: Rentenanspruch für Dopingopfer festgestellt
@ JW: Erstmal danke fuer die bemerkenswerten Links. Als ich etwas aus dem OEG verlinkt habe, habe ich mich auch gefragt — warum gibt es daraus eigentlich nicht die entsprechende Rente? Wikipedia klaerte mich auf, dass die Opfer entschaedigt werden, weil der Staat seine Schutzpflichten, die aus seinem Gewaltmonopol resultieren, nicht wahrgenommen hat. Das hatte die BRD allerdings vor 1990 auf dem Gebiet der DDR nicht. Dann habe ich die Radarschaeden-Entscheidung des BGH (wieder)gefunden.
http://www.juraforum.de/forum/archive/t-220657/bgh:-brd-haftet-nicht-f%C3%BCr-strahlensch%C3%A4den-fr%C3%BCherer-nva-soldaten
Die dortige Argumentation halte ich nicht fuer gelungen (keine Haftung der Bundesrepublik, weil a) keine komplette Rechtsnachfolge DDR-BRD und b) die unterlassenen Schutzmassnahmen der Vorgesetzten letztlich zu den Schaeden gefuehrt haben, und das koenne man der BRD nicht zurechnen), aber es ist hoechstrichterliche Rechtsprechung. Solch einen juristischen Gedankengang hatte ich auch hier vermutet, deshalb bin ich ueber den Inhalt der Artikel erstaunt.
Aber wenn ich es so lese — dann gibt es doch eine Rente. Insofern ist mir noch unklarer, was die Betroffenen nun im persoenlichen Gespraech gefordert haben, und warum. Und es sind ja weitere Wege angesprochen worden. Und dann haette es auch noch den zivilrechtlichen Anspruch aus 823 ff. BGB gegeben. Diesen Weg hat anscheinend niemand beschritten, obwohl der BGH den Geschaedigten bei der Verjaehrung gute Bruecken baut, um den Beginn der Verjaehrung spaeter starten zu lassen. Insbesondere dann, wenn man von Tatsachen erst spaeter erfaehrt.
Es haette viele Wege gegeben, die nicht gegangen wurden. Die Wege „BGB“ und „OEG“ fragen uebrigens nach dem Mitverschulden (allgemein ausgedrueckt). Und dazu haetten sich die Dopingopfer erklaeren muessen. Was sie dachten, was sie nehmen, wenn sie nicht darueber sprechen sollten. Mir ist aber die Problematik (in Ansaetzen) klar, dass man nicht den Taetern von einst gegenueber stehen will. Und fuer mich steht ausser Zweifel, dass Zwangsgedopte bis zum Erreichen der Volljaehrigkeit eine angemessene Ausgleichszahlung erhalten muessen.
Die Aufgaben von Journalismus habe ich, denke ich schon gut begriffen. Als Leser moechte ich gern moeglichst viel von der Wahrheit erfahren. Gern auch ausgewogen. Deshalb fand ich diesen Artikel von Evi Simeoni
http://www.faz.net/s/RubCBF8402E577F4A618A28E1C67A632537/Doc~EEEC81359BC68421A98B04E0717C1F0E5~ATpl~Ecommon~Scontent.html
auch bemerkenswert. Ohne Herrn Mantek zu kennen (und vielleicht nicht zu wissen, welche Punkte nicht angesprochen worden sind…) laeuft es bei ihm anscheinend anders: Er hat die Erfolge und die Privilegien genossen und die Risiken in Kauf genommen. Er kann die Privilegien nicht zurueckgeben und macht fuer die Risiken ebenfalls keine anderen namentlich verantwortlich. Ich habe gestaunt, dass Evi Simeoni diese Geschichte in die Haende fiel. Und nicht anderen, die Interessen der Dopingopfern nahestehen. Vielleicht haetten Leser auch gern erfahren, wie man als Betroffener sonst mit diesem Thema umgehen kann.
Meine Ergebnisvorhersage finden Sie unverschaemt? Warten wir das Endergebnis ab. Wenn es sich vorhersagen laesst, ist es mir wohl nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit in den Sinn gekommen… Ich sehe jedenfalls einen gewissen oekonomischen Druck fuer freie Journalisten. Und da an anderer Stelle mal das Thema Existenzgefaherdung angesprochen war, habe ich mal einige Punkte der Existenzsicherung angesprochen (ist es immer noch so, dass das oeffentlich-rechtliche Radio wsentlich besser zahlt als die Printmedien…?)
@ nocheinjurist
Nach dem Einigungsvertrag Anlage I, Kap.VIII, Abschn. III Nr. 18 Buchstabe c und g gilt das OEG in den neuen Bundesländern erst für Taten, die nach dem 02.10.90 begangen wurden.
Nach § 10a OEG ist jedoch eine Versorgung nach der Härtefallregelung möglich. Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein:
– MINDERUNG DER ERWERBSFÄHIGKEIT von mindesten 50 v.H. infolge der Schädigung
– BEDÃœRFTIGKEIT
-Wohnsitz bzw, gewöhnlichen Aufenthalt in Inland
Im Antragsverfahren sind zum Nachweis umfassende Unterlagen beizubringen. Urteile bzw. Benachrichtigungen der Staatsanwaltschaft über eine Einstellung des Verfahrens nach Zahlung einer Geldbuße. Medizinische Unterlagen, Befunde etc, die Auskunft über den kausalen und oder zeitlichen Zusammenhang der Tat und der geltendgemachten Schädigung.
geben.
Sorry, hab das Verb vergessen.
@ AKUK: Jens Weinreich hatte Grit Hartmann verlinkt, die Stand 2007 und Rechtslage recht gut zusammenfasst.
https://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0313/sport/0017/index.html
OEG hat auch so etwas wie eine Mitverschuldensklausel. Damit stehen Dopingopfer vor zwei Problemen: Den Nachweis zu fuehren, dass die 50 prozentige Erwerbsunfaehigkeit auf Zwangs(!)doping zurueckzufuehren ist. Und die Frage zu beantworten, wieviel sie wussten, als sie aelter wurden. Sind zwei sehr hohe Huerden, die erste noch schwieriger zu ueberwinden als die zweite.
Achja, EV hatte ich auch gefunden, wollte damit aber nicht zu sehr langweilen.
nocheinjurist,
also, das würde mich jetzt doch mal interessieren: Sitzen Sie vielleicht im Bundestag? Das ist der Ort, wo noch nicht angekommen (oder schon wieder vergessen worden) ist, was Zwangsdoping zwangsläufig einschloss – nämlich keinerlei Information über die Folgen – und dass sich daraus laut BGH der Unrechts- und Opferbegriff für diese Form der Kriminalität ableitet.
Die 50prozentige Erwerbsunfähigkeit ist tatsächlich eine Hürde, aber weniger, weil man die Folgen des Zwangsdopings nicht kennen und im Einzelfall nachweisen könnte, sondern nach meiner, ich gebe es zu, nicht ganz zuverlässigen Kenntnis eher, weil man dafür schon fast im Rollstuhl sitzen muss.
@ ha: Nee, ganz ehrlich: Sitze nicht im Bundestag. Leider, denn da kriegt man nach relativ kurzer Dienstzeit eine unangemessen hohe Rente. Und darauf, zugegeben, bin ich neidisch.
Einige Sachen haben sich bis zu mir herumgesprochen. Keine Sorge. Ewald verantwortlich fuers Zwangsdoping — okay. Die Sportler, die Stillschweigen bewahren mussten, deren Leistungen sich schnell entwickelten, deren Koerper sich veraenderten, dachten, das sei total gesund – ?? (Lesen Sie mal ueber Herrn Mantek in der FAZ, beschrieben von Evi Simeoni.)
Mitverschulden ist etwas Individuelles. Und deshalb auch individuell festzustellen. Ich habe nicht gesagt, dass das Mitverschulden einen Anspruch im konkreten Fall ausschliesst. Aber die Fragen, die heute jedem Sportler hartnaeckig gestellt werden (was tust Du mit Deinem Koerper, was weisst Du), darf man auch den Spitzen-Sportlern von damals stellen, oder? Damals komplettes Zwangs-, heute komplett freiwilliges Doping, das scheint mir zu schlicht.
Mich irritiert, dass bundesdeutsche Sportler, die jetzt vors Mikrofon kamen, alle Bescheid zu wissen schienen, was sie da nehmen. Aus Russland, Polen etc. vernehme ich keine aenhliche Diskussion wie aus Deutschland (mag an mir liegen, oder daran, dass es ein solches System nicht gab). Und bevor Sie mich als boesen Buben brandmarken — ich frage nur, was der Richter auch fragen wuerde. Im Verwaltungs/Sozialprozess. Oder im Zivilprozess, sofern es die Gegenseite vorbringt.
Ja, und zu den 50 Prozent — ich fuerchte, die kriegt nicht mal jeder im Rollstuhl. Als Journalist, zB, koennte man immer noch mit einer Hand telefonieren und mit der anderen mitschreiben…
nocheinjurist,
verstehe, dass man so fragen kann. Wenn Sie aber nicht im Bundestag sind, dann aus dem Westen. Das ist nur insofern wertend gemeint, als dass dann einigermaßen unvorstellbar ist, was es für den Zugang zu Information bedeutete, in der geschlossenen Gesellschaft DDR zu leben.
Faktischer:
a) Es gibt keine einzige Unterlage, kein einziges Dokument aus dem DDR-Sport, aus dem hervorginge, dass erwachsenen Athleten gesagt worden wäre: Nehmt das mal, es kann aber diese und jene Schäden verursachen. Das wusste auch Frank Mantek nicht. Es ist aber entscheidend für den Opferbegriff – und zwar juristisch. Nicht moralisch. Da kann man wohl „differenzieren“, bekanntlich tun das ja z.B. die LA-Trainer, der DLV, und Bundestagsabgeordnete – all jene also, die ein stärkeres Interesse daran haben, juristisch festgestellte Kriminalität, also entsprechende Urteile, zu vernebeln.
b) Wann ist das erste Mal weltweit über Doping debattiert worden, wann ist, was das anrichtet, ins öffentliche Bewusstsein gedrungen? Ben Johnson 1988, und die Folgen, die Dubin-Kommission in Kanada. Berendonk, die 1967/68 in der alten Bundesrepublik Gesundheitsschäden angesprochen hat, war hingegen Indiz, wie stark selbst in einer Demokratie die Verdrängungsbereischaft ist. Die Fälle Dressel und Munzert ebenso.
Aber: Was davon konnte wohl bei einem DDR-Athleten ankommen, im Bereich Leistungssport, der geschlossenste in dieser geschlossenen Gesellschaft DDR?
@ ha: Kleine Korrektur, kann passieren: Andreas Münzer war der Bodybuilder, der elendig verreckte, das darf man wohl so sagen. Eberhard Munzert war mal DLV-Präsident.
Oje.
noch an nocheinjurist,
will ja gar nicht verhehlen, dass es schwer fallen kann, diesen Opferbegriff immer im Auge zu haben. Selbstverständlich wussten auch erwachsene DDR-Athleten (nicht alle, aber wohl einige), dass die Blauen Vorteile bringen, weil sie die Leistung steigern. Ob sie in der Lage waren, zu reflektieren, dass es Sportbetrug war, ist schon wieder zu bezweifeln. Einer der Standardsätze lautete: „Nehmt das, das nehmen alle.“
Unmündigkeit war gewollt und wurde, gerade im Sport, ziemlich wirkungsvoll anerzogen.
Aus diesem Konglomerat und seinem Fortwirken wird auch verständlich, dass so viele frühere Spitzenathleten, die Medaillensammler, bis heute ihre Dopingeinnahmen leugnen – selbst wenn die mehrfach belegt sind. Sie wussten damals vielleicht, dass es Leistung steigerte, heute wissen sie, auf welchem Betrug ihre Erfolge basierten. Einer, der seine Identität aus der einstigen Star-Existenz zieht, wird niemals ins Selbstbild integrieren können, dass er sich zum unmündigen Objekt hat machen lassen und auch (!) dieser Tatsache seinen Ruhm verdankt.
Ändert nichts am Opferbegriff, dem juristischen. Aber auch mir fällt es schwer, den für derart professionelle Leugner wie Marita Koch, Marlies Göhr usw. aufrecht zu erhalten. Finde dennoch, das muss man.
Dazu: Solange mit einigem Kalkül verwischt wird, wer Täter und wer Opfer ist, ist es so gut wie unmöglich, die Debatte „Wer wusste was“ aufrichtig zu führen. Selbst die sogenannte DDR-„Aufarbeitung“ kennt ja nur Opfer und Täter. Sie verkennt, dass die DDR viel mehr Mitläufer hatte als Opfer und Täter. Insofern haben Sie recht, wenn Sie individuelle Verantwortung ansprechen – es gibt kein System, das einen daraus entlässt. Ob man diese Verantwortlichkeit wahrgenommen hat, macht in der Regel den Unterschied zwischen Tätern und Mitläufern auf der einen Seite und Opfern auf der anderen.
Der DDR-Sport war aber tatsächlich besonders: Hier, und mir fällt auf die Schnelle kein anderes Feld ein, wurden unzählige Minderjährige, auch später Ahnungslose zu Opfern gemacht – und ebenso die Mitläufer. Denn kein einziger ist jemals über das gesundheitliche Risiko informiert worden, geschweige denn, vor die Wahl gestellt, ob er es in Kauf nehmen möchte. Körperverletzung mit Einverständnis gab es nicht.
Darin liegt, nocheinjurist, womöglich ein Teil Ihres Missverständnisses: Vielleicht verwechseln Sie Opfer mit Heldenhaftem, Widerständigem? Manche, die gegen Widerstände zur Aufklärung beigetragen haben, haben sich davon im Nachhinein etwas erarbeitet. Das glaube ich schon. Für mich erfüllt sich darin so etwas wie der, wenn Sie so wollen, moralische Teil des Opferbegriffs.
Darüber wirklich differenziert zu sprechen, das scheint nicht möglich. Und ist auch tatsächlich nachrangig, wiederhole mich damit, so lange die öffentliche Debatte, und selbst Bundestagsabgeordnete, noch nicht einmal klar zwischen Opfern und Tätern unterscheiden kann.
Da auch Minderjährige kontrolliert werden, könnten auch Nachwuchssportler positiv getestet werden?
Wer wäre dann verantwortlich (bzw. könnte verantwortlich gemacht werden).Ist auch der minderjährige Leistungssportler dafür verantwortlich, was in seinen Körper gelangt?
Bevor es falsch rueberkommt: Minderjaehrige Zwangsgedopte sind Opfer. Habe ich nie anders gesehen. Als Ossi hab ich mich auch schon mal geoutet, wenn auch widerwillig, weil nicht zielfuehrend. Vor der Abizeit wollte man mich von den nicht leugenbaren Vorzuegen der sozialistischen Demokraite ueberzeugen. Beim Abi war dann die FDGO schon das unverrueckbar Beste, dessen Grundstrukturen nicht wirklich hinterfragt werden sollten. Teilweise (!)von denselben Lehrern. Kontakte habe ich keine mehr, aber mich wuerde schon interessieren, welcher der heutigen Beamten sich noch als Opfer der DDR-Zeit sieht.
Zur Sache: Vielleicht habe ich mit dem Schwarz-Weiss-Sehen meine Probleme, wie es bei den moralischen Kategorien Taeter vs. Opfer intendiert ist. Sie haben als Grauzone die Mitlaeufer eingefuegt. Sie haben vergessen, dass Rollen wechseln koennen. Dass sich die innere Einstellung aendert, dann das Verhalten. Ich erinnere mich an Spitzel, die spaeter selbst bespitzelt wurden. An eine Partei die 2 Millionen Mitglieder hatte, aber auch Austritte und Ausreisende, und von der sich in der Wendezeit schnell 80 oder 90 Prozent verabschiedet hatten. Einige waren enttaeuscht ueber ihre Partei. Opfer? Ich erinnere mich an Sportler, die Vorteile genossen haben, Parteimitglieder wurden, Erfolge hatten. Und ich kann mir auch vorstellen, dass man bereit war, einen Preis zu zahlen, nur die ungefaehre Hoehe nicht genau kannte. Opfer?
Ein Kalkuel liegt bei mir nicht zugrunde, jedenfalls keines, die Opfer zu demuetigen. Als Jurist (besuche erst seit Jens ./. Theo diese Seite regelmaessig) macht man sich bei jedem Fall Gedanken um das Mitverschulden. Deshalb frage ich. Und ganz allgemein interessieren mich „Mitmachsysteme“. Wie alle erst denken, sie duerften bei einer Sache zum eigenen Vorteil nicht aussen vor bleiben und nicht aufhoeren, weiter am Rad zu drehen. Und wenn das Mitmachsystem stirbt, schnellt die Opferzahl in die Hoehe. Waehrend man von denen, die bei der Funktionsweise eines Systems (Hartz IV, Schuldeneintreiber etc.) wirklich unter die Raeder kommen, gar nicht spricht.
(Kleiner Exkurs: In den letzten Wochen habe ich mich immer gefragt, wer einen Opferstatus reklamiert haette, wenn eine oder mehrere Banken wegen Lehman Brothers wirklich insolvent gegangen waeren. Die Kassiererin — die ist vielleicht wirklich ein Opfer. Anlageberater — naja, die bekommen ihre Anweisungen sicher von oben. Von der Researchabteilung? (bin kein Banker). Die Anlageexperten — „damit konnte keiner rechnen, jeder hat ja diese Papiere gekauft“. Vorstaende und Aufsichtsraete wissen sowieso und immer recht wenig. Also — Taeter waere wer gewesen? (Die Sparer, die mehr als 20.000 Euro auf einem Konto deponiert haetten, denen wuerde ich auch Mitverschulden unterstellen, die 20.000er-Grenze ist fast allgemein bekannt.))
Der Unterschied besteht also graduell und laesst sich auch in Prozenten ausdruecken: Ihre Mitlaeufer sind meine Mitmacher, was ein bisschen aktiver klingt. Und die Opfer beschraenke ich auf jene, die (ab Volljaehrigkeit oder mit 21 — dass die sozialistische Persoenlichkeit nicht in Reflektion geschult wurde, sehe ich auch so — ) auf Vorteile verzichtet und Nachteile bewusst in Kauf genommen haben. Und die Minderjaehrigen Zwangsgedopten, wie gesagt.
Und dann die Akten, das Lieblingsthema von Historikern und Journalisten. Ganz allgemein gefragt: Enthalten Akten alle Informationen, und woran erkenne ich es? Sind alle Informationen zutreffend? Angenommen, ein Arzt/Trainer haette einen Sportler darauf hingewiesen, welche Konsequenzen es hat, und das auch noch niedergeschrieben. Mit Sport haette er danach kaum mehr etwas zu tun gehabt, Westreisen waeren auch gestrichen („wer weiss, wem er’s vorher erzaehlt hat und wem er es alles noch erzaehlen will…“) – schlicht unzuverlaessig. Sie suchen in den Akten also den Beweis, mit dem sich ein Arzt/Trainer aus dem Geschaeft und vielleicht ins Gedaengnis gebracht haette – Sie suchen (und fordern von den Akten) etwas Unmoegliches.
Habe auch mal fuenf Seiten Stasi-Opferakten gelesen, und da war in jedem dritten Satz ein Fehler. Name falsch geschrieben, falsche Verwandschaft/Freundschaftsbeziehung (konnte ich nachvollziehen, weil ich das Umfeld des Opfers kannte), oder auch Lueckenfuellung durch Erfindung (muss ich dem Opfer glauben). Das eine ist, ob man das Leben der Anderen nochmal als Geschaeftsmodell verwertet. Aber vollstaendig und richtig, das ist wohl ne Illusion. Auch, was das Schweigen ueber Vorgaenge betrifft: Aus dem Nicht-Geschriebenen kann man nicht aufs Nicht-Vorhandene schliessen.
Geschlossene Gesellschaft — erstmal, es war nicht Nordkorea, es war nicht Myanmar, und es waren nicht mehr die 50/60er Jahre. Es gab verschiedenstes Fernsehen in Deutsch. Es gab, so hat es Andreas Krieger beschrieben, auch Eltern, die kritisch hinterfragt haben mit der Folge, dass die Kinder keinen Leistungssport mehr machen durften. Es war in der geschlossenen DDR-Gesellschaft nicht bekannt, dass regelmaessige Medikamenteneinnahme nicht gesund ist, zumeist auch dann nicht, wenn man eine chrosnische Krankheit hat (oder ne unbekannte Bluterkrankung…)? Dass es fast immer Nebenwirkungen gibt?
Und noch ein Schlusssatz (sicher sind schon 90 Prozent ausgestiegen, wie Untersuchungen bei langen Zeitungstexten nahelegen): „Was wusstest Du“ ist auch deshalb schwer zu ergruenden, weil es jetzt auch fuer die Opfer um etwas geht. Um die von JW nur am Rande erwaehnte Rente. Es geht um Geld, und das war noch nie eine gute Voraussetzung fuer das Auffinden der Wahrheit.
nocheinjurist,
glaube ja an so etwas wie Aufklärung, das kann auch manchmal ein Fehler sein.
Sie sind Jurist – und akzeptieren nicht, was der BGH fürs Zwangsdoping festgestellt hat?
Zu Ihrer Meinung, denn Fakten fehlen gänzlich:
Interessant, dass Sie „auch mal fünf Seiten Stasi-Opferakten gelesen haben“. Erstens würden Sie staunen, was auf den paar anderen Seiten, auch der Täter-Akten (Sportmediziner zumeist), doch so alles steht. Zweitens gibt’s aus dem DDR-Leistungssport genügend andere Unterlagen. Man kann sie in Büchern nachlesen, falls es Sie wirklich mehr interessieren sollte als die,
Es wird Ihr Missfallen erregen, aber da wir über einen Vorgang sprechen, wo das „Unter-die-Räder-Kommen“ juristisch bereits bewertet worden ist, kann man das so deutlich sagen: In all diesen Unterlagen steht nichts über Körperverletzung mit Einverständnis. Und, viel trister: Auch kein Sportler, kein Funktionär, kein sonstiger Beteiligter, nicht einmal der hartgesottenste Verteidiger des Sportwunderlandes, hat jemals behauptet, was Sie nahezulegen versuchen: dass es eine Information über „Nebenwirkungen“ gegeben hätte oder darüber, dass die sich (wie Ärzte und Funktionäre wussten)zu veritablen Gesundheitsschäden auswachsen würden.
@ nocheinjurist
Sie fischen nicht nach Komplimenten, aber von mir bekommen sie eins. Ihr Versuch, einer komplexen Betrachtung ist zweifelsfrei subjektiv und lückenhaft, aber führt uns deutlich das Dilemma vor Augen. Da gibt es nichts drumherum zu reden.
Schade, dass sich nicht diesen Wahrheiten gestellt wird. Vielleicht ist es einigen Wortführern dann doch zu kompliziert und der Öffentlichkeit ohne unübersehbare Folgen zu schwer vermittelbar.
herbert,
juristisch existiert kein Dilemma. Da hat, wer Opfer und wer Täter ist, in Urteilen seinen Niederschlag gefunden. Das sind also keineswegs „moralische“ Kategorien.
Das muss man schon vor Augen haben. Und kann dann, und dagegen ist nicht das Mindeste einzuwenden, über Moralfragen (Mitläufer oder Mitmacher, ein guter Begriff) streiten. Dann darfs auch gern kompliziert werden.
Aber erst dann.
nocheinjurist,
und da Sie sagten, Sie interessieren sich für „Mitmach-Systeme“ – die interessieren mich auch. Es gibt, so sehe ich es, eine wesentliche Differenz zwischen den beiden deutschen Mitmach-Systemen der Vergangenheit. Das erste basierte auf emphatischer Begeisterung. Das zweite hat das Mitmachen erzwungen, über 45 Jahre hinweg. Dafür steht u.a. diese Truppe, die diese fünf Seiten produziert hat, die Sie gelesen haben … U.a. deshalb ist das zweite anders beendet worden als das erste, nicht mit einer Niederlage der Mitmacher, sondern über die Emanzipation vieler Mitmacher.
Zwar neige ich auch zu vereinfachenden Vergleichen und finde deinen, ha, durchaus auch attraktiv, aber von der Art einer Gesellschaft auf deren Ende zu schießen, gelingt seltsamerweise immer nur dann, wenn man das Ende schon kennt.
Stimmt, arnesen. Ist von hinten betrachtet.
Nur passen hier Art und Ende jeweils recht gut zusammen.
Und, arnesen,
zur Substanz oder Nicht-Substanz dieses vereinfachenden Vergleiches schlagen sich Wissenschaftler seit beinahe 20 Jahren nicht nur ein Buch ums andre um die Ohren; noch dazu beratschlagen Kommissionen, werden Foren, Konferenzen veranstaltet usw. usw. Sie alle drehen sich darum, ob die DDR eine „Konsensgesellschaft“ war. Bin tatsächlich der Meinung, dass zumindest das ganz einfach ist: Das Dritte Reich war eine. Die DDR war keine. (Auch nicht im Sport, um mal kurz aufs Thema Zwangsdoping zurückzukommen.) Was nicht nur ihr Ende zeigt. Interessant wird die Debatte aber erst bei der Frage, wie dennoch Konsens hergestellt wurde, wie der beschaffen war und wie nicht und vielleicht sogar: was davon warum nachwirkt. Würde aber, wie andere hier auch gern sagen, zu weit führen für die Zeilen eines Blocks.
@ ha: Ich wollte Sie nicht aggressiv machen. Bin halt nicht aktenglaeubig geworden in den letzten Jahren. Weder durch das Lesen von Stasi-Akten. Noch durch die Art, wie bei einem Regierungswechsel Akten vernichtet werden (nur persoenliche, ich weiss…). Mein Eindruck (aber wie soll man den mit Fakten unterlegen, gibt ja keine Akten) ist, dass es mehr Undokumentiertes als Dokumentiertes auf der Welt gibt. Oder das Dokumentierte nicht verfuebgar sein wird. Fragen Sie doch mal Geschichts-Studenten, wie die methodisch diesen Konflikt aufloesen. Oder gucken Sie sich ein bisschen auf der Welt um. Viele Kulturen versuchten, etwas an ihre Nachfahren weiterzugeben, aber koennen wir 1000 Jahre spaeter etwas damit anfangen? Lueckenhaftigkeit gehoert zum System, und wenn Sie bemerkt haben, wie schnell die Rosenholz-Datei nach Amerika wanderte, dann haben Sie vielleicht einen Eindruck, wie lueckenhaft Akten sein koennen. Sie denken wirklich, wie Sie die DDR beschrieben haben, dass ein Mediziner haette sanktionsfrei dokumentieren duerfen, dass er den Athleten aufgeklaert hat?
Der BGH hat einen Strafrechtsfall entschieden, keinen Rentenfall, keinen Zivilrechtsfall. Die Bewertungsmassstaebe sind andere, auch bzgl. der Dinge, die Leute wussten (Mitverschulden). Das Wort „Opfer“ ist fuer mich durch blosse Erwaehnung in einer BGH-Entscheidung kein juristisches geworden. (Habe mal im Stasi-Unterlagengesetz geschaut — „Opfer“ wird nicht erwaehnt) Es bleibt ein moralisches. Juristen reicht „Geschaedigter“. Aber es laesst sich leichter fragen: „Willst Du Dich gegen die Opfer stellen?“ Es wurde entschieden, wer jemanden unter die Raeder gebracht hat, um Ihr Bild zu verwenden, aber nicht, wie gross der Schaden ist. Das wurde vielleicht besprochen.
Ihnen fehlten Fakten: Die Partei war die SED. Wessen Akten ich gelesen habe, unterfaellt dem Persoenlichkeitsrechtsschutz. Welche Sportler Parteimitglieder wurden, laesst sich leicht dem Sportechio 1980ff. entnehmen (ich dachte, als Ossi haetten sie diese peinlichen Bekenntnisse noch in Erinnerung). Und ueber die Vorteile (Studium DHfK, der Trabi kam eher) haben zumindest die Fussballer spaeter recht freigiebig gesprochen. Dass es auch um Rente geht, stammt von JW. Und der Bankenexkurs ist natuerlich Spekulation.
Vielleich doch noch mal lesen: Ich lege nicht nahe, Sportler haetten eine Information erhalten. Ich habe nahegelegt, und das mag jetzt fuer den einen oder anderen zu hart klingen, dass bei Gebrauch des eigenen Verstandes und bei Sozialkontrolle (die Menschen, die einem nahestehen, schauen, was jemand macht) bestimmte Dinge nicht passiert waeren. Wie eben auch Andreas Krieger andeutete – manche wurden nicht zu Opfern ueber Jahre, weil die Eltern nachgefragt haben und das Kind relegiert wurde. Der Verstand sollte uebrigens zu dem Ergebnis kommen, dass permanente Pilleneinnahme nie gesund ist. Vor solchen Gedankengaengen wurden die Sportler und die DDR-Buerger abgeschottet?
Sie sehen zwei Mitmachsysteme in Deutschland? Ich sehe mehr (und bin nicht betrunken). BRD ist natuerlich auch eines (Sie werden es an ihrem Ende auch bemerken ;-)). Ob die DDR das Mitmachen erzwungen hat — nicht bei allen hat sie es geschafft. Wie in jedem guten Mitmachsystem ;-). Aeltere berichteten mir, besonders in den 60ern bis zur Verstaatlichung der Kleinbetriebe haette so etwas wie Euphorie unter einigen geherrscht. Ich bin aber zu jung, um zu wissen, ob das stimmt.
@nicheinjurist
Für die Opfer geht es mitnichten „nur“ um eine (am Rande erwähnte) Rente.
Glauben Sie, geschätzter @nocheinjurist, wirklich, dass die Geschädigten all die Jahre nur davon beseelt waren (oder noch sind), „fett Kasse“ zu machen?
Glauben Sie wirklich, dass die Frage „Was wusstest du“ die Betroffenen in Verlegenheit bzw. Erklärungsnot bringen würde? Denken Sie, dass die selben geschockt wären über Einzelfallprüfungen? Vermuten Sie, dass das Engagement derer, die immer wieder in den Medien auftauchen und versuchen, durch exemplarisches Vorführen ihrer Geschichte und der davongetragenen Schäden, zu warnen und zu sensibilisieren, ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass sie hoffen „ Miss Tagesschau“ oder Lottofee zu werden?
Raten Sie bitte doch zur Abwechslung mal, ob das Auffinden und Bewahren der Wahrheit,nicht doch der wichtigste Beweggrund für all die Aktionen der Betroffenen sein könnte! Und zu dieser Wahrheit gehört nun mal, dass Dopingschäden nicht nur „unangenehm“ sondern auch existenzbedrohend sein können.
Dann haben Sie, trotzdem Sie eifriger Besucher und intelligenter Beitragschreiber dieses Blogs sind, vielleicht doch noch nicht so ganz mitbekommen, dass eine ausschließliche juristische Weltsicht schnell an die Grenzen gerät, an denen das Leben erst anfängt.
Hier nochmals, und ich schreib ihnen das auch gern mehrfach in den Blog:
Es geht um eine Rente für die Schwerstgeschädigten, welche entweder in Ermangelung von Ansprüchen bzw. Kleinstrenten wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder privater Versicherung am Rande einer menschenwürdigen Existenz leben. Es geht darum, eine Möglichkeit für diesen statistisch verschwindend kleinen Kreis zu schaffen, einen Ausgleich für gesundheitlich (hier: Dopingschaden) bedingte Mehrausgaben zu realisieren. Und das alles eingedenk des Subsidiaritätsprinzips, logo!
nocheinjurist,
sprach von den Mitmach-Systemen der Vergangenheit. Die gegenwärtige Gesellschaft – kein „System“ in diesem Sinne – kennt und erzeugt auch Opportunismus, jede Menge. Aber sie lässt auch jede Menge anderes zu. Ein gewisser Unterschied.
Zu Ihrer Aktenkenntnis lasse ich mich nicht weiter aus. Ja, für das, was Sie vermissen, gibt es in den Akten des DDR-Sports keine Anhaltspunkte – statt dessen Aussagen von Medizinern, wie sie Schäden erklärt haben, welche Krankheiten sie erfunden haben, um schon Geschädigte auszusortieren, wider besseren Wissens. Habe nur keine Lust auf einen Grundkurs. Es gibt wirklich jede Menge Literatur.
Sie sollten aber gelesen haben, dass auch ich es nicht für unwichtig halte, die Beteiligten zu hören. Und da verhält es sich nun einmal so, dass die (und zwar jeder Couleur: Täter, Opfer, Mitläufer und Mitmacher) anscheinend sehr viel weniger wissen als Sie.
Kann so bleiben, nichts dagegen. Darf man aber doch dazu sagen. Tut mir leid, dass Sie das als Aggression empfinden.
Ute Krieger-Krause,
eine Forderung nach Rente ist nichts, aber auch gar nichts, wofür sich irgendwer zu schämen hätte. Auch jw hat da nichts, wie hier gern unterstellt, zuerst oder gar „nebenbei“ erwähnt, es stand zuletzt in einer der Pressemitteilungen, und es ist seit Jahren Thema, liegt vollkommen offen. Diese Forderung ist weder unredlich noch – angesichts der festgestellten Schäden – grundsätzlich erklärungsbedüftig. Dennoch interessant, auch für mich, was ich eben en detail gelesen habe. Wünsche jedenfalls alles Gute beim Versuch, sie durchzusetzen ;-)
ein frage noch, nocheinjurist –
Ist der Begriff „Täter“ für Sie auch eine ausschließlich moralische Kategorie? Das ist ja eine probate Methode: Denen, die keine Opfer kennen wollen, geht es in Wirklichkeit darum, dass es Täter nicht geben soll und nicht ihre Taten. Ich unterstelle Ihnen das nicht, ich frage es aber.
Und eine Anmerkung, erneut zu Ihrer Faktenkenntnis:
Das ist gänzlich falsch. Die Urteile basierten auf der Feststellung der Schäden. Dafür haben die Gerichte Dutzende Mediziner beauftragt. Ihre Gutachten liegen auf einigen hundert Seiten vor.
