„Goodbye, Colorado“
Hat nichts mit Sportpolitik zu tun, aber mit Journalismus. Zeitungssterben, Teil … ich weiß nicht, der wievielte. Heute ist die…
Hat nichts mit Sportpolitik zu tun, aber mit Journalismus. Zeitungssterben, Teil … ich weiß nicht, der wievielte. Heute ist die…
Es folgt ein Text, gegen den ich mich seit drei Monaten sträube. Ich weiß, dass ich Ende November, als ich großspurig das Dreinull verkündete, darum bat, von Spenden und anderen Mitleidsbekundungen abzusehen. Inzwischen sehe ich das anders. Zwar sind seither ein weiterer Gerichtsbeschluss und ein Urteil zu meinen Gunsten ergangen. Doch meine Kosten sind beträchtlich gestiegen. Längst hat sich eine fünfstellige Summe an Anwalts- und Gerichtskosten angehäuft, nur ein Teil davon muss die Gegenseite erstatten. Für alle Nichtjuristen: Es ist keinesfalls so, dass ich keine Rechnungen begleichen muss, nur weil ich bislang vor Gericht gut abgeschnitten habe. Denn die Kostenfestsetzungen der Gerichte bemessen sich u. a. an den gesetzlichen Anwaltsgebühren. Ich nehme allerdings mit Hogan & Hartson Raue LLP die Dienste einer International Law Firm in Anspruch, mit der ich außerordentlich zufrieden bin – vor allem, natürlich, mit meinem Anwalt Ulrich Amelung.
Anfang Januar wollte ich aussteigen, die Auseinandersetzungen komplett beenden, als mir klar wurde, dass ich juristisch schon auf drei Hochzeiten tanze (s. u.) und es mir finanziell zu riskant wurde. Nach langen Gesprächen mit Freunden habe ich davon Abstand genommen. Das Hauptargument: Ich würde mich lächerlich machen, der ganze Kampf sei für die Katz gewesen, der DFB würde meinen Ausstieg gnadenlos in einen kolossalen Sieg umdeuten und über seine PR-Kanäle ausschlachten. Ich weiß nicht, ob ich nicht doch irgendwann aussteige. Es schlaucht; was ich trotz gelegentlicher Großmäuligkeit mehr als einmal deutlich gemacht habe. Vor allem aber: Im Wochenrhythmus steigen die Kosten, sie könnten leicht explodieren und sich verdoppeln, sollte ich einmal vor Gericht unterliegen, was ja denkbar ist, dann kämen die gegnerischen Anwalts- und weitere Verfahrenskosten hinzu. Der Umstand, dass ich im Spätherbst 2008 rund vier Wochen keine Einnahmen hatte, weil ich mich um diese Auseinandersetzung kümmern musste, macht es nicht einfacher. Jemand hat mir mal überschlagen, dass es 70.000 Euro sein könnten, würde ich in einigen Jahren in der letzten Instanz unterliegen. Nur so, als grob geschätzte Hausmarke.
Die Strategie der Gegenseite, wenn ich das so bezeichnen darf, zeichnet sich relativ klar ab, was mir auch durch Personen, die dem DFB nahe stehen (ich hoffe, mich auf den Quellenschutz berufen zu dürfen), vermittelt wird. Achtung, dies ist eine weitere Meinungsäußerung, mein Eindruck: Die Gegenseite versucht alles, um die drei juristischen Handlungsstränge auszuweiten, die Sache in die Länge zu ziehen und das finanzielle Risiko für mich zu erhöhen, nebst nervlicher Belastung. Da passieren abstruse Dinge. Da wird dann eben auch, nicht nur einmal, über die Rechtmäßigkeit der Zustellung eines Gerichtsbeschlusses per Fax gestritten, nachzulesen etwa in diesem Urteil.
Die drei Handlungsstränge habe ich schon einmal skizziert. Von einem Laien für Laien, für Juristen ist das nichts Neues:
Zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch zu Punkt 3 kommt es am 5. März 2009, 11.30 Uhr, am Landgericht Frankfurt am Main: Raum 391, Geb. B, im Justizgebäude, Gerichtsstr. 2. Ich werde dort sein.
Wenn mich jetzt jemand als Prozesshansel bezeichnen möchte. Nur zu. Das ist meine geringste Sorge.
Hätte ich das?
Oder gab es nicht doch gute Gründe, so zu entscheiden, wie ich entschieden habe?
Der ganze Spaß kann drei Jahre dauern, sagen mir Juristen, die sich auskennen. Bis zur letzten Instanz in allen drei Handlungssträngen. Wobei ich hoffentlich ungestraft erwähnen darf, dass nahezu jeder richterliche Beschluss, jedes Urteil angefochten wird. Gern auch Kostenbescheide. Gern mit einer Zeile des Widerspruchs. Begründungen kommen später, müssen mitunter angemahnt werden. Versucht wird auch, den Streitwert bestimmter Verfahren heraufsetzen zu lassen. So hat vergangene Woche das Landgericht Frankfurt am Main einen Beschluss gefasst, den Streitwert im Gegendarstellungssache bei 10.000 Euro zu belassen – und nicht „auf ca. 20.000 Euro“ zu erhöhen, wie die Gegenseite beantragt hatte.
Ich glaube also, das Vorgehen derjenigen, die die Kommunikationsherrschaft anstreben, zu erkennen. Und ich finde, der DFB-Präsident wurde erstmals gut beraten, als er kürzlich seinen Rücktritt vom angekündigten Rücktritt ankündigte und erklärte, über die Klageerhebung gegen mich sei noch nicht entschieden, man wolle erst „ein Gutachten“ abwarten. Dadurch wird der Eindruck erweckt, man bestimme die Handlung; was in gewisser Weise sogar stimmt, denn es handelt sich um ein Diktat des Geldes. Dadurch wurde der juristischen Auseinandersetzung Brisanz genommen, hatten sich doch gerade deutsche Leitmedien für das Thema interessiert, was plötzlich hinfällig wurde. Das mediale Interesse am Streitfall DFB/Zwanziger vs. Weinreich sank also wieder. Der deutsche PR-Rat hat offenbar auch kein Interesse mehr daran, die von Gerichten gerügte zweifelhafte Qualität der DFB-Pressemitteilung vom 14. November zu würdigen. Deutsche Journalistenverbände hatten sich ohnehin nur zögerlich dazu geäußert, Hilfe darf ich nicht erwarten.
So kann sich also der DFB-Präsident darauf konzentrieren, demokratische Tugenden zu predigen, die Internetpräsenz seines Verbandes zu verbessern und im März in Kopenhagen in den Vorstand der Europäischen Fußball-Union (Uefa) einzuziehen, was nicht sonderlich schwer ist und in den vergangenen Jahrzehnten nur seinem Vorgänger einmal kolossal misslang, 1998 in Dublin. In dieser relativen Ruhe lassen sich die juristischen Angelegenheiten, die sich – Achtung, eine weitere Meinungsäußerung – im Prinzip in Widerspruchsschreiben erschöpfen, unauffälliger voran treiben.
Zum schriftlichen Urteil im ISL-Prozess, das ich auch für die Neue Zürcher Zeitung ausgewertet habe („138 Millionen Franken Schmiergeld“) und in dem die Fifa nicht sehr gut wegkommt („täuschendes Verhalten“, „verwirrliche“ Argumentation), hat der Fußball-Weltverband einen Leserbrief geschrieben. Das Textlein ist heute in der NZZ zu lesen. Immerhin geht man nicht rechtlich gegen mich vor, würde ja auch schwerfallen, denn aus Gerichtsakten und Urteilen zu zitieren, ist (noch) nicht strafbar, weder in Deutschland noch in der Schweiz. Also versucht man, die Kommunikationsherrschaft mittels eines Leserbriefes zu retten. Interessant:
Eine Zuschrift
Das Zuger Strafurteil aus der Sicht der FifaEntgegnung zum ISL-Korruptionsprozess
Das Strafgericht Zug hat im Sommer 2008 die Verantwortlichen der ISL/ISMM-Gruppe, ehemals die Nummer 1 im weltweiten Sportmarketing, weitgehend freigesprochen (NZZ 24. 11. 08). Auslöser dieses umfangreichen Strafverfahrens bildete der Konkurs der Gruppe im Mai 2001.
