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Das Olympische Bildungsmagazin

„Ungefähr zwölf Stadien“: Bewerbung um die Fußball-WM 2018/2022

Mal was anderes, bevor ich mich auf den Weg von Durban nach Kapstadt mache: Das ist der Fingerprintsensor an der Tür zu Sepp Blatters Büro. Da gibt es keinen Schlüssel.

fingerprint

Wer würde nicht seinen Finger gern mal da drauf legen und sich Zugang zu den gut behüteten Geheimnissen der Fußballwelt verschaffen. Aber ich schweife wieder ab, deshalb geschwind zum Thema:

„Ungefähr zwölf Stadien“, viel mehr braucht es eigentlich nicht, um eine Fußball-WM auszutragen. Nun ja, ein bisschen Infrastruktur noch, schon kann es losgehen. So steht es Im Zirkularschreiben des Weltverbandes Fifa zur Bewerbung um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Die Meldung des Tages kommt ja, wie ich finde, aus Indonesien. Denn neben Australien, England, Russland, Holland/Belgien, Spanien/Portugal, Katar, China, USA, Mexiko, Kanada, Japan (soweit mal die Liste echter und unechter Kandidaten) mag nun auch Indonesien mitbieten.

The Indonesian football federation, or PSSI, officially expressed interest in staging the tournament to FIFA, the sport’s governing body, late Tuesday in Zurich, becoming the sixth potential host to add its name to the list of hopefuls ahead of Monday’s deadline.

Persönlich freue ich mich sehr darüber, weil ich denke, im Verlaufe dieser Bewerbung kann ich mal wieder die alten Geschichten über einen meiner Lieblingsganoven (gewiss, ich benutze diese Vokabel inflationär) ausgraben und aktualisieren: Mohammad Bob Hasan. Das wird unterhaltsam, dieses Ganoventreffen bei der WM-Bewerbung, ich verspreche es. Wenn Taiwantschik auf Bob Hasan, Jack the Ripper, Don Julio, Ricardo und Nicolas trifft und Russisch Roulette spielen will, wird das bestimmt eine Gaudi.

(Für Anwälte: ich bezeichne nicht jede der Personen in den soeben verlinkten Beiträgen als Ganoven und distanziere mich ausdrücklich davon, mir unter Umständen unterstellen zu wollen, ich hätte den Fifa-Präsidenten als solchen tituliert, was ich nicht vor hatte, nie vorhaben werde und selbstverständlich ganz differenziert betrachte.)

Als außerordentlich interessierte Beobachter dürfen wir uns sehr auf diesen wunderbaren Wettbewerb um die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 freuen. Ich sage: Danke, Sepp! Und die Engländer – wie mein alter Kumpel Mihir Bose, der bereits die Stimmen der 24 Fifa-Exekutivmitglieder hochrechnet, und er ist wirklich sehr gut bei diesen Hochrechnungen – machen sich schon wieder in die Hosen.

Am kommenden Montag ist also Bewerbungsschluss für die Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Fifa-Präsident Blatter hatte vor einem halben Jahr auf dem Kongress in Sydney seinen Plan durchgepeitscht, die Weltmeisterschaften gemeinsam zu vergeben. Mit dieser Idee überraschte der flotte Sepp offenbar sogar die Verfasser der Fifa-Pressemitteilungen, denn die doppelte Bewerbung war damals nicht wirklich ein Thema. So viele Merkwürdigkeiten, kleine und große. Vor zwei Wochen nun der Zirkularbrief. Interessenten können sich „entweder für 2018 oder für 2022 oder für beide Turniere“ bewerben. Stolz teilte die Fifa mit, die kuriose WM-Ausschreibung beträfe für 2018 immerhin 145 Nationalverbände, für die WM 2022 sogar 198. Da wurden Fußball-Giganten wie Vanuatu, Anguilla, Andorra oder die Faröer Inseln einfach mitgezählt. Tatsächlich kommen weniger Nationen in Frage. Für 2018 dürfen sich nur Afrikaner und Südamerikaner nicht bewerben, die 2010 (Südafrika) und 2014 (Brasilien) die WM austragen. Für 2022 fallen südamerikanische Bewerber aus.

Bis 2. Februar muss das Interesse schriftlich bekundet werden. Im März wird das Bewerbungsformular eingereicht, im Mai 2010 das Bewerbungsbuch – und im Dezember 2010 entscheiden die 24 Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees über beide Titelkämpfe. Noch einmal die Liste potenzieller und tatsächlicher Kandidaten, die wir am Montag „offizialisieren“ (© Blatter, Sepp) können: Indonesien, England, Australien, Japan, China, USA, Kanada, Mexiko, Russland, die Doppelbewerbungen von Spanien/Portugal und Holland/Belgien – und natürlich Katar, Heimat des Fifa-Exekutivlers Mohamed Bin Hammam, der auch Präsident der Asien-Konföderation (AFC) ist. Wichtig zu wissen, denn Australien ist kürzlich aus der ozeanischen Konföderation in die asiatische gewechselt. Die Australier, deren Regierung bereits 45 Millionen Dollar für die Bewerbung genehmigt hat, betrachten sich kühn sich als Favoriten für 2018. (Im australischen Verband hat übrigens einige Jahre Corinne Blatter gearbeitet, die Tochter des Großmeisters, die dem Papa 1998 den Fifa-Wahlkampf mit organisiert hat und heute daheim in Visp u.a. seine Stiftung betreut, die „Sepp Blatter Football and Humanity Foundation“.

In der Führungsposition wähnen sich natürlich auch die Engländer, die einmal mehr mit tollpatschigen sportpolitischen Einlagen aufwarten. Lord David Triesman, Chef der Football Association (FA), hat kürzlich ausgerechnet den ehemaligen Fifa-Kommunikationsdirektor  und Pet Shop Boy Markus Siegler und den langjährigen Blatter-Berater Peter Hargitay davon gejagt. Siegler und Hargitay sollten helfen, die WM zu akquirieren. Das ist irgendwie schief gelaufen. Der aktuelle Stand:

Schweizer Illustrierte / Marianne Cathomen & Markus Siegler / Frisch verheiratet

  • Triesman ist laut Charles Sale (Daily Mail) in der Kritik, weil er sich für 2009 und 2010 einen Bonus von 100.000 Pfund jährlich als Chef des Bewerbungskomitees genehmigen will (oder schon hat).
  • Siegler, als Mann an der Seite des Schlagersternchens Marianne Canthomen übrigens Stammgast im Boulevard (was Sepp nicht gefallen hat, weil Markus die besseren Schlagzeilen und Videos hatte), will Präsident des Schweizer Fußballverbandes werden; gewählt wird im Juni 2009.
  • Hargitay pflegt seine guten Beziehungen zu Bin Hammam (stimmt doch, Peter?).
  • Und England hatte bereits vor der indonesischen Bewerbung Angst, und zwar, seit vor zehn Tagen Spanien und Portugal ihre gemeinsame Bewerbung bekundet haben. Schon werden die Stimmenpakete berechnet und die drei Exekutivmitglieder aus Südamerika ängstlich den Iberern zugeschrieben.

Die Kombination aus zwölf potenziellen Bewerbern und zwei Weltmeisterschaften ergibt unzählige sportpolitische Lösungsmöglichkeiten. Zumal als Faktoren noch die laufende Olympiabewerbung für die Sommerspiele 2016 berücksichtigt werden muss – so wird sich Japan nur für eine Fußball-WM bewerben, wenn Tokio nicht Olympiastadt wird -, und die wichtigste Personalie der Fifa: Denn Joseph Blatter will im Sommer 2011, dann wäre er 75 Jahre alt, seine vierte Amtszeit antreten. Blatter wird die Doppel-WM-Bewerbung geschickt nutzen, um Stimmenpakete zu verschieben und Abhängigkeiten zu schaffen. Die bringt besonders seinen langjährigen Stimmenbeschaffer und nunmehrigen WM-Bewerber Bin Hammam in die Bredouille, galt er doch als möglicher Kronprinz des Schweizer Patriarchen. Mal sehen, ob der Franz auch mitspielen mag und vielleicht sogar sein alter Spezie Fedor Radmann wieder auftaucht.