@ ha: Schon klar, wovon Sie sprachen. Die Moeglichkeiten sind groesser, aber zu negieren, dass es systematische Ueberlegungen gibt, die umgesetzt werden – finde ich erstaunlich. Mal provokativ: Brauchen Sie Akten, aus denen sich ergibt, wie das Sytem funktioniert? ;-)
Der gewisse Unterschied (dem Vergleich muss sich das aktuele System ja nicht mehr stellen…) wird geringer. Das, was zugelassen wird, wird weniger. Es sollte Ihnen nicht entgangen sein. Schleierfahndung, Speicherung von Internet-Daten, von biometrischen Daten, von Fingerabdruecken, Schwarze Listen fuer angebliche Terroristen, die mal schnell zum Verlust jeglicher Erwerbsmoeglichkeit und jedes Vermoegens fuehrt. Ausreisebeschraenkungen, wenn es dem Ansehen der Bundesrepublik schaden koennte. Und schauen Sie mal in ihren Pass, der gehoert Ihnen auch nicht. Warum eigentlich? Ich vermute, das betrifft Sie alles nicht. Zu meiner Ueberraschung (waehrend des Studiums) haben sich bereits in den 80er Jahren hochrangige Richter dazu geaeussert, dass der Staat immer mehr ueber seine Buerger wissen wolle.
Aktenkenntnis habe ich nicht behauptet, ich habe versucht, Ihnen zu erklaeren, warum ich Akten nicht fuer abschliessend und vollinformativ halte. Schade, dass es Ihnen nicht zu vermitteln ist. Deshalb vermisse ich in Akten auch nichts. Habe nur zu erklaeren versucht, welche Auswirkungen ich zur DDR-Zeit vermute, wenn das, was Sie in den Akten gesucht haben, tatsaechlich dringestanden haette. Sie koennen Aktenskepsis gar nicht nachvollziehen?
Wer Taeter ist, steht hier:
http://dejure.org/gesetze/StGB/25.html
Nein, es ist keine moralische Groesse.
Zitieren Sie mich ruhig in Gaenze:
Etwas zu besprechen (oder zu erwaehnen) meint eben nicht, darueber zu entscheiden. Die Schaeden sind sicher beruecksichtigt worden, im Rahmen der Strafzumessung. Aber eine Entscheidung in dem Sinne, dass die Opfer davon unmittelbar profitieren koennten? Strafrecht ist ein Teil des Rechts, in dem ueber die Schicksal der Taeter entschieden wird. Ich denke, wir haben eher eine unterschiedliche inhaltliche Vorstellung vom Wort „Entscheidung“.
Und zu ihrer Frage, ob ich keine Taeter moechte… Ich bin hier im ganzen Feld der Unbefangenste, glauben Sie es oder nicht. Ich bin kein Taeter, kein Opfer, bin weder beruflich noch privat mit einer der beiden Seiten verbandelt. Ich verdiene kein Geld damit, darueber zu schreiben oder zu reden. Derzeit bin ich nicht mal Steuerzahler. Wie gesagt, mich interessieren „Mitmach-Systeme“, und ich versuche mir eine Meinung zu bilden, ob DDR-Sport darunter fiel oder eigenen Regeln gehorchte. Und da sich der Blickwinkel der Ausbildung nie verleugnen laesst, habe ich zur Meinungsbildung teilweise einen juristischen Zugang, der aber, sie haben es sicher bemerkt, bei mir nicht vorherrscht. Ebensowenig wie Aktenglaeubigkeit.
nocheinjurist,
was mich interessiert oder nicht, unterstellen Sie. Ausbau des „Sicherheitsstaates“ war nicht Thema.
Für Ihre Methode in historischen Debatten habe ich nicht so viel übrig. Sie denunzieren erstens verbriefte Fakten als „Aktengläubigkeit“, dann negieren Sie zweitens die Auskünfte sämtlicher beteiligten Zeitzeugen, daraus basteln Sie ein Geschichtsbild.
Keine neue Methode. Nur führt sie selten zur historischen Realität, auch nicht im hier diskutierten Punkt: Gab es Aufklärung der Athleten über Gesundheitsschäden?
Es ist auch nicht neu, simples Nichtwissen zur „eigenen Meinung“ zu adeln. Die sei Ihnen gegönnt.
Mir davon etwas „zu vermitteln“, ist in der Tat schwierig. Räume es ein.
@ ha: Sie meinten, das derzeitige System (?) laesst anderes als Opportunismus zu. Ich denke, dass die Einfuehrung von Sicherheitsgesetzen dies erschwert. Oder, wie geschrieben, was zugelassen wird, wird weniger.
Ich denunziere auch nicht verbriefte Fakten (was eh nicht geht), ich bezweifle nur die Eignung eines Aktenstudiums als alleinige Quelle. Lassen Sie es mir bitte wenigstens als Lebenserfahrung durchgehen, okay?
Ich negiere auch keine Auskuenfte. Ich bin im Meinungsbildungsprozess und sammel deshalb Wissen! Insofern adle ich mein Nichtwissen auch nicht zur Meinung (finde den Satz aber sehr schoen und werde ihn bei Gelegenheit mal benutzen…) Ich habe nur gefragt, zB, ob in Aussicht gestellte Privilegien die Entscheidungen der Sportler (bzw. die Erkenntnisse ueber das, was um sie herum passiert) vielleicht beeintraechtigt haben. Und mich hatte interessiert, was Sportler dachten, waehrend Sie regelmaessig Pillen nahmen und sich Ihr Koerper veraenderte.
Ute Krieger-Krause antwortet oben mit (ueberspitzt fortmulierten) Gegenfragen. Das finde ich okay, macht mich aber nicht schlauer. Andreas Krieger hat eine recht pauschale Antwort gegeben in einem Kommentar, ich habe sie zur Kenntnis genommen. Aber haben Sie vielleicht die Aussage eines Zeitzeugen negiert? Ein Trainer hat sich im SZ-Interview sinngemaess geauessert, die Sportler des Kraftbereiches haetten es gewusst (soweit ich mch recht erinnere). Wie integrieren Sie diese Aussage in Ihr, denke ich, schon recht bestaendiges Meinungsbild? (Ich wuerde gern verlinken, aber da man in den Kommentaren nicht suchen kann, weiss ich nicht mehr, wo es steht.)
Aber mal Butter bei die Fische — warum wollen Sie Taeter und Opfer in ihrer bisherigen Zusammensetzung erhalten?
@Ute Krieger-Krause: Sie haben recht, eine rein juristische Weltsicht ist nicht hilfreich. Habe ich auch schn woanders geschrieben. Haben Sie das Gefuehl, ich wuerde hier im Gutachtenstil Ihre Ansprueche zerpfluecken, weil ich Jura studiert habe und ein bisschen Fingeruebung brauche?
Im Ernst mir hat sich nicht erschlossen, warum, es keine Zivilprozesse gegeben hat, nachdem die Strafverfahren abgeschlossen waren. (Es waere dann, bei Erfolg, moeglicherweise der Effekt eingetreten, dass eine Weiterbeschaeftigung (mittelbar) durch den Staat fuer die Opfer guenstiger gewesen waere, weil dann ein vollstreckbares Einkommen wahrscheinlicher gewesen waere, aber egal.) Oder habe ich etwas vepasst in dieser Hinsicht? Warum werden sie nicht jetzt gefuehrt, Sie haben ja auf die 30-jaehrige Verjaehrungsfrist hingewiesen? Waere auch die Umsetzung des Subsidiaritaetsprinzips.
Etwas anderes interessiert mich aber auch noch. Viele aktive Sportler wollten die Trainer behalten, sich also nicht von den Opfern warnen oder in der Entscheidung beeintraechtigen lassen. Darf ich fragen, was Sie da empfunden haben?
nocheinjurist,
die Trainer, die Sie ansprechen, waren Rainer Pottel (Zehnkampf) und ein weiterer der jetzt umstrittenen. Beide haben behauptet, ihre Athleten hätten gewusst, dass sie leistungssteigernde Mittel erhalten. Das ist für diese Trainer, Interessenten in der Sache, entlastend. Dennoch: Man kann das für wahr halten (müsste dafür jedoch die betroffenen Sportler befragen), denn diese Information war bei erwachsenen Athleten nicht unüblich.
Keiner dieser sechs Trainer hat behauptet, er habe seine Athleten über gesundheitliche Risiken informiert.
Das passt ins „beständiges Meinungsbild“ – wenn Sie das dafür halten mögen.
Ich gebe Ihnen noch eine Ergänzung für den Satz, der Ihnen gefallen hat: Auch Ignoranz wird gelegentlich zur „eigenen Meinung“ oder zum Recht auf dieselbe geadelt.
nocheinjurist,
eine theoretische Ergänzung, keine Unterstellung. Denn Sie fragen.
@ha: Danke. Verraten Sie (mir und den anderen, die es an desr Stelle noch interessiert) auch noch, welcher Ihr persoenlicher Beweggrund ist, sich mit diesem Teil der Dopinggeschichte zu beschaeftigen?
Um es mal ein bisschen anders zu sagen: Meine Betrachtung der Dinge und Ablaeufe hat bisher nicht dazu gefuehrt, dass ich Taeter noch Opfer geworden bin. Denke ich jedenfalls. Insgesamt keine schlechte Bilanz.
@ Herbert: Danke fuers Kompliment. Lueckenhaftigkeit haette ich gern vermieden. Subjektivitaet gehoert bei solchen Betrachtungen (wie insgesamt bei Meinungen) dazu, jeder sieht andere Dinge im Zusammenhang. Das Problem der Vermittelbarkeit ist auch folgendes: Sie koennen Mitmachern die negativen Folgen des Mitmachens nicht vermitteln, denn die wuessten nicht, wie sie sich sonst verhalten sollten. Ganz klar off-topic mal die folgende Frage: Derjenige, der 30 Jahre CDU waehlt — sollte man ihm helfen, wenn er mit 52 seinen Job verliert, in Hartz IV abgleitet, seine Ersparnisse vor Rentenbeginn aufbrauchen muss und nur eine mickrige staatliche Rente bekommt? Einigen leuchtet unmittlbar ein, dass er sein Schicksal wenn nicht selbst gewaehlt, so doch selbst bestaetigt hat, und eine gewisse Eigenverantwortung traegt. Anderen nicht. (off-topic off)
@ ha
Danke für den Hinweis! Bin offenbar zu dünnhäutig in manchen Bereichen, oder immernoch zu schnell dabei, mich für etwas entschuldigen zu wollen, was keiner Entschuldigung bedarf.
@nocheinjurist
Für mich ist es ein Stück Normalität, dass die Sportler ihren Trainern vertrauen. ich hab meinem Trainer genau so vertraut…
Nein, es ist o.k., dass die jungen Leute so denken.
nocheinjurist,
denke, ich habe sachliche Argumente vorzutragen versucht, auch zu dem, was erst ich Mitläufer und dann Sie Mitmach-System genannt haben.
Sagen kann ich Ihnen dennoch etwas zu persönlichen Beweggründen: Mich interessiert dieses Thema seit 15 Jahren – es ist, im rücksichtslosen und zweckgebundenen Zugriff auf Menschen, exemplarisch für den extremen Kern der DDR-Diktatur (keine „kommode“)und ihr Menschenbild. Der Kern, den man nicht sehen muss. Den auch ich lange nicht sehen konnte. Ohne allzu korrumpiert gewesen zu sein: keine Partei, nichts dergleichen, Opportunismus in Grenzen, den ich heute sehe, damals nicht, fand, ich sei anständig geblieben, weil ich gelegentlich etwas gesagt habe und auch Möglichkeiten ausgeschlagen, von denen ich wusste, sie würden korrumpieren. Kommt nur kaum einer ganz gerade durch in einer Diktatur, sehr wenige schaffen das, viel weniger Menschen als es heute für sich reklamieren. Stimme Ihnen also auch in einem Punkt zu ;-) Das kann man dann noch einmal neu für sich ansehen. Die Beschäftigung mit dem „Leistungssport“ ist da ein erhellendes Feld.
Es war also selbstverständlich auch ein persönliches Interesse. Das dann auch dahin geht zu fragen: Was kann einen dazu bringen, etwas in einer Gesellschaft nicht zu sehen und was bedeutet das? Wir haben ja schon von individueller Verantwortlichkeit gesprochen. Also: Welches Maß für die Gegenwart gibt einem diese Erfahrung mit? Gibt es so ein Maß? Ich denke schon. Muss jeder für sich selbst herausfinden.
Es ist jetzt ein sachliches Interesse.
Und, nein, mich interessiert nicht allein das Thema Doping und auch nicht allein das Thema „DDR“.
Hoffe, das reicht Ihnen. Würde jetzt diese Diskussion mit Ihnen gern beenden: in Anerkenntnis der Differenzen.
@ha: So soll es sein. Danke fuer die Diskussion.
Nun ist es da, das Steuergeld in Höhe 500.000 für das allumfassendste Doping-Forschungsprojekt ever, um die letzten 60 Jahre des deutschen Sports, nach allen Sportarten und allen Himmelsrichtungen aufarbeiten zu lassen. Darf man da gespannt sein ?
http://doping.zdf.de/ZDFsport/inhalt/11/0,5676,7613003,00.html
@ Herbert: Wollen wir spekulieren? Ein Schlussstrich rueckt naeher? Es gab im Westen kein systematisches Doping? Im Osten wussten davon nur ganz wenige?
Schade, dass der Autor nicht verraet, was an der Ausschreibung dubios gewesen ist. Bzw. welche Personen entschieden haben und welche Personen die Auftraege erhalten haben.
Vielleicht erfahren wir es ja noch.
@nocheinjurist
Ich fürchte es sehr. Es ist das Projekt zur Schadensbegrenzung. Unter Schlußfolgerungen werden wohl die beiden von ihnen festgehalten sein, für immer und ewig. Der DSOB wird es bestimmt (sport)politisch korrekt erforschen lassen.
Prof.Treutlein hat in seinem Brief am 5. November 2008 an den Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp)sich zu Auschreibung des Projekts und darüber hinaus geäußert:
http://jensweinreich.de/?s=Prof.+treutlein
Leider habe ich es als unregelmäßiger Blogbesucher vermasselt. Aber vllt. können die Beiträge ja noch dahin verschoben werden.
Pingback: e - Petition
Ich habe in der Eile keinen besseren Platz gefunden.
Doping
Enthüllung und Verhüllung im Sport
1. Würzburger Dopingkolloquium
Freitag,
22. Januar 2010
Topic I: Doping-Enthüllung und Verhüllung als
gesellschaftliches Problem
Doping-Bekämpfung in Deutschland
zwischen Unterstützung und Ausbremsung
(Prof. Dr. Gerhard Treutlein, PH Heidelberg)
Der gesellschaftliche Kampf gegen Doping:
über die Funktion der Doping-Skandale im
Sport (Dr. Peter Dewald, Univ. Würzburg)
Möglichkeiten und Grenzen rechtlicher
Doping-Bekämpfung (Christina Kehl, Univ.
Würzburg)
Topic II: Doping im Radsport: Möglichkeiten und
Grenzen der Bearbeitung eines tief verwurzelten
Problems
Doping im Radsport: Skandale und Skandalwirkungen
(Ralf Meutgens, Journalist)
Gespräch mit Robert Lechner (ehemaliger
Radsportler): Doping-Enthüllung als
Entlastung oder Belastung und die Rolle
von Öffentlichkeit und Medien
http://www.adh.de/fileadmin/user_upload/adh.de/pdf/bildung/Dopingkolloquium-Programm.pdf
Da darf man gespannt sein. Ich bin es vor allem auf Prof. Treutlein und Ralf Meutgen. Da bin ich noch nie entäuscht worden. Schon der Auftritt von Robert Lechner hat eine gewisse Brisanz. Was er zu sagen haben könnte, dürfte dem BDR nicht egal sein.
@ Herbert:
Soweit ich weiß, hat es den BDR bislang nicht sonderlich interessiert, was Herr Lechner zu sagen hat. Jedenfalls habe ich keinerlei Reaktionen auf vorangegangene vergleichbare Auftritte vernommen…
http://sport.t-online.de/radsport-bdr-will-aufklaerung-von-robert-lechner/id_14377160/index
Zu diesen Aufihnzugehen, was immer es auch heißen sollte und was dabei heraus gekommen ist, kann vllt. Herr Scharping etwas sagen. Aber der hat ja Wichtigeres zu tun.;)
Sorry für den angegrauten Link, aber damit man sich Robert Lechner noch mal in Erinnerung rufen kann:
http://www.faz.net/s/Rub9CD731D06F17450CB39BE001000DD173/Doc~E64567842C9AF4C20812F039EC30F8E57~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Wer beim Kolloqium dabei ist, kann ihn ja mal fragen, ob sein Fall vom BDR mit welchem Ergebnis als abgeschlossen gilt.
@Herbert
Ja das klingt erst mal interessant. Mich bewegt bei der Ankündigung bereits die Frage: Wird es gelingen über Doping im Radsport zu referieren ohne sich an Jan Ullrich als vermeintlich überführten Dopingsünder zum wiederholten Mal abzuarbeiten oder müssen wir uns zum wiederholten Mal davon überzeugen lassen dass „Antidoping“ längst zum Geschäft geworden(sinngemäße Äußerung Hans Michael Holczers der ich leider zu 100% zustimmen muss)und der Journalisten, Doping“experten“, Politiker und Funktionäre liebstes weil am besten zu vermarktendes „Fallbeispiel“ dabei unverzichtbar ist? Deutschland hat inzwischen eine ganze Reihe eindeutig überführter (auch prominenter) Dopingsünder im Radsport „zu bieten“, aber…….
Man darf gespannt sein oder auch nicht.
@panni
Oft versprechen derartige Veranstaltungen mehr als sie halten können.Ich kann mich da noch gut an die Bonner
Doping-Konferenz im Jahre 2008 erinnern.
Es ist aber imo mehr das follow-up derartiger Events, was schwächelt. Ein generelles Problem, das auch den Antidopingkampf begleitet.
Die angekündigten Referenten sind jedoch mehr als Markenzeichen, sodass es bestimmt weit über Fall- und Skandaldiskussionen hinausgehen wird. Das Thema ist ja eigentlich auch so angelegt. Ich vertraue da einfach mal.
Pingback: e - Petition
Pingback: e - Petition
Pingback: e - Petition
Pingback: e - Petition
Pingback: e - Petition
dpa: Neues Buch: Thomas Köhler gibt Kinder-Doping zu
dpa: Reaktionen zum Buch von Thomas Köhler
dpa: Die wichtigsten Urteile zum Doping im DDR-Sport
dpa: Eklat bei erster Lesung von Thomas Köhler
Pingback: Die Autobahnen und Wunderpillen des DDR-Doping-Funktionärs Thomas Köhler : jens weinreich
am wochenende gab es im dlf eine art mini-schwerpunkt über doping im (ddr-)eiskunstlauf. dabei wurde auch die frage berührt, was die athleten, was deren eltern wussten, wissen konnten, ahnten:
Bedrückendes Dokument eines Doping-Missbrauchs — Ex-DDR-Meisterin Marie Kanitz über den Umgang mit Doping-Mitteln in der DDR
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2011/03/06/dlf_20110306_1910_628be71e.mp3
(am ende meldet sich — offenbar aus dem publikum der podiumsveranstaltung — auch noch die mutter von mandy wötzel zu wort)
zudem hat thomas purschke auch noch einen beitrag über die „Stasi- und Doping-Verstrickungen im Eiskunstlaufzentrum Karl-Marx-Stadt“ gedichtet: Schatten auf dem Eis. mit einer echten pointe am ende:
Michael Reinsch in der FAZ: Ines Geipel – Der Schrecken steht mitten im Raum
aerztezeitung.de: 30 Jahre Ärzte Zeitung: Doping an Kindern im Interesse des Klassenkampf
jenanews.de: Staatsdoping, Jenapharm, der Westen und wir
Passende Lektüre: Klaus Latzel: „Staatsdoping. Der VEB Jenapharm im Sportsystem der DDR“
@ Ralf: Glückwunsch! Kommentar #61 (das neue Leistungsschutzrecht (pdf) lässt grüßen) war Kommentar #30.000 insgesamt in diesem Blog. Davon geschätzte 6.000 von Dir? Also ca. 12.000 Links, die mich nun in neue, bislang ungeahnte juristische Problemzonen bringen.
Danke. Für alles.
:)
jonathansachse.de: Unterwegs mit Herbert Fischer-Solms – Folge 3
Pingback: Der Sport, die Politik, die Dopingopfer und der Bundesgerichtshof • Sport and Politics