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Jens Weinreich

Ben Johnson et al.

I did nothing wrong, I didn’t kill anybody. Nobody died in my family, so why should I worry?

Ben Johnson

Und noch ein Jubiläum, drei Tage nach dem zehnten Todestag von Flo Jo: Am 24. September 1988 – am Tag, als Kristin Otto ihre fünfte von sechs Goldmedaillen gewann – raste Benjamin Sinclair „Ben“ Johnson in Seoul 9,79 Sekunden. Kurz darauf war er seine Goldplakette wieder los. Da kann der Witz-Bolt noch so schnell rennen, da kann The Big M noch so oft gewinnen: Der 100-Meter-Lauf am 24. September 1988 in Seoul bleibt die spektakulärste Entscheidung der olympischen Geschichte – und Big Ben, heute 46 Jahre alt und Opa, der bekannteste Betrüger aller Zeiten. Das Ergebnisprotokoll:

SEOUL 1988, Ergebnisprotokoll für das 100m-Finale

„JONSON, BEN: DQ“

Hier der Lauf, zwar mit stotterndem finnischen Kommentar, dafür aber mit dem besten Bild, das ich auf Youtube dazu gefunden habe:

Ben Johnson (sehr guter Wikipedia-Eintrag mit all den Wirren der Johnson-Karriere, um Längen besser als die deutsche Version) und sein damaliger Trainer Charlie Francis, der später auch mal Marion Jones coachte, stricken bis heute Verschwörungstheorien um den positiven Dopingtest. Sie haben mit allem möglichen Zeug gedopt, angeblich nur nicht mit Stanozolol. „Wäre alles so gekommen, wenn Ben Amerikaner gewesen wäre?“ fragt Charlie Francis gern. Wahrscheinlich nicht. Schließlich hatte Carl Lewis, wie etliche andere Amis auch, bei den Trials ein paar Wochen zuvor in Indianapolis, eine positive Probe. Doch die Fälle wurden vom Verband USATF und vom USOC vertuscht, wie so oft.

„Vielfältige Lebenssachverhalte“

Achtung, es wird kompliziert. Unmittelbar vor dem Auftakt des Prozesses gegen den früheren Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer und dessen dubiosen Geschäftspartner Wilhelm Schelsky gibt es auch Neues vom UDIOCM. „Siemens-Affäre: IOC-Vize Bach und CDU-Abgeordneter Adam in Erklärungsnot“, titelt Spiegel Online. Im Beitrag heißt es, das UDIOCM (unpolitischstes deutsches IOC-Mitglied) betreffend:

Auch IOC-Vizepräsident Bach, der auf Schelskys Vermittlung einen mit 400.000 Mark dotierten Beratervertrag mit Siemens hatte, gerät in Erklärungsnot. Der Wirtschaftsanwalt hatte gegenüber dem SPIEGEL behauptet, er habe stets strikt zwischen seinen „geschäftlichen Tätigkeiten“ und seinen „ehrenamtlichen Funktionen im Sport“ getrennt.

Eine E-Mail vom 31. Januar 2005, die Bach an den Siemens-Vorstand Rudi Lamprecht schickte, liest sich dagegen anders. Damals bemühte sich Siemens darum, Kuwait als Großinvestor zu gewinnen, und Bach meldete, sein „Freund und Kollege, Energieminister Scheich Ahmed al-Sabah“, sei derzeit für eine vertrauliche Anfrage zum Stand der Verhandlungen schwer erreichbar. […]

Florence Griffith-Joyner et al.

Cover der Sports Illustrated, Juli '88

„Fastest woman in the world“ — SI, Juli ’88

My Flo Jo

She ran with speed, style and grace.
She added beauty to a sometimes not so glamorous sport.
She ran with force, without looking forceful.
She ran tired, looking tireless.
She wished her opponents good luck and ran away from them as if there were no such thing as luck.
She ran with her personal outfits, which startled all eyes on her.
Her black hair moved in the wind like a flag on a pole,
and after each race won, she would drop to her knees
and thank God for her soul.
Little did we know that Flo Jo had a direct line to God’s phone,
and the good Lord called and said, „come home“.
Flo, my angel, it’s time to rest, You’ve shown the worlds … You Are The Best.
We miss you, but we will always remember the good in you.

— © by Alfrederick Joyner

Man muss Florence Griffith-Joyner, die heute vor zehn Jahren gestorben ist und deren Rechteverwalter diese Webseite betreiben, gewiss nicht so in Erinnerung behalten wie Ihr Ehemann Al Joyner. Man darf zurecht zweifeln. Nicht nur an der Windmessung damals, im Juli 1988, in Indianapolis:

Was vom Tage übrig bleibt (5)

Leseempfehlungen von gestern und heute:

  • Stefan Behr in der Frankfurter Rundschau über den Emig-Korruptionsprozess, wo der ehemalige Revisor des Hessischen Rundfunks ausgesagt hat, der gerne zum Skilaufen fährt und lange an die seriöse Kompetenz des Sportchefs glaubt.
  • Ich kann Dogfood auch nicht beim Kurieren der Krankheit helfen, sich Erstrundenspiele im Uefa-Pokal reinzuziehen. Aber wenn er es denn tut und sich beim Kick zwischen Hertha BSC und St. Patrick noch solche Notizen zum Kommentator Thomas Herrmann macht, dann ist es okay.
  • Und nochmal die FR: Der ehemalige Schach-Weltmeister Garri Kasparow über „Eine Chance, Geschichte zu schreiben“. Pflichtlektüre zum Kaukasus-Konflikt, wobei die olympische Bewegung, in der Wladimir Putin ja ebenfalls sein Unwesen treibt, nicht außen vor bleibt. Kasparow schwingt die historische Keule:

Als ich mit meinem Sohn Wadim zusammen die Olympischen Spiele in Peking anschaute, erzählte ich ihm von einem Läufer, der zu seiner Zeit ebenso erfolgreich war wie heute Usain Bolt: Jesse Owens. Ich wurde an ihn erinnert, als ich vor kurzem Leni Riefenstahls bemerkenswerten Dokumentarfilm über die Berliner Olympiade von 1936 sah, „Olympia: Fest der Völker“. Die Bilder des Naziregimes drücken ganz offensichtlich Deutschlands Selbstbewusstsein, Stärke und bis zu einem gewissen Grad auch Aggression aus. Der Film vermittelt jedoch keine bedrohliche oder kriegstreiberische Atmosphäre. Deutschland war lange vor dem restlichen Europa und den USA aus der Depression herausgekommen. Waren die fröhlich jubelnden Stadionbesucher begierig, in einen Krieg zu ziehen?

Was vom Tage übrig bleibt (4)

Ein wenig Lektüre:

Lewis: I’m still working with the fact that he dropped from 10-flat to 9.6 in one year. I think there are some issues. I’m proud of America right now because we have the best random and most comprehensive drug testing program. Countries like Jamaica do not have a random program, so they can go months without being tested. I’m not saying anyone is on anything, but everyone needs to be on a level playing field.

„some elements of answer“

Ich habe mich mal wieder verzählt und gelobe Besserung. Wenn ich es nun also richtig überprüft habe, und etliche Gesprächspartner bestärken mich in dieser Behauptung, dann sind in Peking bei den Sommerspielen bisher neun Sportler und sechs Gäule erwischt worden. So sieht das aus, alle Angaben ohne Gewähr:

Sportler, bestätigt

  1. Maria Isabel Moreno (Spanien) Radsport (Epo)
  2. Kim Jong-Su (Nordkorea) Schießen (Betablocker), Silber freie Pistole, Bronze Luftpistole
  3. Do Thi Ngan Thuong (Vietnam) Turnen (Diuretikum)
  4. Fani Halkia (Griechenland) Leichtathletik (Methyltrienolon)
  5. Ludmilla Blonska (Ukraine) Leichtathletik (Methyltestosteron), Silber im Siebenkampf
  6. Igor Rasoronow (Ukraine) Gewichtheben (Nandrolon)

Sportler, unbestätigt bzw. noch ohne Urteil der Disziplinarkommission
(Nachtrag am 11. Dezember: Diese Fälle wurden heute vom IOC-Exekutivkomitee entschieden)

  1. Wadim Dewjatowski (Weißrussland) Leichtathletik (Testosteron), Silber im Hammerwerfen
  2. Iwan Tichon (Weißrussland) Leichtathletik (Testosteron), Bronze im Hammerwerfen
  3. Adam Seroczynski (Polen), Kanurennsport (Clenbuterol)

Was vom Tage übrig bleibt (2)

Marion Jones tauchte in diesem Theater an verschiedenen Stellen auf. Nun ist zu vermelden: Sie hat ihre sechsmonatige Haftstrafe abgesessen.

Giselle Davies …

… nimmt wie angekündigt Abschied vom IOC. Seit 2002 war sie Kommunikationsdirektorin des Olympiakonzerns. Wie angekündigt werden private Gründe für die Trennung genannt. Ein IOC-Statement folgt im Laufe des Tages (15.30 Uhr), AP hat die Trennung bereits vermeldet. Dass Giselle Davies vom Job ziemlich frustriert war, hat man ihr seit einiger Zeit angesehen, nicht erst seit jenen peinlichen „Pressekonferenzen“ in Peking, die sie gemeinsam mit den BOCOG-Hardlinern durchpeitschte, wenn überhaupt noch Pressetermine stattfanden. Das Vertrauensverhältnis zum IOC-Präsidenten Jacques Rogge ist zerrüttet. Davies gehört nicht zum extrem kleinen Kreis der Eingeweihten, was für eine Kommunikationsdirektorin eines Weltkonzerns irgendwie blöd ist. Das merkte man dann auch.

Mein Lieblingsfoto von Giselle Davies habe ich am 18. August 2004 in Athen gemacht. Da guckt sie auch etwas verkrampft, aber egal, ich fand, es war ein netter Anlass. In der rechten Hand hält sie die Akkreditierungen von Ekaterini Thanou und Kostas Kenteris, den Motorradfahrern.

How to fix a soccer game

Declan Hill hat die Vermarktungsmaschine für sein neues Buch angeworfen. Im Spiegel hat er sich bereits geäußert, heute Abend ist er bei Beckmann. „How to fix a soccer game“ heißt die Webseite, das Buch heißt: „The Fix: soccer and organized crime“, deutsch bei KiWi: „Sichere Siege“. Die Geschichte über sein Treffen mit einem Wettpaten in Thailand, der erzählte, er verschiebe gerade ein Bundesligamatch, gibt Hill seit etwa einem Jahr zum besten. Er wird das auch im Fernsehen wieder sehr überzeugend tun. Er kann das, auch wenn seine Geschichten mitunter zu perfekt klingen. Zuletzt habe ich bei Play the Game im vergangenen Oktober in Reykjavik einen Workshop mit Declan Hill und dem indischen Kollegen Murali Krishnan geleitet.

Unabhängig von den Tricks der Wettmafia, die nur mit großem kriminalistischen Aufwand nachzuweisen sind, finde ich die verschiedenen statistischen Ansätze interessant, mit denen Hill und italienische Wissenschaftler anhand der Charakteristik von Fußballspielen Manipulationen aufspüren wollen. Dazu habe ich im Januar ein Stücklein für den Deutschlandfunk produziert, nichts besonderes, nur ein kleiner Überblick: