Bundestags-Sportausschuss schließt Medien aus: Mdb wollen sich nicht beim iPad-Spielen beobachten lassen …
… und einige von ihnen wollen auch nicht länger beschrieben lesen, wie faul und dumm und verantwortungslos sie eigentlich agieren,…
… und einige von ihnen wollen auch nicht länger beschrieben lesen, wie faul und dumm und verantwortungslos sie eigentlich agieren,…
Einige Anmerkungen und Dokumente zur insgesamt unterirdischen Arbeit des Bundestags-Sportausschusses am Beispiel der aktuellen Haushaltszahlen zur Sportförderung 2012 durch den…
Zwischen Dichtung und Wahrheit heißt hier eine meiner Lieblingsrubriken. Einen wunderbaren Beitrag zu diesem Thema hat gerade Grit Hartmann exklusiv für den Deutschlandfunk produziert. Ein Teilchen mehr im großen Puzzle, das die PR-Mär, Deutschland gehe im so genannten Antidopingkampf unentwegt voran, einmal mehr mit Fakten widerlegt.
Hörbefehl:
Lesebefehl:
Bremser im internationalen Antidopingkampf
WADA-Budget wird reduziert – auf Initiative der Bundesregierung
von Grit Hartmann
Für den Antidopingkampf verfügen Bundesregierung wie Sportfunktionäre über eine beliebte Sprachregelung: Der müsse, im Interesse der Chancengleichheit, weltweit harmonisiert werden.
Deshalb war eine moderat steigende Unterstützung der Weltantidoping-Agentur WADA aus dem deutschen Steuersäckel konsensfähig. Offiziell hat sich daran nichts geändert – hinter den Kulissen schon. Der WADA setzt eine irritierende Initiative der Bundesregierung zu.
Es ist nicht neu, dass sportpolitische Ärgernisse zufällig öffentlich werden. Dieser Fall jedoch hat Seltenheitswert. Die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon:
In diesem Jahr haben wir unseren Familienurlaub, unseren Weihnachtsurlaub in Montreal verbracht. Mein Mann stammt daher. Und ich hab die Gelegenheit wahrgenommen, Anfang Januar mal ein Gespräch zu suchen bei der WADA, die ja dort ihr Headquarter hat. Wir hatten verschiedene Themen. Und da gab es einen Punkt, der besonders interessant war, und der betraf das deutsche Engagement innerhalb der WADA, bei der Finanzierung.“
WADA-Mitarbeiter präsentierten einen brisanten Brief, datiert vom Juni 2010. Absender: Gerhard Böhm, Chef der Sportabteilung im Bundesinnenministerium. Adressat: der Europarat, wo die europäischen Staaten sich über ihren Jahresbeitrag zum WADA-Haushalt verständigen. Eine Hälfte zahlt das IOC, die andere die Regierungen, wobei der europäische Anteil bei 47,5 Prozent liegt. Die Bundesrepublik gehört zu den größten Zahlern; sie gibt so viel wie Rom, London und Paris, 722.000 US-Dollar im letzten Jahr. Böhm wurde nun mit dem Anliegen vorstellig, die WADA-Zuwendungen – bisher stets leicht geklettert – ab 2011 einzufrieren.
Begründung: Eingedenk der globalen Finanzkrise sei es „schwierig, ein kontinuierlich steigendes WADA-Budget in Deutschland zu vermitteln“.
Davon hat man zwar noch nichts gehört – im Gegenteil: In der Haushaltsdebatte gab es Kritik an gleichbleibenden Ausgaben für den Antidopingkampf. Dennoch lautete die interne Empfehlung von Ministerialdirektor Böhm, die WADA solle „Kosten einsparen“, gefolgt von der Ansage, künftig werde Berlin mögliche Erhöhungen, so wörtlich, „missachten“.
Zur BMI-Sportabteilung unter diesem und einem anderen Boss u.a. auch hier:
Vorab das Resultat des Vorstoßes: Unbemerkt von der Öffentlichkeit einigten sich Europas Regierungen im November darauf, ihre Beiträge in diesem Jahr nur um zwei Prozent aufzustocken – das kleinste Plus seit Gründung der WADA vor elf Jahren. WADA-Generaldirektor David Howman sagt, damit fange man lediglich die Inflation ab:
Im Wesentlichen heißt das für uns Stillstand. Wir kommen nicht voran. Bei Nullwachstum würden wir schrumpfen, uns zurückbewegen. Und das ist ein wenig beunruhigend. Insbesondere, wenn man sich zum Beispiel den EU-Haushalt ansieht – der wurde für 2011 um sechs Prozent erhöht. Um zu verdeutlichen, worüber wir bei Europa sprechen: Ein Prozent Erhöhung für die WADA sind 150.000 US-Dollar, verteilt auf 47 Länder – das ist ein ziemlich kleiner Betrag.“
2012 würde, geht es nach den Europäern, aus dem Stillstand ein Zurück. Die Beiträge sollen eingefroren werden. Viola von Cramon erinnert an der Deutschen liebste Klage. Sie lautet, dass deutsche Athleten, weil angeblich bestens kontrolliert, international benachteiligt sind:
Dann müsste es ja eigentlich im deutschen Interesse sein, genau diese Institution zu stärken, die sich für die weltweite Überprüfung der Athleten einsetzt, und das ist die WADA. Da müsste man die WADA nicht mit weniger Geld versehen, sondern mit deutlich mehr Geld.“
Dass die Betrugsbekämpfer mit ihrem 27-Millionen-Dollar-Budget unterfinanziert sind, gilt als ausgemacht. Howman sagt, was die WADA erreicht habe, habe sie nicht dank ihrer finanziellen Ausstattung erreicht, sondern trotzdem. Mag es Kritik an der WADA geben – für weltweite Harmonisierung des Antidopingkampfes ist sie unverzichtbar. In 15 ärmeren Regionen finanziert sie Antidoping-Organisationen; die assistieren derzeit 122 Ländern bei der Kontrolle von Athleten. Fast im Alleingang finanziert sie die Verfeinerung der Analytik. Mit einer Zahl für die letzten sieben Jahre illustriert Howman die Absurdität des deutschen Vorstoßes:
Aus unserem Forschungsetat sind mehr als 32 Millionen Dollar zurück nach Europa gegangen, in Forschungsprojekte. Das ist fast genauso viel wie die Einzahlungen, die wir aus Europa bekommen haben. Verglichen mit anderen Kontinenten bewegen sich die Europäer also in einem Geld-Rein-Geld-Raus-Szenario.“
In Montreal rätselt man deshalb, was die Bundesregierung wirklich antreibt:
Kommt mir so vor, als hätte ich diese Überschrift schon tausend Mal geschrieben.
Journalisten-Darsteller Roger Köppel, Chefredaktor der Weltwoche und Stammgast in deutschen öffentlich-rechtlichen Talkshows, hat sich mal wieder als Stichwortgeber des FIFA-Präsidenten Joseph Blatter betätigt. Co-Stichwortgeber war Walter de Gregorio. Ungefährdet durfte Blatter der kleinen Lesergemeinde der Weltwoche allerlei bizarre Behauptungen auftischen:
[So weit ich sehe, ist das Textlein hinter einer Paywall verschwunden, das ist vielleicht ganz gut so.]
Ich weiß gar nicht, ob de Gregorio noch für den Blick tätig ist, der längst wieder zur Blatter-Liebespostille verkommen ist. Nachdem dort zwischenzeitlich auch solche Doppelseiten zu lesen waren („Das perfekte Verbrechen“), wird im Blick so gedichtet, wie ich es jüngst bereits zitierte:
Blatters Erfolgsrezept ist ein anderes. Was ihn so unwiderstehlich charismatisch macht, sind zwei Dinge: Bescheidenheit und Demut.
Bescheidenheit und Demut. Es sind die einfachen, die banalen Dinge, die sein gewaltiges Charisma ausmachen.
Diesen Geist trägt er ins FIFA-Haus. Der Verband wird zur Familie.
Natürlich weiß auch ich um die Bestechungsvorwürfe in diesem Haus. Doch das ist ein anderes Thema, dessen Hintergründe ich nicht kenne. Deshalb lasse ich die Finger davon.
In diesem Sinne ist gewiss auch das Elaborat der Weltwoche zu verstehen. Denn im Kern geht es doch wohl um diese Behauptung des Patrons aus dem Wallis:
Es gibt keine systematische Korruption in der FIFA. Das ist Unsinn.
Oh.
Flink nochmal die alten Bestechungszahlen aus dem ISL-Komplex, die folgenlos blieben, die neuen kennt man noch nicht:
Ob der Sepp, der gerade ein weiteres Interview lancieren ließ und das FIFA-Image gern aufpolieren würde, schon an Pseudologie leidet? Keine Ahnung, dann wäre dringend ein Besuch beim Arzt seines Vertrauens oder beim Generalstaatsanwalt angebracht. Sagen wir es mal so, vorsichtiger: Die Wahrheitsbeugungen, die Blatter begeht, müssen erst noch gezählt werden.
Zum Beispiel jammert er ja, man würde ihn nicht zum ISL-Komplex fragen. Sepp greint:
Die Unseriosität der Angriffe zeigt sich darin, dass man mich gar nicht erst fragt. Die Anti-Fifa-Journalisten sind nicht an der Wahrheit interessiert, sondern an der Fortschreibung ihrer falschen Vorurteile.
Oh.
Wie oft ich ihn dazu seit 2001 befragt habe, das zu zählen, würde mich Jahre kosten.
Mensch, Sepp, wir haben das doch sogar beim Bier (Radeberger) besprochen, schon vergessen?
Egal, ich kann mich noch sehr gut an ein echtes Interview erinnern, das wir im Mai 2001 in Zürich geführt haben, und das ihn so mitnahm, dass er eine Pause machen musste. Damals hat er mir, darf man sagen: versprochen?
Ich bin nicht bestechlich. Da können Sie mir beide Hände abhacken.
Was der Sepp so sagt.
Hoffentlich hören sie das nicht in Katar. Nicht dass da noch jemand zum Beil greift.
Mehr möchte ich gar nicht verlinken. Das Blog ist voll von Beispielen, dass Sepp regelmäßig gefragt wurde. Auf Youtube habe ich im Laufe der Zeit auch einiges hochgeladen. Und in meinem Film „The Untouchable“ (Schweden/Dänemark 2004), aus dem sich gerade wieder viele Szenen in der jüngsten Dokumentation des Schweizer Fernsehens finden (wie auch einer meiner Youtube-Clips), spielte das ISL-Thema selbstverständlich eine Rolle.
Bitte mal lesen:
Sepp sagt zum Beispiel:
(…) Es gibt vor allem einen Mann, den Engländer Andrew Jennings, einen besessenen Anti-Blatter-, Anti-Fifa-Journalisten. Er verfolgt mich seit zwölf Jahren. Und er hört nicht auf, gegen mich und die Fifa zu schiessen. Es ist jedoch nicht an mir zu beurteilen, ob seine Berichterstattung einen Einfluss auf den Ausgang der WM-Vergabe hatte.
[Stichworte von Köppel/de Gregorio] Warum gehen Sie nicht gerichtlich gegen die Verunglimpfungen vor?
Es ist systematisch. Das System wirkt über den englischen Kanal hinweg. Im Schlepptau von Jennings schreiben die deutschen Journalisten Jens Weinreich und Thomas Kistner. Dann gibt es ein paar Schweizer, die das kritiklos nachbeten. Was kann man dagegen unternehmen? Ich argumentiere, es gibt Gerichtsentscheide, die Klartext reden, aber die Argumente werden von diesen Kritikern nicht einmal zur Kenntnis genommen. Sie wärmen uralte Vorwürfe auf und wiederholen sie. Doch die Vorwürfe stimmen nicht. Die jüngste, glasklare Wahl der WM-Orte hat aufgezeigt, wie sehr sich diese extreme Fifa-Kritik auf dem Holzweg befindet. Ich finde es so kleinlich, was hier geschrieben wird. Ich staune, dass sogar qualitativ anspruchsvolle Verlage das überhaupt noch abdrucken.
[Stichworte von Köppel/de Gregorio] Das Schweizer Fernsehen versuchte kürzlich in einer Dokumentation nachzuweisen, dass in der Fifa bestochen und betrogen wird.
Man stürzt sich auf uralte Kamellen im Zusammenhang mit dem Konkurs der Sportvermarktungsfirma ISL/ISMM. Ich wüsste nicht, was man der Fifa vorwerfen könnte. Nichts, was von juristischer Bedeutung wäre, ist dort geschehen. Die Unseriosität der Angriffe zeigt sich darin, dass man mich gar nicht erst fragt. Die Anti-Fifa-Journalisten sind nicht an der Wahrheit interessiert, sondern an der Fortschreibung ihrer falschen Vorurteile. (…)
Quelle: www.weltwoche.ch
Ganz davon abgesehen, dass mir Blatter offenbar die Honorare nicht gönnt: Die Chuzpe vom Sepp und seinem als Generalsekretär schauspielernden Lügenbaron (diese Bezeichnung trifft für sein Verhalten in der Visa/Mastercard-Sache gewiss zu) Jérôme Valcke sucht schon seinesgleichen. Die Herren drehen nach der Skandal-Entscheidung vom vergangenen Donnerstag völlig ab, bezeichnen die WM-Vergabe als totaltransparent und wähnen sich als Sieger der Geschichte. Als Herren des Universums.
Schaun mer mal.
P.S. Auch wenn das jetzt vielleicht etwas zu weit führt, aber den Begriff Lügenbaron würde ich doch flink mal mit einigen Passagen und Links zum Visa-Mastercard-Skandal unterminieren. Warum eigentlich nicht. Denn dieser Fall verdeutlicht doch einmal mehr, dass diesen Typen einfach nicht zu trauen ist. Achtung, Kommentar, Meinungsäußerung, nachfolgend belegt: Sie lügen, dass sich die Balken biegen.
Valcke war damals FIFA-Marketingchef, wurde gefeuert, kam wenige Monate später als Generalsekretär wieder, und der Sepp stellte es doch tatsächlich so dar, als sei Valcke nie gefeuert worden.
Eine feine Analyse dazu gab es mal im Independent:
Im Original liest sich das im ersten Urteil so:
- FIFA’s negotiators lied repeatedly to MasterCard, including when they assured MasterCard that, consistently with MasterCard’s first right to acquire, FIFA would not sign a deal for the post-2006 sponsorship rights with anyone else unless it could not reach agreement with MasterCard.
- FIFA’s negotiators lied to VISA when they repeatedly responded to the direct question of whether MasterCard had any incumbency rights by assuring VISA that MasterCard did not.
- FIFA’s negotiators provided VISA with blow-by-blow descriptions of the status of the FIFA-MasterCard negotiations while concealing from its long-time partner MasterCard both the fact of the FIFA-VISA negotiations as well as the status of those negotiations – an action FIFA’s president admitted would not be “fair play.”
- FIFA’s marketing director lied to both MasterCard, FIFA’s long-time partner, and to VISA, its negotiating counterparty, to both of which FIFA, under Swiss law, owed a duty of good faith. When, pursuant to his engineering, VISA raised its bid to the same level as MasterCard’s, he declined his subordinates’ suggestion to give MasterCard the opportunity to submit a higher bid based on his concern for his own reputation with the FIFA Board. He also declined his subordinates’ recommendation that he recommend to the FIFA Board that it continue with its prior approval of MasterCard as the post-2006 sponsor. Instead, he told the board it was difficult for him to make a recommendation and never mentioned MasterCard’s first right to acquire the post-2006 sponsorship.
- On the morning of the first of March 2006 FIFA board meetings and after all three FIFA boards had previously approved MasterCard as the post-2006 sponsor, FIFA’s marketing director called VISA to say that if VISA increased its cash bid by $30 million to the level of MasterCard’s bid, VISA “would be the partner.”
- Even after MasterCard had signed the “FINAL version” of the post-2006 sponsorship agreement and returned it to FIFA, FIFA’s negotiators delayed telling MasterCard that the FIFA Board had chosen VISA; instead they waited for the VISA board to ratify the VISA agreement.
- After the FIFA boards had approved MasterCard as post-2006 sponsor and after MasterCard had agreed to FIFA’s asking price and agreement had been reached on all other terms and after FIFA’s in-house counsel had solicited FIFA members for items that might be used to claim that MasterCard breached the Agreement, FIFA pointed to a trademark issue that had been present since 2000 or 2001 to justify granting the post-2006 sponsorship to VISA and sent a letter to MasterCard — after the commencement of this lawsuit — purporting to terminate the Agreement and thus MasterCard’s first right to acquire.
- After MasterCard and FIFA waived, under Swiss law, both the 90-day time periods set out in section 9.2 by their “conclusive conduct”, FIFA now seeks retroactively to revive one of the 90-day periods, but not the other, to justify its choice of VISA for the post-2006 sponsorship.
- While the FIFA witnesses at trial boldly characterized their breaches as “white lies”, “commercial lies”, “bluffs”, and, ironically, “the game”, their internal emails discuss the “different excuses to give to MasterCard as to why the deal wasn’t done with them”, “how we (as FIFA) can still be seen as having at least some business ethics” and how to “make the whole f***-up look better for FIFA.” They ultimately confessed, however, that “[I]t’s clear somebody has it in for MC.”
Habe den Fall damals selbst nur marginal betreut, wohl aber die Entwicklung beschrieben:
Im Sportausschuss des Bundestages – dort also, wo echte Debatten kaum geführt werden und Kontrolle äußerst selten ausgeübt wird – geht es zur Stunde u.a. um einige Dopingthemen.
Nachdem sich die Parlamentarier und Sport-Lobbyisten, Volksvertreter mag ich wirklich nicht sagen, monatelang erfolgreich um einen Besuch in der olympischen Krisenregion München/Garmisch-Partenkirchen gedrückt und das Thema – jedenfalls nicht unter Einbeziehung der Olympia-Opposition – nie wirklich auf die Tagesordnung gerückt hatten, geruhten sie am vergangenen Sonntag/Montag in Bayern zu weilen. Jetzt, da die politischen Entscheidungen längst gefällt sind – eine Alibi-Veranstaltung, die zurecht medial unterging.
Heute in Berlin also u.a. diese Themen:
Zu TOP 4 äußern sich der Mainzer Wissenschaftler Perikles Simon sowie die Chefs der Dopingkontrolllabore Köln, Wilhelm Schänzer, und Kreischa, Detlef Thieme. Die Argumentationen hier im Original, wobei wieder einmal Simon mit einer knallharten Analyse herausragt. Er argumentiert zum Beispiel:
- … dass es nicht sinnvoll ist, so wie gegenwärtig weniger als 2% der im Dopingkampf eingesetzten Gelder für die Weiterentwicklung der Analytik auszugeben. Reines Steroiddoping, welches wir sehr gut nachweisen können, gab es vor 30-40 Jahren. Molekulares Doping und Doping mit Peptidhormonen ist heutzutage relevant. Hierfür haben wir noch keine suffizienten Nachweise. Die Anti-Dopinglaboratorien, die es weltweit gibt, alleine mit der Entwicklung der ganzen neuen, dringend notwendigen Nachweisverfahren zu beauftragen oder diese Entwicklung implizit „für umsonst“ zu erwarten, ist gescheitert. Es sind dringend in Zukunft Synergie Effekte mit der modernen Pharmakologischen, Molekularbiologischen und Genetischen Forschung und der entsprechenden Molekularen Diagnostik zu suchen, die an den Universitäten und in der Industrie hervorragend infrastrukturell in Deutschland entwickelt und ausgebaut sind. Oftmals ist Forschern gar nicht klar, dass man das, an was sie arbeiten, auch im Anti-Dopingkampf nutzen könnte.
- … wird Forschungsgeld für die Entwicklung der Analytik geeignet – also z.B. durch eine korrekte Begutachtung über die DFG, oder international renommierte Gutachter, wie bei der WADA- bereitgestellt, dann kann man auch hoffen, dass neue, effektivere Verfahren entwickelt werden.
- … im Hinblick auf die momentan miserable Erfolgsquote der Analytik wäre es sehr sinnvoll zu sehen, wie man die Ausgaben im Bereich der konventionellen Analytik deutlich senkt (30-40%), um die frei werdenden Mittel u.a. verstärkt für die Entwicklung einer deutlich suffizienteren Analytik sowie für andere Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu verwenden. Alleine wenn man die Punkte (…) effektiv angeht, dürften diese 30- 40% auch in Deutschland eingespart werden können, ohne dass ein deutscher Athlet sich hierdurch „schlechter kontrolliert“ fühlt.
- … Die großen Sportverbände tragen die „ finanzielle Hauptlast“ für die momentanen Kosten im Anti-Doping Kampf. Es müssten Strategien und Konzepte entwickelt werden, die großen Verbände zu motivieren bei den Punkten (…) mitzuarbeiten. Hierfür wäre es m.E. notwendig wissenschaftlich zu belegen, dass ein auf Dauer nicht effektiv genug geführter, oder eben auch ein unglaubwürdiger und schlecht konzipierter Anti-Dopingkampf zu finanziellen Schäden für die Verbände führt. Sollte dies nicht belegbar sein, oder auch gar nicht den Tatsachen entsprechen, so halte ich persönlich einen befriedigenden Anti-Dopingkampf im Spitzensport anhand von Dopinganalytik, leider auf dem derzeitigen Wissensstand nicht in absehbarer Zeit für realisierbar. Wir müssten hierfür noch mindestens 10 bis 50-mal effektiver werden, ohne Innovationen entwickeln zu können. Das ist nicht realistisch. Ich würde dann empfehlen verwendete Steuergelder im Anti-Dopingkampf auf die Dopingprävention, den Anti-Dopingkampf im Nachwuchsbereich und im Breitensport zu fokussieren und Doping im Spitzensport im wesentlichen über entsprechende Anti-Dopinggesetzgebung und scharfe Verfolgung mittels Durchsuchungen im Allgemeinen (emails, Häuser, Überwachung und Kontrolle von Finanztransaktionen) zu begegnen.
- … ein auf nicht-analytischem Weg überführter Doper kostet zur Zeit nach nicht offiziellen Schätzungen nur etwa 30-50 Tausend US$. Diese Gelder sind somit im Moment schon 10mal effektiver eingesetzt, als Gelder für die Dopinganalytik. Sollten deutsche Juristen bezüglich dieser Vorgehensweisen Probleme sehen, so ist dies m.E. nicht praxisrelevant, da es im globalisierten Spitzensport reichen dürfte, wenn in ein paar Schlüsselländern diesbezüglich Umsetzungen erfolgen.
Die Unterschiede in den Notizen der drei Experten sind teilweise gravierend.
Moin, moin. Bin noch auf der anderen Seite des Atlantiks – gerade von Seattle in Chicago gelandet, über München geht’s in die Heimat – und kann deshalb nicht die Sportausschuss-Sitzung heute in Berlin verfolgen (und kann in diesem Beitrag auch nicht gewohnt oft verlinken). Ich sage das so ausführlich, damit mir Klaus Riegert (CDU/Schwäbischer Turnerbund) nicht Falsches behauptet.
Schade eigentlich, dass ich nicht im Bundestag sein kann, denn ich glaube, es ist mal wieder an der Zeit, den Damen und Herren Volksvertretern auf die Finger zu schauen – und natürlich den Sport-Ministerialen des BMI.
Die Meldung des Tages gibt es allerdings hier schon vorab, sie lautet:
Zu jenen Sportfachverbänden, die gemäß dem Antidopingbericht 2008 einen Teil ihrer Fördermittel (Steuermittel) zurückzahlen müssen, zählen zwei der gerade in Vancouver erfolgreichen Verbände:
VANCOUVER. Hier wollen sie rein. Mohamed Bin Hammam, Chung Mong-Joon, Michel Platini, Jack Warner und einige andere. Das ist der Fingerscanner zu Joseph Macchiavelli Blatters Büro im FIFA House in Zürich. Die Tür zum Machtzentrum des Weltfussballs öffnet sich nur für Sepp. Nein, es geht nicht um Fingerabdrücke, die die Cops von FIFA-Funktionären nehmen.
Die Frage ist, ob dieser Schlüssel zum Glück im Sommer nächsten Jahres neu programmiert werden muss. Ob die Finger eines anderen FIFA-Supremo eingescannt werden müssen. Oder ob sich Sepp nicht schon früher verabschiedet.
Einen außerordentlich fiktiven, grandiosen, frei erfundenen, satirischen Beitrag zur Situation eines großen Sportverbandes hat Andrew Jennings geschrieben.
Lesebefehl!
Eine Kostprobe:
„The Autumn of Football’s Patriarch“
by Andrew Jennnings
THE OLD MAN, he’s 74 in a few weeks, sits upright in his uncomfortable leather chair and gazes towards his interviewer a yard and a half from his eyes. He’s been waiting many months for her and, appreciating her good fortune, she is reverential, notebook on her knee and pen in hand but only the audio recorder balanced on the arm of her matching chair can capture the nuances of his long-rehearsed delivery.
All must be in its place for the set-piece, decorating his life’s narrative. Behind his head, a replica golden World Cup Trophy. On the coffee table is a branded banner, maybe 18 inches high, with his final attempt to be taken more seriously than he knows he deserves, the contrived slogan ‘For the Game, For the World.’
He is dressed as the mortician would like to receive him, pale blue shirt, slightly darker tie, dark suit, skull polished, remaining hairs smoothed back to his neck. Outside the polished aluminium window frame it is still late winter on the bleak hill above Zurich. (…)
Over-shadowing the endgame of Patriarch is the flapping jalabiyya of the man who once bankrolled him but now, between mouthfuls of honey, dates and coffee, practices swinging the curved executioner’s sword.
‘With Mohamed, we had a wonderful time together as friends up to the last congress in May,’ says Patriarch. ‘All of a sudden our friendship was broken. Ask him, why? I don’t know.’
OH YES HE DOES. Patriarch went behind the back of the man from the Gulf, and 14 months from now there must be retribution in football’s Chop Square. Such an inept manoeuvre shows the Big P is losing his touch. To mock a man backed by an Emir’s billions is unwise.
The alliances that will form the death squad are still being negotiated. There’s a second shadow, a kimchi billionaire of heavy industry and politics from the Far East and nearer home, dangerously near, across a few Alpine ranges to the south and closeted with his advisors in his modern palace overlooking Lac Geneva, the third shadow of a charismatic, curly-haired, beautiful former athlete.
Unlike Patriarch, this man’s tie, shirt collar and jacket always look dishevelled, as if he’s come straight from a kickabout in the car park. In his homeland, France, he cannot walk the streets without being mobbed. Patriarch never knew such popularity, such love. (…)
When his long-time Polish girlfriend Ilona walked out in late 2008 he knew his game would henceforth be going down, not up. Increasingly disorientated, he has fumbled his way through recent public appearances.
He giggled away concerns of John Terry’s philandering as ‘Anglo Saxon’ exceptionalism. ‘If this had happened in, let’s say, Latin countries, then I think he would have been applauded.’ There was a kind of group holding of breath. Then embarrassment rippled across the world.
A man who has worked with him for much of two decades and watched him when he didn’t, says Patriarch is now a confused specimen. ‘In his own mind he casts himself as a victim, now doubting he can anymore walk on water.’
When Patriarchs summon God to support their cause, you can hear the mortician cough and reach for his measuring stick. ‘If I’m still wanted by the congress and God will give me health I will go, but if the congress says no, then I will say ‚thank you,’ meaning he’s undecided when exactly to reach for his coat and turn in the car keys.
Uh huh. Why did she wait so long to give us this second, fin de siècle announcement. It is because she defers to the Great Dictator but we are the lucky ones because she lets him dictate his obituary as he would wish it were constructed for his favourite newspaper, the Neue Zürcher Zeitung.
BACK TO Patriarch’s custom-built mirror. He dazzles himself with talk of his 35 year ‘mission’ to make the world a better place but still his meanness writhes in a dark corner as he tells her that ‘unlike former presidents’ (that’s one in the shrivelled nuts for the previous Patriarch, now aged 93 and, in Rio, beyond the reach of the Swiss cops) he has been ‘committed to a wide range of humanitarian projects.’
Fighting child labour: Tick that box. UNICEF, tick again. Fair Play, Respect, Discipline, Social Advancement, Mutual Understanding, Eradicate Polio, Improve Public Health.
Switch Ticking machine to rapid fire, fax results to NZZ Obituaries Department.
Keep reading, here’s Patriarch’s ‘Love Affair With Africa.’ Indeed he so much loves Africa that, lacking a son, he has bequeathed it to Nephew. Patriarch talks frequently of the Family of Football – but when there’s money to be extracted, it’s a very small family. Nephew has been given an enormous chunk of the television rights to the Big Games in South Africa this year and if that isn’t enough, he’s been gifted a large bite size of the ticketing for the corporations. (…)
read more on www.transparencyinsport.org
Ich war immer skeptisch und habe die nimmermüde, einmalig begeisternde Euphorie meines Freundes Andrew Jennings selten verstanden, diesmal aber komme ich ins Grübeln. Denn es ist ja so: Die neuen Herausforderer Bin Hammam und Chung haben nicht nur Geld und eine Hausmacht, sie haben im Laufe der Jahre Wissen angesammelt, das Sepp akut gefährdet.
Nicht zu vergessen: Während des Wahlkampfes um die FIFA-Präsidentschaft, während der gigantischen Schlacht um die Weltmeisterschaften 2018/2022 bleibt der Posten des Chefs der FIFA-„Ethikkommission“ verwaist – denn Lord Sebastian Coe hat sich ja vor mehr als einem Jahr beurlauben lassen.
Sollte man deshalb besser sagen: Die FIFA hat weder eine Ethik, noch eine Ethikkommission, noch Mitglieder einer Ethikkommission? (Der Link auf der deutschen FIFA-Webseite führt ins Leere, auf der englischen Variante steht seit langer Zeit: The new composition of this committee will be confirmed in due course.)
Geschäftsethik beweist die FIFA auch nicht immer. Der VISA-Mastercard-Gerichtsgang, der den Verband rund 100 Millionen Franken kostete, hat das einst grandios bestätigt. In den Gerichtsakten fand sich damals eine FIFA-interne Email, in der sich die Kameraden um den damaligen Vielfachlügner, danach von Blatter gefeuerten und kurz darauf zum Generalsekretär ernannten Jérôme Valcke gefragt:
„Was müssen wir tun, dass es wenigstens ein bisschen so aussieht, als habe die FIFA-Geschäftsethik?“
Sehr gute Frage. Nächste Frage bitte. Oder mal Jack Warner fragen.
Einige Fragen, die ich FIFA-Medienchef Nicolas Maingot gestellt habe, sind noch offen. Derweil ein kurzer Nachklapp zum gestrigen Beitrag, eine Zusammenfassung, erschienen u.a. in Berliner und Süddeutscher Zeitung:
Achtung, Überlänge: Ich konnte vergangenen Freitag leider nicht beim Neujahrsempfang des DOSB in Frankfurt/Main sein. Und werde morgen leider auch nicht die Pressekonferenz der Münchner Olympiabewerber in München besuchen können. Frankfurt und München sind doch ein bisschen weitab vom Schuss, und mir fehlen die Sponsoren für all die teuren und zeitaufwendigen Reisen. Leipzig war damals bequemer. Doch egal, ich will nicht klagen, im Grunde bleiben wir hier ja durchaus auf dem Laufenden, wenngleich ich den Herrschaften gern energischer auf die Pelle rücken würde, so wie damals in Leipzig.
Für Hartgesottene wieder eine Lektüre: Jener Teil der Rede von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) auf dem Neujahrsempfang, den der DOSB-Pressedienst gerade dokumentiert hat. Klingt kampfeslustig wie immer, aber auch ziemlich angefressen. Kampfeslustig muss er sein, weil er es ja nicht nur, wie es in seinem Vortrag anklingt, mit renitenten Umweltschützern, Grünen, Christsozialen und unverbesserlichen Journalisten zu tun hat, sondern weil er – wie oft genug aus zuverlässigen Quellen verlautet – mitunter sehr verärgert gewesen sein soll über den DOSB. Aber er würde es sicher nie öffentlich zugeben. Schließlich ist der Sportbund Mehrheitsgesellschafter (allerdings ohne entsprechend mehr für die Party zu zahlen, zahlen die überhaupt?).
Münchens Oberbürgermeister Ude: „Wir werden alle Register ziehen“
Christian Ude, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München und Vizepräsident des Deutschen Städtetages, hielt die Ansprache beim Neujahrsempfang des Deutschen Olympischen Sportbundes am 22. Januar im Frankfurter Römer. Sein Thema: die Bewerbung Münchens und Garmisch-Partenkirchens um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018. Als stellvertretender Vorsitzender der Gesellschafterversammlung ging Ude dabei vor den rund 300 Gästen des Empfangs im Kaisersaal auch auf jüngste Kritik an der Bewerbung ein. Wir veröffentlichen die Rede in Auszügen.
„ (…) Man kann natürlich bei einem Thema wie der olympischen Bewerbung vor einem so sportbegeisterten Publikum wie diesem einfach im Konsens baden oder aber auch den einen oder anderen Widerspruch draußen aufgreifen, um sich mit ihm auseinanderzusetzen. Ich tendiere zur zweiten Möglichkeit, weil es einfach interessanter ist und auch aktuell geboten.
Denn vielleicht haben Sie (…) gelesen, dass es ganz triste Nachrichten um die Bewerbung geben soll: (…) dass es leider nur eine ganz kümmerliche (…) Mehrheit von 57 Prozent der Garmischer gibt, die für die Spiele sind, während eine beeindruckende (…) Zahl von 27 Prozent kritisch gegenüberstehen. Das ist mir relativ neu, dass 57 Prozent Mitleid erregend und 27 Prozent imposant sind, aber man kann mit einigen Kniffen der propagandistischen Darstellung natürlich ein gewünschtes Meinungsbild herbei schreiben. Wenn man bedenkt, dass 16 Prozent noch keine Meinung haben, ergibt sogar diese Umfrage eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Und das in einer Situation im November vergangenen Jahres, als die örtliche CSU noch ein Bürgerbegehren gegen Olympia propagiert hat. (…)
Vielleicht sind wir Kommunalpolitiker einfach bescheidenere Leute – aber ich war mit Zwei-Drittel-Mehrheiten immer ganz zufrieden.
Die Stimmung ist ja in Wahrheit beglückend, wenn ich daran erinnern darf, was alles seit dem 8. Dezember 2007 geschehen ist, als der Deutsche Olympische Sportbund sich einstimmig hinter die Münchner Bewerbung gestellt hat. (…) Das war die Initialzündung an die Stadt München, an die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen und an den Landkreis Berchtesgadener Land, sich um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2018 zu bewerben.
Kurze Unterbrechung, so habe ich damals die DOSB-Mitgliederversammlung in Hamburg erlebt und für die Berliner Zeitung beschrieben:
Todernste Begeisterung
Auf einem Konvent der inhaltlichen Leere beschließt der DOSB die Olympiabewerbung 2018
HAMBURG. Um 13.58 Uhr packte Rudolf Scharping seine Sachen. Die Vollversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) war noch lange nicht beendet, als Scharping beschwingt aus dem Börsensaal der Hamburger Handelskammer schlenderte. Er hatte genug gehört, korrekter muss es allerdings heißen: Er hatte gar nichts gehört. Denn, rein theoretisch: Hätte man sich nicht vorstellen können, dass der DOSB die erdbebenartigen Skandale des Jahres 2007 thematisiert? Dass die Blutdopingpraktiken der Freiburger Universitätsmedizin, seit Jahrzehnten enger Partner des DOSB und seiner Vorgänger DSB/NOK, in angemessener Weise gewürdigt werden? Etwa in einem Überblick zum Stand der Ermittlungen und möglichen Maßnahmen des Sports? Dass das systematische Doping im Team Telekom, im Radsport überhaupt, verhandelt wird? Das Chaos in der Nationalen Antidopingagentur Nada und in den Verbänden wegen Hunderter verpasste Trainingskontrollen? Die mangelnde Bereitschaft der Spitzenverbände, im kommenden Jahr höhere Kosten für Dopingkontrollen zu begleichen? Oder, weil es ja auch um die Winterspiele 2018 ging: Das Vermarktungsdesaster des Deutschen Skiverbandes – wurde das etwa thematisiert?
Nein, davon hat Rudolf Scharping, Präsident des unsäglichen Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), nichts gehört. Sicher, einige Punkte wurden in der Rede des DOSB-Präsidenten Thomas Bach mit wenigen Worten gestreift. Das meiste aber blieb gänzlich unerwähnt. Niemand wurde kritisiert. Nichts wurde aufgearbeitet. Eine Debatte fand nicht statt. Kein Wunder, dass Scharping lächelnd abmarschieren konnte.
100 Prozent Zustimmung
Bach sprach von einem Bewusstseinswandel, der nötig sei; regte an, keine Rekordprämien mehr zu zahlen; auf Tempomacher, so genannte Hasen, in der Leichtathletik zu verzichten; im Fernsehen keine Weltrekordmarken mehr einzublenden. Kurzum: Er klaubte ein paar Forderungen zusammen, auf die er nicht das Copyright hat. Forderungen, die von kritischen Geistern in den Medien, in der Wissenschaft, sogar im Sport teilweise seit Jahrzehnten vorgebracht werden, ohne dass Funktionäre vom Schlage Bach dies jemals unterstützt hätten. Und schließlich zwirbelte Bach Halbsätze wie diesen: Er behauptete, deutsche Athleten würden die „Null-Toleranzpolitik zur Erhaltung und Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit des Sports“ unterstützen.
So sieht sie also aus, diese „Null-Toleranzpolitik zur Erhaltung und Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit des Sports“: Keine Debatte. Das Ausblenden elementarer Sachverhalte. Keinerlei Rechenschaftslegung. Keine Rechenschaftsforderung an jene – und davon saßen viele im Börsensaal – die lange Jahre mit Dopern kollaborierten.
In seiner inhaltlichen Leere war es ein beängstigender Konvent. Draußen auf den Fluren, aber nur dort, konnte man es von den Delegierten hören, wenn man hören wollte: Es sei ja kein Wunder, dass es so zugehe; wer hier seine Meinung sage und kritisiere, der habe bald nichts mehr zu sagen – aber bitte, nicht zitieren! Keiner wollte seinen Namen in der Zeitung sehen. Man frage nach bei Helmut Digel: Wer Wahrheiten formuliert, verliert rasant schnell Einfluss und Posten.