Einige unsortierte Notizen vom DOSB-Konvent in Rostock, den ich am Freitag mit einem brandaktuellen Beitrag schon mal eingeleitet habe.
1) Hat irgendwie mit Kommunikationsherrschaft zu tun: Wie ich höre, hat der DOSB erfolgreich beim CDU-Fraktionschef Volker Kauder lobbyiert und sich gewissermaßen seine eigene Sport-Debatte im Bundestag (hier im Blog findet sich auch das Protokoll) organisiert. Der DOSB-Präsident feiert diese Debatte als Meilenstein zur Aufnahme des Sports ins Grundgesetz: „Dies gilt umso mehr, als der Antrag nicht nur ausdrücklich erklärt, dass der Deutsche Bundestag die Autonomie des Sports respektiert, sondern auch die Europäische Union auffordert, die freiwillige Selbstorganisation und Autonomie des Sports anzuerkennen.“ Der DOSB-Präsident Thomas Bach (FDP) bedankt sich bei den Obleuten im Sportausschuss – Dagmar Freitag (SPD), Klaus Riegert (CDU) und seinem Parteikollegen Detlef Parr (FDP) – überschwänglich. All jene, die ihn zwar gelegentlich kritisieren, aber – wie Sportausschuss-Chef Peter Danckert (SPD) – dennoch für die Grundgesetzänderung sind, erwähnt er nicht. Auch Winfried Hermann (Bündnis 90/Grüne) wird mit NIchtnennung bestraft. Gegen Danckert, der sich in der Bundestagsdebatte (s. Protokoll, Seite 8) erlaubt hatte, daran zu erinnern, wer die Nivellierung des Arzneimittelgesetzes zu verantworten hat, führt Bach die angebliche „historische Wahrheit“ ins Feld, der 10-Punkte-Aktionsplan gegen Doping des DOSB-Präsidiums vom August 2006 und dessen Bestätigung durch die Mitgliederversammlung vom Dezember 2006 seien Meilensteine gewesen. Darüber können aufgeklärte Zeitgenossen, die sich daran erinnern, mit welch eklatanter Verspätung sich der DOSB damals in die längst tobende Debatte einschaltete und verzweifelt versuchte, die Kommunikationsherrschaft zu gewinnen, nur müde lächeln.
2) Zum Thema Aufnahme des Sports ins Grundgesetz ist übrigens sehr interessant, was Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Sonnabend in der Yachthafenresidenz Hohe Düne sagte. „Präsident Bach“ möge „einen Moment rausgehen“, merkte Schäuble launig an: „Ich rate immer dazu, die Probleme zu lösen und nicht mit irgendwelchen Scheinlösungen zu glauben, die Probleme gelöst zu haben.“
3) Der Auftakt der Mitgliederversammlung könnte einen olympischen Sitzungsrekord gebracht haben, aber ich habe die Versammlungsbilanzen der chinesischen und nordkoreanischen Sportverbände nicht geprüft. Jedenfalls, Grußworte und Ordensverleihungen dauerten satte 106 Minuten, da waren schon die ersten Delegierten eingeschlafen (dafür gibt es außer mir noch mindestens einen Augenzeugen). Der eigentliche Konvent dauerte nur unwesentlich länger als der schwer ermüdende Auftakt.
4) Mehr über den „Meilenstein“ Mitgliederversammlung gibt es auf der DOSB-Homepage oder auch hier.
5) Der Kollege Holger Schück, freier Journalist, hat sich gut umgehört und neben Hintergründen zur DOSB-Finanzierung auch die Geschichte, wonach Leistungssportdirektor Bernhard Schwank in Kürze abgelöst werden soll, schon im Deutschlandfunk versendet.
Es mag pathetisch klingen, aber ich muss mal ein öffentliches Dankeschön an alle loswerden, die mir in den vergangenen Wochen…
Das ist eine verlockende Überschrift, nicht wahr? Ich muss tatsächlich mal etwas klarstellen, was hier und in Nachbarblogs hin und wieder diskutiert wird und sich leider unterschwellig auch in die Berichterstattung anderer Medien einschleicht. Die Frage lautet: Kann ich nicht einlenken, wenn der DFB schon nicht einlenkt?
