Vor einigen Jahren hat mich Joseph Machiavelli Blatter, Friedensnobelpreisträger in spe und derzeit noch FIFA-Präsident, mal für ein TV-Interview in sein Zürcher Domizil eingeladen. (Zumindest in jene Wohnung, die er mir als sein Domizil verkaufte.) Dort plauderten wir über Otto Schily und die ISL, über Ruhm und Korruption und die Jungfrau Maria von Guadalupe, über Beziehungskrisen und damit also auch über seine Einsamkeit. Dann löste Sepp vor der Kamera ein Puzzlespiel, das ich ihm mitgebracht hatte: Die neun Gesichter des Joseph B. …
… und ging schließlich auf seinem Lieblingsplatz in Stellung, auf seiner roten Fernsehcouch …
Wenn er ausnahmsweise mal daheim ist in Zürich (und nicht gerade in sein Reduit ins Wallis rast), dann guckt er gern in die Glotze. Fußball, Krimis, Nachrichten, was halt so anliegt. Dabei kann er sich am besten entspannen, sagt Sepp. Ich meine, wer macht es sich nicht gern auf der Couch bequem? Sepp ist auch nur ein Mensch, ein besonderer zwar, Friedensnobelpreisträger in spe, aber noch immer ein Mensch.
Komisch, ich musste an Sepp auf dem Sofa denken, als mir ein Freund gestern den Link zu einer Geschichte auf 20 minuten online schickte. Sepp Blatter motze und lästere über Zürich, heißt es da. Die Stadt sei „langweilig, langweilig, langweilig“.
Im WM-Stadion von Kapstadt wird Blatter auf einer Tafel so zitiert:
„Leben ist Rhythmus und Rhythmus Leben. In Zürich gibt es nicht viel Rhythmus. Sie müssen wissen, Zürich liegt im deutschsprachigen Teil der Schweiz und das heisst, es ist langweilig, langweilig langweilig.“
In Zürich finden sie das gar nicht so lustig. Weshalb ich die knapp 300 Kommentare unter dem Beitrag empfehle. Die NZZ ist inzwischen auch darauf eingestiegen.
Einer meiner Favoriten-Kommentare ist natürlich der von Mike:
Zürich wird noch dafür bestraft, dass die FIFA erhebliche Steuererleichterungen erfährt. Damit muss ab SOFORT Schluss sein. Die FIFA ist in die volle Steuerpflicht zu nehmen und samtliche Steuerprivilegien für die FIFA sind unverzügllich aufzuheben.
Man könnte sagen: Sepp blamiert sich mal wieder. Würde er doch nur auf seiner roten Couch sitzen bleiben. Mit 74 Jahren hat er sich den Ruhestand verdient. Stattdessen will er 2011 noch einmal vier Jahre dranhängen und hat seinen Wahlkampf längst begonnen, kürzlich erst schaute er in Saudi-Arabien vorbei, um bei den Scheichs die Stimmung auszuloten.
Es darf übrigens weiter abgestimmt werden:
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Sepp hat aber nur ein Gesicht!!1!
Das weiß ich genau, weil Sep auf der Couch und beim Puzzeln ist mit meine Lieblingsstelle im Film und er sagt er nach seinem Victory sogar drei Mal, das er nur ein Gesicht hat! Also bitte korrigieren. ;)
(Und danke, ich habe ja schon mal vor Monaten gefragt, ob du ihn das Puzzel mitgebracht hast, aber da keine Antwort bekommen.)
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Schaut man sich dies Video an, freut man sich doch schon auf die Pressekonferenzen in Südafrika. Dagegen ist Rudi Völler ein Anfänger.
mit einem wort: unglaublich ungeschickt — wenn man das so liest, könnte man glatt auf die idee kommen, dass dem guten joseph s. „neun sind besser als einer“ blatter ein diplomat an seiner seite ganz gut tun könnte. moment… sagte ich ein diplomat hätte nützlich sein können? aber der sepp weiß schon was er tut. wahrscheinlich macht er nur gerade eine frühlingsdiät und denkt sich, dass er die fettnäpfchen in die er tritt wenigstens nicht mehr auslöffeln muss. oder so.
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was das von stefan verlinkte video angeht… ich hätte wirklich nie gedacht, dass das banale wohlfühlmotto „die welt zu gast bei freunden“ im nachhinein noch einmal so viel tiefgang entwickeln könnte. in diesem sinne: willkommen allerseits in südafrika! die kolportierten ausfälle erinnerten mich auch entfernt an das getöne eines gewissen herrn chuene von einem bevorstehenden dritten weltkrieg. aber was will man machen — man kann sich seine gastgeber ja nicht aussuchen…
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Bruno Affentranger im Tages-Anzeiger: Sepp Blatter – immer am Rande des Abseits