Zu welchem Tagesordnungspunkt auch immer, ob nun zur Münchner Olympiabewerbung oder zur Einführung des Deutschen Sportausweises, wenn sich überhaupt jemand zu Wort meldete aus dem Plenum, dann lieferte er, wie bestellt, eine Grußadresse ab. Hier saßen die Vertreter von 27,5 Millionen Vereinsmitgliedern. Es war eine gespenstische Atmosphäre, die ihren Höhepunkt erreichte, als Bach in der München-Frage Einmütigkeit abverlangte: „Deshalb rufe ich Ihnen zu, stimmen Sie zu! Wenn wir alle begeistern wollen, müssen wir zunächst selbst begeistert sein! Zeigen Sie Ihre Begeisterung nicht nur mit Ihrer Stimmkarte, zeigen Sie sie mit voller Begeisterung.“
Daraufhin gab es etwa fünf Sekunden braven Applaus.
Anschließend zückten, wie erwartet, sämtliche Delegierten ihre Kärtchen und erklärten München mit seinen beiden Partnern Garmisch-Partenkirchen und Schönau zum Bewerber um die Olympischen Winterspiele 2018. Eher zögernd erhoben sich die Funktionäre und applaudierten im Stehen, damit dieser Moment für die Nachwelt festgehalten werden konnte, denn so war es geplant: Einmütigkeit im deutschen Sport. Als Synonyme ließen sich in beliebiger Anzahl und Kombination auch Begriffe wie Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit, Feigheit, Bequemlichkeit, Ideenlosigkeit, Geistlosigkeit, Opportunismus, Oberflächlichkeit verwenden.
Während der anschließenden Kaffeepause wurde nicht etwa vergnügt geplaudert. Es blieb auffällig ruhig – als sei es den Sportkameraden doch peinlich gewesen, hundertprozentig einer Meinung gewesen zu sein. In einer Ecke sprach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Mikrofone und erklärte mit todernster Miene seine Begeisterung über die Begeisterungsfähigkeit des deutschen Sports.
Einige Lesebefehle. Zunächst Fachliteratur von und mit Volksvertretern des Deutschen Bundestages:
Korruption & more:
Was ist eigentlich ein „kritischer Schulterschluss„, über den der FDP-Sportabgeordnete Thomas Bach Detlef Parr neulich im Bundestag fabulierte? Ich weiß es…
(Die Notizen von Robert Kempe, der freundlicherweise die Berichterstattung über die Umfaller und Sportlobbyisten aus dem Bundestag übernommen hat, sind jetzt komplett online. Vielen Dank noch einmal an Robert! Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, Aussagen der kenntnisreichen und aufrechten Volksvertreter mitunter zu kommentieren und habe das kenntlich gemacht.)
Zuvor noch der Beitrag von Herbert Fischer-Solms im Deutschlandfunk:
Hier der Bericht:
von Robert Kempe
Ein straffes Programm gibt die 77. Sitzung des Sportausschuss heute vor, 15 Punkte gilt es abzuhandeln. Als sicher am interessantesten zu beurteilen sind die Tagesordnungspunkte:
Es ist pervers: Der organisierte Sport war über 20 Jahre nicht an einer Aufarbeitung interessiert, schlimmer, er war mit Billigung oder sogar Unterstützung von BMI und BISp Täter, z.B. bei der Anstellung belasteter Trainer …
Professor Gerhard Treutlein, Leiter des Zentrums für Dopingprävention an der PH Heidelberg, der sich hier im Blog schon mit einem Grundsatzbeitrag zur Vergangenheitsaufarbeitung beteiligt hat und seitdem auch regelmäßig mitdiskutiert, schreibt heute einen Offenen Brief an Clemens Prokop, den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV):
Sehr geehrter Herr Dr. Prokop,
am 18.3.2009 habe ich Ihnen geschrieben und Ihnen meine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Da ich bis heute keine Antwort von Ihnen erhalten habe, gehe ich davon aus, dass ich für Sie einer Antwort nicht würdig bin. Weitere Schreiben an die Verantwortliche für die Dopingproblematik im DLV, RA Anne Jakob, im Jahr 2008 wurden ebenfalls nicht beantwortet, ebenso wenig die in den Schreiben gestellten Fragen. Die von Ihnen in anderer Richtung signalisierte Gesprächsbereitschaft scheint mir gegenüber nicht zu bestehen, weshalb ich meine Schreiben an Journalisten weitergebe.
Sie haben der Presse gegenüber begrüßt, dass sich fünf Trainer erklärt haben (ohne inhaltliche Konkretisierung). Meines Wissens waren Sie früher aktiver Leichtathlet und sind seit 1993 Mitglied des Präsidiums des DLV, bzw. seit 2001 Präsident. Sie dürften deshalb – über den Inhalt der Bücher von Singler und Treutlein hinaus – weit reichende Kenntnisse zur Leichtathletik, zur Dopingproblematik und zum westdeutschen Sport haben. Deshalb ist für mich verwunderlich, warum erst jetzt eine Erklärung der fünf Trainer erfolgt und warum nicht weit früher Personen wie z.B. – in unsystematischer Reihenfolge – Blattgerste, Steinbach, Kern, Thiele, Schubert, Bechtold, Steinmetz, Spilker u.a.m. zu einer umfassenden Offenlegung der Vergangenheit gedrängt wurden. Erst die Bereitschaft solcher Personen (ebenso in anderen Verbänden), zur Aufklärung der Vergangenheit beizutragen, würde dem 500.000-Euro-Auftrag zur Dopingvergangenheit eine gewisse Berechtigung geben.
Welche konkreten Erwartungen hat der DLV an ein solches Dopinggeschichte-Projekt? Ist der DLV überhaupt an einer Aufarbeitung der Dopingproblematik in seinen eigenen Reihen interessiert?