Ich lasse einmal außen vor, dass a) kein Fehlverhalten meinerseits vorliegt, aber b) drei Gerichtsbeschlüsse zu meinen Gunsten existieren. Ich will auf einen anderen Fakt hinweisen bzw. klarstellen: Ich habe dem DFB gestern Morgen ein schriftliches Angebot unterbreitet. Es existiert nur dieses Angebot. Von mir. Ich wäre sogar bereit gewesen, meine Ansprüche auf Unterlassung, Gegendarstellung und Widerruf wegen der Pressemitteilung 180/2008 nicht weiter zu verfolgen, um endlich wieder ungestört meinen Beruf ausüben zu können, hätte der DFB diese Mitteilung zurückgezogen. Mehr darf ich aus rechtlichen Gründen nicht zu den Umständen und zum Inhalt sagen, obwohl ich es gern tun und hier natürlich auch mein Papier veröffentlichen würde.
Nun spielt also die Gegenseite mit den geldgedopten Muskeln. Ich bin beeindruckt. Der Deutsche Fußball-Bund will Klage gegen mich erheben. Warum? Ich kann es nur vermuten. Ich kommentiere diese wirren Zeilen nicht. Wer Augen hat zum Lesen und einen Kopf zum Denken, der kann hier im Blog sämtliche Fakten überprüfen. So lange dieser Blog noch existiert.
Der DFB-Präsident tauscht Pressefreiheit gegen Diffamierung: Das sportnetzwerk fordert Widerruf von Theo Zwanziger
Die im und dem sportnetzwerk, der Qualitätsoffensive im Sportjournalismus, verbundenen Journalisten und Freunde des Sports fordern den Deutschen Fußball-Bund (DFB) auf, unverzüglich mit einer öffentlich wahrnehmbaren und eindeutigen Geste die Diffamierung des sportnetzwerk-Mitgründers Jens Weinreich zu beenden.
Jens Weinreich – Wächterpreisträger, Buch- und Filmautor, international anerkannter Experte für Sportpolitik, langjähriger Sportchef der Berliner Zeitung – wurde vom DFB am 14. November in einer bislang beispiellosen Art und Weise verleumdet. Nachdem der DFB in der rechtlichen Auseinandersetzung um einen Blog-Kommentar von Weinreich zu Zwanzigers Äußerungen gegen Pläne des Bundeskartellamtes und die Formulierung, Zwanziger sei ein „unglaublicher Demagoge“, vor dem Landgericht und dem Kammergericht Berlin unterlegen war, verbreitete der DFB eine Pressemitteilung, in der diese Gerichtsbeschlüsse verschwiegen wurden. Statt dessen wurde Jens Weinreich vom DFB-Präsidium, vom DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach und vom DFB-Pressesprecher Harald Stenger mit Unwahrheiten und diffamierenden Behauptungen überzogen. Generalsekretär Niersbach hat mehr als 100 Exponenten der Sportpolitik – unter ihnen DOSB-Präsident Thomas Bach, die Mitglieder des Bundestags-Sportausschusses sowie die Spitzen von DFB und Deutscher Fußball-Liga (DFL) – aufgefordert, die Diffamierungen „argumentativ zu verwerten“.
Dieses gezielte Einwirken auf Weinreichs Berufsumfeld ist ein Versuch, das in diesem Fall zweifach juristisch bestätigte Grundrecht auf Meinungsfreiheit auszuhebeln. Es ist eine Handlungsanweisung zur Aushöhlung der Pressefreiheit.
Immer wieder Überraschungen an Freitagabenden. Vergangene Woche diese abstrusen DFB-Wahrheitsbeugungen, die ich hier zerpflückt habe. Und eben, um 17.38 Uhr, erscheint ein Interview mit dem DFB-Präsidenten Theo Zwanziger auf sueddeutsche.de, Überschrift: „Ich fühle mich nicht als Täter“. Ich muss noch ein wenig darüber nachdenken, was das alles bedeutet und wie absurd es ist, dass der Kommunikationsherrschafts-Anstreber Zwanziger lang und breit seine Sicht der Dinge darlegen kann und bei all den Irrungen immerhin mehrfach auf dieses Blog verweist. Herr Niggemeier, der am Nachmittag ein offenbar sehr buntes Word-Dokument vom DFB-Pressesprecher erhalten hat, in dem also auch viele bunte Versionen des Textes und der DFB-Wahrnehmung ersichtlich sind, meint, man könne Zwanziger in dem sueddeutsche.de-Interview „bei der Selbstdemontage zusehen“.