Der gerissene Taktiker Blatter hat noch einen juristisch-politischen Trumpf in der Hand: Denn schließlich will er die 2008 vom Fifa-Kongress verabschiedete, umstrittene 6+5-Regel durchsetzen. Die Fifa will, dass ab der Saison 2010 in Klubmannschaften mindestens sechs einheimische und maximal fünf ausländische Spieler in der Startformation stehen. Dies verstößt klar gegen europäisches Recht, weshalb Blatter & Co. mächtig Lobbyarbeit betreiben. Die europäischen Sportminister haben die EU-Kommission kürzlich aufgefordert, das Vorhaben zu überprüfen. Am Montag debattierte Blatter mit IOC-Präsident Jacques Rogge und anderen hochrangigen Funktionären mit EU-Kommissar Jan Figel in Lausanne. Ändert Europa nicht die Gesetze zugunsten der Fifa, dürfte/könnte Blatter sich querstellen: Dann müsste England, das sich sehnlichst die WM 2018 wünscht, vielleicht sogar bis 2030 warten.

Die Kernfrage, warum zwei Weltmeisterschaften im Paket vergeben werden, hat bisher niemand beantwortet. Offiziell behauptet die Fifa, durch die gekoppelte Vergabe lasse sich mehr Geld von TV-Sendern und Sponsoren erlösen – dies allein sei der Grund. Dafür haben Insider des Fifa-Imperiums nur ein müdes Lächeln übrig. Notorische Abkassierer in Blatters Reich dürften von einer Doppelbewerbung reichlich, um nicht zu sagen: doppelt profitieren. Aus gewöhnlich gut informierten (Ironiesmiley) Fifa-Kreisen verlautet übrigens, weder Jack Warner noch sein Kompagnon Chuck Blazer (Exkutivmitglied aus den USA) hätten den Ethik-Code des Verbandes unterschrieben – ich muss mal den formidablen neuen Fifa-Kommunikationsdirektor Hans Klaus fragen: Gruezi, Herr Klaus, stimmt das?

Ethik-Code hin oder her. Ist vielleicht auch nicht so schlimm, denn Sebastian Coe, Chef der Fifa-Ethik-Kommission, drückt gern mal ein Auge zu und hat als Organisationschef der Olympischen Sommerspiele 2012 gerade andere Sorgen.

Es bleibt spannend. Es wird heiß. Da muss die Klimaanlage im Fifa-Hauptquartier richtig aufgedreht werden:

fifaklimaanlage

Nur damit niemand auf dumme Gedanken kommt: Das ist selbstverständlich die Fifa-Klimaanlage.

14 Gedanken zu „„Ungefähr zwölf Stadien“: Bewerbung um die Fußball-WM 2018/2022“

  1. Wahrlich, ein wunderschöner Text. Danke.

    Was diesen verchromten, etwas übergroßen Wandaschenbecher betrifft, den der Sepp als „Fingerprintsensor“ ausgibt: Jens, hol Dir aus der Videothek „Mission Impossible“ und steig ein in die Hütte. Du hast schon ganz andere Sachen geknackt.

  2. Ja, halt stop bitte! Ich finde diese Andeutungen, dass man mit einem magischen Finger da an irgendwelche total geheimen Geheimnisse kommt, doch nicht mehr in Ordnung.
    JayBe („Der Blatter, Sepp“ finde ich nicht gut und sorry dafür, dass ich mein Heftchen mit den offiziellen Kosenamen (Witzbolt, UDIOCM, Pharao, unglaublicher Demagoge,…) verlegt habe) beschäftigt sich nämlich sicher nur den ganzen Tag mit den ganzen langweilligen administrativen Aufgaben und hat sicher keine Erkenntnis darüber, was für böse Sachen seine Untergebenen so treiben! Das möchte ich bitte noch festgehalten wissen. ;D

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