(Dieses hübsche Tool, das die Nachbarn von sportticker.net erstellt haben, könnte zum Verständnis beitragen. Für den DFB: So etwas Wunderbares gibt es anonym und weitgehend unbekannt im Internet. Und umsonst.)
Wer hier mitgelesen hat, dem sollten etliche Ungereimtheiten in Zwanzigers Aussagen auffallen. Aber ich mag das jetzt gar nicht kommentieren. So weit ich bislang in Erfahrung bringen konnte, erscheint das Gespräch morgen nicht in der Papier-SZ, weil es wegen der Wetterkapriolen wohl einige Änderungen im Andruck gegeben hat. Mit freundlicher Genehmigung von Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, veröffentliche ich den kompletten Text. Hier darf wie immer diskutiert werden, verlinkt wird peu à peu:
„Ich fühle mich nicht als Täter“
DFB-Chef Theo Zwanziger bezieht Stellung zu seiner Auseinandersetzung mit einem freien Journalisten um den „Demagogen“-Vorwurf. Ein Gespräch über Meinungsfreiheit und Konfliktkultur.
Interview: Christopher Keil, Süddeutsche Zeitung
Am 25. Juli schrieb der freie Sportjournalist Jens Weinreich, 43, in dem öffentlichen Internet-Blog „Direkter Freistoss“ über Theo Zwanziger, den Präsidenten des Deutschen Fußbal-Bundes (DFB): „Ich (habe) schon viele Auftritte von Sportfunktionären erlebt, aber dieser von Zwanziger war einer der schlimmsten in der nach unten offenen Peinlichkeitsskala. Er dreht nach der Kartellamtsentscheidung völlig durch. Er ist ein unglaublicher Demagoge. Schuld an allen Problemen des Fußballs, des DFB im allgemeinen und der DFL im besonderen ist einzig und allein das Bosman-Urteil – das, behauptete Zwanziger fast wörtlich mehrfach. Es ist das alte Lied, wenn er sagt: ,Die Spezifika des Sports hat man in der europäischen Entwicklung schlicht und einfach nicht gesehen und verschlafen.‘ Es ist das Lied derer, die die Kosten vergesellschaftlichen und die Gewinne privatisieren. Derer, die nach Autonomie schreien, wenn es Vergehen von Funktionären zu vertuschen gilt, die aber immer nach Sonderregeln und Ausnahmegesetzen schreien, wenn ihr Milliardengeschäft an ganz normalen Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten gemessen wird.“
Zweimal versuchte Zwanziger im September und Oktober, Weinreich gerichtlich verbieten zu lassen, ihn als Demagoge zu bezeichnen. Der 63-Jährige sieht sich in seiner Ehre verletzt. Am 14. November veröffentlichte der DFB eine sehr ausführliche Pressemitteilung, in der ausgedrückt wird, dass der DFB die Einlassungen Weinreichs als „Diffamierung“ empfinde und scharf missbillige. Dass Zwanziger mit seinen Einstweiligen Verfügungen scheiterte, wird verschwiegen, dafür behauptet, Weinreich habe nun auf eine Klageandrohung hin eingelenkt. Der Journalist, der den gesamten Fall in seinem Blog (www.jensweinreich.de) dokumentiert hat, bestreitet das und wirft dem DFB Wahrheitsbeugung, Irreführung und Lüge vor. Ein Gespräch mit DFB-Präsident Zwanziger über Meinungsfreiheit, Demagogen und Konfliktkultur.
SZ: Herr Zwanziger, warum verschweigt der DFB in einer aktuellen Pressemitteilung zum Streit mit dem freien Journalisten Jens Weinreich, dass Sie bisher gerichtlich zweimal gegen Weinreich verloren haben?
Theo Zwanziger: Wir hatten einstweilige Verfügungsverfahren. Das sind vorläufige Verfahren, die sich nicht mit dem Gesamtsachverhalt ausreichend beschäftigt haben. Dafür sind Hauptsacheverfahren zuständig, ein Urteil ergeht dann nur nach Klage und einer mündlichen Verhandlung. Folglich haben wir bisher kein Urteil, sondern eine vorläufige Beurteilung. Wir haben auch nicht sofort geklagt, wie behauptet wird, wir haben den Journalisten zur Unterlassung aufgefordert und ihn gebeten, das nicht weiter zu behaupten.
SZ: Die Richter waren der Meinung, der Journalist habe Sie unter Wahrnehmung seines Rechtes auf freie Meinungsäußerung als „unglaublichen Demagogen“ bezeichnet, er habe Sie folglich nicht diffamiert, wie der DFB verbreitet hat.
Zwanziger: Ich sehe die Äußerung des Journalisten als ehrverletzend an, also mache ich Gebrauch von den rechtsstaatlichen Möglichkeiten, die Angelegenheit zu klären. Wenn Weinreich nun den Begriff „Demagoge“ anders wertet als ich . . .
SZ: Wie haben Sie es gewertet?
Zwanziger: Mit Demagoge ist Volksverhetzer verbunden und damit auch eine Nähe zum Nationalsozialismus.
SZ: Aber den Zusammenhang kann man wirklich nicht herstellen, wenn man den Blog-Eintrag liest.
Zwanziger: Deshalb habe ich auch sofort gesagt, die Sache hat sich erledigt, als mich unser Vizepräsident Rainer Koch auf eine Internetdarstellung von Herrn Weinreich aufmerksam machte, aus der hervorging, dass er mit dem Begriff „Demagoge“ nicht das gleiche Verständnis wie ich hatte. Und dies hat dann sein Anwalt uns gegenüber nochmals klargestellt. Damit war für mich der Vorgang beendet, deshalb haben wir auch keine Unterlassungsklage erhoben.
SZ: Sie planten aber doch, mit der Unterlassungsklage nach Koblenz zu gehen, wo Sie ein paar Jahre als Verwaltungsrichter und Regierungspräsident tätig waren?
Zwanziger: Das ist das Interessanteste an diesem Fall: Unabhängigkeit von Richtern, ist wohl davon abhängig, wo jemand wohnt . . . Oh nein. Eine Unterlassungsklage kann an mehreren Gerichtsständen eingereicht werden. Dort findet dann eine mündliche Verhandlung statt. Also gehe ich entweder an das zuständige Gericht meines Wohnortes, das ist Koblenz, oder ich gehe nach Frankfurt, wo der DFB seinen Dienstsitz hat. Ich bin aber bereit, auch an jedes andere Gericht zu gehen. Ich fände es unglaublich, wenn mir unterstellt würde, ich suchte mir ein Gericht aus, das mir gefällig ist. Wer so die Unabhängigkeit von Richtern in Zweifel zieht, stellt sich selbst ins Abseits.
Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer. — Theo Zwanziger * * * Die Jungs Kollegen von…
Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer.
— Theo Zwanziger
So, nach einigen Stunden Schlaf und einem Müsli fühle ich mich gestärkt genug, um das Lügengebilde des DFB auseinanderzupflücken. Die gestrige Email des DFB-Generalsekretärs Wolfgang Niersbach an mehr als 100 Entscheidungsträger aus Politik und Sport sowie Journalisten (und das ist nur der Verteiler, der mir momentan vorliegt, ich weiß nicht, wie viele Emails mit ähnlich großem Verteiler noch verschickt wurden) und die vom DFB-Pressechef Harald Stenger verfasste, über den DFB-Verteiler an alle Journalisten verschickte und auf der DFB-Homepage verfügbare „Pressemitteilung“ sind gespickt mit Lügen, Unwahrheiten, Wahrheitsbeugungen, falschen Angaben, unzutreffenden Sachverhalten, irreführenden Aussagen.
Ich zähle: 18 Lügenkomplexe, denen ich vorerst 62 Wahrheiten entgegen stelle.
Ich denke: Sollte jemand Lust auf Recherche haben, könnten sich die Zahlen 18 und 62 schnell erhöhen.
Vor allem verschweigen die DFB-Mitteilungen Entscheidendes: zwei gerichtliche Beschlüsse zu meinen Gunsten – den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. September 2008 (der anschließenden Beschwerde des DFB wurde ebenfalls nicht stattgegeben) und den Beschluss des 9. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 10. Oktober 2008, das die Beschwerde ebenfalls zurückgewiesen hat. In anderen Worten: Mit der Wahrheit belästigt der DFB weder per Email noch per Pressemitteilung.
„Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer.“
Theo Zwanziger
Bevor ich zum Gaunerstück der Kommunikationsherrscher der deutschen Sportpolitik komme, flink dies: Die Nachricht hinter der Nachricht, die mich gerade aus dem Deutschen Bundestag erreichte und die ich hier komplett veröffentliche, ist die: Theo Zwanziger gibt sich rechtlich geschlagen, doch der DFB weitete seine Verleumdungskampagne gegen mich aus. Zwanziger erhebt keine Klage in Koblenz, doch mit keinem Wort wird erwähnt, dass er mit seinen Unterlassungsbegehren vor dem Berliner Landgericht und dem Kammergericht gegen mich unterlag. Beide Gerichte haben festgestellt, dass an dem, was Zwanziger mir in dieser Presseerklärung unterstellt, nichts dran ist – aber auch gar nichts.
Unter Missachtung der gerichtlichen Beschlüsse und eklatanter Verdrehung der Tatsachen schickte DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach vor wenigen Minuten dennoch dieses Anschreiben mit nachfolgender Pressemitteilung an die Spitzen der deutschen Sportpolitik, Bundestags-Politiker, Sportfunktionäre wie den DOSB-Präsidenten Thomas Bach, Journalisten und viele mehr:
——– Original-Nachricht ——–
Betreff:
Aktuelle Pressemitteilung des DFB
Datum:
Fri, 14 Nov 2008 18:14:46 +0100
Von:
Niersbach, Wolfgang
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde,
beigefügt überlassen wir Ihnen eine Pressemitteilung, die ein Thema behandelt, das in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt geblieben ist, trotzdem aus Sicht des DFB-Präsidiums und auch der Geschäftsführung große Bedeutung besitzt.
Festgehalten ist, dass wir es auch nicht in – mehr oder weniger anonymen – Internetblogs hinnehmen können, dass Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens grundlos diffamiert werden. Betroffen im konkreten Fall war unser DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger, morgen aber kann dies schon wieder jemand anderes sein.
Nach unserer festen Überzeugung müssen wir diese Grundposition offensiv darstellen. Daher diese Pressemitteilung, die wir Ihnen als PDF-Datei beigefügt haben und die Sie natürlich argumentativ auch verwerten können. Darauf hoffen wir sogar.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Niersbach
Generalsekretär
Tja, liebe Leute, ich ahnte, dass es so kommen würde. Obgleich ich noch eine Weile brauchen werde, um zu begreifen, was das hier sein soll, was es bedeutet und welche Auswirkungen es auf mich, meinen Ruf und meine Arbeit als freier Journalist hat. Soeben finde ich auf der DFB-Homepage eine Meldung, die mir, nun ja, reichlich demagogisch, also irreführend, die Öffentlichkeit mit falschen Behauptungen in eine bestimmte Richtung lenkend, erscheint. (Nachtrag um 20.42 Uhr: Ich habe 17 mich betreffende, sehr wahrscheinlich unwahre Behauptungen/Lügen gezählt in Niersbachs Anschreiben und der Pressemitteilung, die gleich folgt. Vor allem: Es werden einige Behauptungen aufgestellt, mit denen Zwanziger/der DFB in Berlin vor Gericht abgeblitzt ist.)
Ich denke, darüber muss ich mit meinem Anwalt beraten. Ich bitte darum, diesen Text mit Vorsicht zu genießen. Das ist pure Propaganda. Mal auszählen, ob da auch etwas Wahres drinsteht. Und bestimmt läuft es gleich über die Nachrichtenagenturen, um die Diffamierung perfekt zu machen. Und eins noch vorab: Niemand vom DFB hat je mit mir darüber geredet. Der Anwalt des DFB hat meinem Anwalt etwas anderes erzählt/versprochen, als es hier jetzt vorliegt. Der DFB lügt posaunt in die Welt hinaus:
Ich habe Post von Theo Zwanziger. Präziser: Der Anwalt des DFB-Präsidenten schickt den Entwurf einer Unterlassungsklage und schreibt: Sollte Herr…